Die Kindheit in Belgien (1874-1883)

Mein Großvater (nachfolgend Franz genannt)* war zwei Jahre und acht Monate alt, als seine Eltern, die Engländerin Mary Anne, geborene Booth, und der Holländer Francois van Himbergen, am 1. April 1874 Tilburg in Holland verließen, um nach Brüssel in die Vorstadt Schaerbeek überzusiedeln, und hier die Vertretung einer Tilburger Wollstoff-Fabrik einzurichten. An diese erste Wohnung in der Vorstadt Schaerbeek, die durch eine Pferdebahn mit der Stadt verbunden war, erinnert Franz sich gut, da er bis zum Alter von 8 ½ Jahren, also bis April 1880, mit den Eltern da gewohnt hat.

Rue van der Linden

Es war ein mittleres zweistöckiges Haus mit einem hinter dem Haus befindlichem Garten von ca. 200 m2, der von einer Steinmauer umgeben war. Unten im Erdgeschoss links war das Magazin für die Stoffballen eingerichtet, während nach dem Garten zu ein größeres Wohnzimmer vorhanden war; oben im ersten und zweiten Stock waren je zwei Zimmer vorgesehen als Schlafzimmer der Eltern und der Kinder. Der zweite Stock wurde etwas später an Herrn Huysmann, einen holländischen Bekannten des Vaters, und dessen Frau, die aus Stollberg bei Aachen stammte, mit der Tochter vermietet, sodass die Familie van Himbergen nur das Erdgeschoss, die erste Etage, den Keller und Boden bewohnten. Die Mieter sprachen oft deutsch miteinander. Ebenso gut beherrschten sie aber flämisch und französisch, wie die meisten Einwohner von Brüssel. Nur die Mutter von Franz hatte Schwierigkeiten mit der französischen Sprache. Dass sie ungern französisch sprach, lag sicher daran, dass die Familie, bei der sie als englisches Kinderfräulein gearbeitet hatte, von flämischer Herkunft war, die Mutter demzufolge wenig französisch hörte. Franz war später, vielleicht im Jahr 1877, einmal zu Besuch dort mit seiner Mutter. Es waren reiche Leute, denn die Wohnung in der Rue Royale, die ungefähr die Grenze zwischen der flämisch und der französisch sprechenden Bevölkerung von Brüssel bildete, war sehr groß und herrschaftlich eingerichtet. Nach und nach erlernte sie das Französische doch etwas durch den Kontakt mit Kaufleuten und Kunden beim Stoffverkauf. Wallonisch hörte man in Brüssel so gut wie gar nicht, da in den Schulen damals die wallonische Sprache verboten war, um das Erlernen der französischen Sprache nicht zu erschweren. Flämisch wurde sehr wenig unterrichtet, höchstens eine Stunde pro Woche, sodass Franz das Flämische nie richtig gesprochen hat, trotzdem zu Hause und auf der Straße meistens nur flämisch gesprochen wurde.

Im Jahr 1875 fuhren die Eltern von Franz und den Geschwistern auf kurze Zeit wieder nach Tilburg zurück, um geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Es war die erste Eisenbahnfahrt seines Lebens, an die er sich erinnern kann. Vor allem wie die Telegraphendrähte bei der schnellen Fahrt hoch und nieder gingen und die Baumreihen in der Ferne sich der Fahrtrichtung entgegen bewegten, haben ihn nachhaltig beeindruckt.

Mitte Juni 1876 wurde Franz auf die Hochebene vom Kockelber zu der Familie Huysmann gebracht, die später in die 2. Etage (s.o.) einzog. Während er dort draußen war, wurde zu Hause am 26. Juni 1876 sein jüngster Bruder Jan geboren. Bald darauf wurde Franz zurückgeholt und traf seine Mutter – noch nicht ganz wieder hergestellt in der hinteren Wohnstube sitzend – und muss etwas nicht Passendes gesagt haben, denn seine Tante Dominika nahm ihn bei der Hand und führte ihn unter Schlägen und Schimpfen die Treppe hinauf nach oben, wo er eingeschlossen wurde. Seine Tante, die Nonne im Haus der schwarzen Schwestern zu Mecheln war, hatte seine Mutter gepflegt und konnte sich ihm gegenüber so etwas erlauben. Sonst ist er immer sehr gut mit ihr ausgekommen und hat manches Gute durch sie erfahren: am liebsten hätte sie gesehen, wenn er katholischer Geistlicher geworden wäre, was sein Vater jedoch ablehnte, da er sehr liberal gesinnt war. Deshalb vertrugen sich die Geschwister auch nicht gut. Sein Vater stand auf der Seite der liberalen Partei und die Tante als Nonne war natürlich streng katholisch. Damals gab es auch nur zwei Parteien in Belgien: die Klerikale und die Liberale Partei. An Sozialdemokraten oder gar Kommunisten dachte noch niemand. Diese kamen erst viel später.

In jener Zeit mussten belgische Kinder erst nach dem vollendeten siebenten Lebensjahr in der Schule angemeldet werden. Franz wurde von seinem Vater aber gleich nach dem sechsten Lebensjahr, also im Jahre 1878, in eine Vorschule geschickt, die sich nur ein paar hundert Meter von zu Hause auf der anderen Seite der Eisenbahnlinie Brüssel-Antwerpen befand. Der Weg ging über eine große neugebaute doppelte Eisenbahnbrücke und über den Bahnübergang der Güterbahn, sodass, nachdem die Mutter ihn einige Male zur Schule gebracht hatte und der Weg für ihn ungefährlich schien, er ihn allein gehen konnte. Denn damals gab es noch keine Kraftfahrzeuge und er brauchte nur direkt von der Schule die nicht stark benutzte Güterbahnverbindung zu überqueren. Es gab zwei Lehrerinnen, die den Kindern auf flämisch und französisch das Lesen und Schreiben beibringen sollten, denn zu Hause wurde im allgemeinen nur flämisch gesprochen. Die wallonische Zone befand sich erst 14 km südlich gen Stade ungefähr bei Waterloo, während das richtige Französisch erst hinter der französischen Grenze gesprochen wurde. Während der Schulpausen mussten sie unter dem Klang von Handholzklappen, die die Lehrerinnen bewegten: klapp, klapp, eins, zwei im Hof umher marschieren oder gymnastische Übungen ausführen.

1877 oder 1878 wurde Franz zum ersten Mal von seiner Mutter in einen Wanderzirkus mitgenommen. Die Pferdedressur und die Darbietungen der Clowns waren ähnlich wie heute und sehr spaßhaft. Zu Ostern fing in jedem Jahr in der Umgegend die Kirmes an und zuallererst in Schaerbeek um die neue Kirche herum. Manchmal gingen die Kinder mit der Mutter dahin und mit Vorliebe in die Schaubude „á l’enfer“ (in die Hölle), worin jeder Sünder ob Richter, Advokat, Pfaffe, Hexe, Dirne usw. verurteilt wurde, um in die Hölle zu fahren, wonach eine große Stichflamme um den betreffenden Kessel aufloderte und die jeweilige Puppe in der Hölle verschwand. Acht Tage später war dann die Kirmes in Laeken, wo sie auch manchmal mit der Mutter hingingen. Zuletzt, nachdem die Kirmes überall in der Umgebung stattgefunden hatte, war sie in Brüssel auf dem Boulevard du Midi gegenüber dem Südbahnhof, wo die Mutter sie ebenfalls einmal mitnahm, denn hier dauerte die Kirmes mindesten 6 Wochen. Hier in der Nähe war auch eine Gastwirtschaft mit Gesangsvorführungen von Sängern und Sängerinnen, ähnlich wie im Kabarett. Bei einem Glas Bier blieb die Mutter dort ein bis zwei Stunden mit den Kindern und amüsierte sich über die Lieder, die diese noch nicht verstanden.

Für den Vater musste Franz in der Rue van der Linden häufig Geschäftsbriefe zur Post bringen, die sich jenseits der Bahnschienen befand. Bei einem solchen Gang kam es auch einmal vor, dass die Schranken des Bahnübergangs geschlossen waren und er lange warten musste. Leider passierte es da, dass er, von innerem Drang geplagt, nicht lange genug Widerstand leisten konnte und alles in die Hose ging, sodass er von einigen Passanten nach Hause gebracht werden musste. Die Sache lief zu Hause aber noch gnädigst ab.

Mutter ging mit den Kindern sehr oft, besonders an den Sonntagen, in der Umgebung von Schaerbeek spazieren und so waren sie häufig in Laeken in dem großen Park gegenüber dem Schloss des damaligen Königs Leopold II. sowie am Kanal von Willebroek im Nordwesten der Stadt Brüssel. Ebenso wurde das Tal von Josaphat nordöstlich der Stadt häufig besucht, wo die Liebesquelle (Fontaine d‘ Amour) ein schönes und sauberes Trinkwasser hervorquellen ließ. Auch ging es sonntags nachmittags mit der Mutter von Zeit zu Zeit zur Andacht in die Kapuzinerkirche, die sich in der Nähe der Wohnung befand. Vormittags schickte die Mutter die Kinder häufig zur Sonntags-Messe. Einige Male waren sie auch auf den Brüsseler Friedhöfen 6 km östlich der Stadt, sowohl auf dem Friedhof von Saint-Josse-ten-Noode als auch auf dem größeren Friedhof von Schaerbeek, wo ein großes Denkmal für die gefallenen französischen Soldaten von 1879 errichtet worden war. Die Mutter ging scheinbar gern auf die Friedhöfe, um die  imposanten Denkmäler und schön gepflegten Gräber zu betrachten.

Grundriss Rue van der Linden

Neben dem Hause in der Rue van der Linden war eine größere Kohlenhandlung, die die Familie auch mit Kohlen belieferte. Braunkohlenbriketts gab es nicht, da in Belgien in der Gegend von Lüttich, Namur, Charleroi und Mons nur Steinkohle gefördert wurde, die durch den 66 km langen Kanal von Charleroi mit Kähnen bequem nach Brüssel befördert werden konnte. Sogenannte Berliner Öfen waren ebenfalls unbekannt; in Belgien kannte man nur die eisernen Küchenöfen mit Handdeckel, sodass die Familie Winter wie  Sommer meistens in der Küche wohnte. Kurz vor Ostern 1878 hat Franz damals im Garten nahe des Hauses acht rechteckige Löcher gegraben zur Aufnahme der Ostereier, die die Eltern am Ostermorgen buntbemalt oder in Kaffee gekocht für die Kinder und sich hineinlegten. Wie den Kindern gesagt wurde, flogen die Kirchenglocken am Karfreitag vor Ostern nach Rom, um die Eier zu holen und im Zurückfliegen am Ostersonntag in die vorgegrabenen Löcher zu legen. Die acht Löcher waren bestimmt für Vater und Mutter für seine Schwester Louise, (Wis genannt), für seinen Bruder Jan, für Franz selbst und die drei letzten rechts für Herrn und Frau Huysmann sowie für deren Tochter Elisa. Die Mär vom Osterhasen war dagegen in Brüssel unbekannt ebenso wie die vom Klapperstorch. Die Kinder kamen einfach aus den Kohlköpfen.

Das größte Fest für die Kinder war jedoch der 6. Dezember. Da kam der heilige Nikolaus am Vorabend zu den braven Kindern mit Äpfeln, Nüssen, Pfefferkuchen und Spielsachen, wenn sie schon im Bett lagen. Sie mussten schön beten und fanden dann frühmorgens die Sachen in und neben den vorher herausgestellten Schuhen. Zum neuen Jahr gab es je nach dem Stand der Eltern größere oder kleinere Pfefferkuchen für die Kinder, während die Erwachsenen reiche Geschenke austauschten. Später ging die Familie zu Bekannten zum Gratulieren, wo dann zu einem Glas Likör und Gebäck eingeladen wurde.

Tafel zum Park, in dem Franz mit seiner Mutter oft spazieren ging

Nach Beendigung des ersten Schuljahrs kam Franz im Frühjahr, sicher zu Ostern 1879, in die Gemeindeschule für Knaben, wo er im französischen Unterricht im Schreiben und Rechnen weiter ausgebildet wurde. In dieser Schule war er zwei Schuljahre lang, bis seine Eltern am 1. April 1880 von der Rue van der Linden in Schaerbeek nach der Rue Saint-Lazare Nr. 34 in der Vorstadt Saint-Josse-ten- Noode, dicht beim Nordbahnhof hinter dem botanischen Garten, zogen, den Franz dann auch sehr oft besucht hat.

Die Rue Saint-Lazare hinter dem botanischen Garten hatte eine ziemlich starke Steigung nach Westen, wie alle Straßen, die vom Nordbahnhof und den inneren Boulevards nach Osten zur Höhe der Rue Royale führten. Die neue Wohnung war sehr geräumig.

Rue Saint Lazare Brüssel Ausschnitt

Die Wohnung lag in der ersten Etage über mehreren kleinen Läden: Rechts über einem Grünwaren- laden (1) und links über zwei weiteren Läden (2 u. 3) und an der Ecke der Rue Linné über einem Bierlokal (4). Zwischen den Wohnzimmern (WW) und den unteren Läden (1-4) waren für die Besitzer der Läden und der Kneipe niedrige Zwischenräume (5) vorgesehen, die als Wohnzimmer dienten. Abgesehen von der Grünwarenfrau, bei der die Mutter das Gemüse usw. kaufte, ist die Familie mit den anderen Mietern des Hauses wenig zusammen gekommen. Zwischen den Läden (1 und 2) befand sich der Eingang (5) zum großen Hausflur (6) der Wohnung, welcher aus einem großen doppelflügeligen Tor mit halbbogenförmigem Oberfenster bestand. Links vom Eingangstor war eine Tür zu einem kleinen Empfangszimmer (7), wo Franz später seine Schularbeiten fertig gestellt hat. Das einzige Fenster dieses Raumes, das nach der Straße zu lag, war durch senkrechte Eisenstäbe gegen Einbruch geschützt. Am Ende des großen Hausflurraumes war das geräumige Klosett (8), jedoch noch ohne Wasserspülung. Links davon ging die Steintreppe zur Küche (9) und zum Keller (10) hinab.Vom Hausflur (6) führte die breite Treppe (11) zu den oberen Stockwerken. Im ersten Stockwerk befand sich rechts von der Treppe das große Magazin (MM) des Vaters und dahinter an der Ecke der Rue Linné das Schlafzimmer der Eltern. Links war das Schlafzimmer (Wa) seiner Schwester Louise, das über dem Zwischenraum (5a) des Grünwarenladens (1) lag, während das große Magazin und das Schlafzimmer (W) seiner Eltern sich über den Zwischenräumen (5-5) der Läden (2 und 3) und der Kneipe (4) befanden. Das Magazin war als Lager für die Stoffballen aus Tilburg eingerichtet. In der Mitte war eine große schwarzlackierte Tafel (T) vorgesehen zur Bedienung der Kundschaft und ringsherum die Regale (R) zur Aufbewahrung derselben. Weiter oben im zweiten Stockwerk lag links sein Schlafzimmer (S), das er mit seinem Bruder teilen musste. Die rechts liegenden Zimmer (V) waren dagegen an andere Leute vermietet. Weiter oben waren nur noch Bodenräume (B), die ebenso angeordnet waren, wie die Räume der 1. und 2. Etage und nur zur Aufnahme von abgelegten oder zurückgestellten Sachen dienten. Auch als Trockenböden wurden diese Räume von den Müttern benützt.

Saint Lazare 1. Stock

In der Küche wurde gekocht, gewohnt und gegessen. Sie lag, wie in Brüssel üblich, unter der Fahrbahn der Straße, besaß ein sehr hohes Fenster, das ebenfalls durch Eisenstäbe gegen Einbruch gesichert war. Trotzdem war es noch hell genug, um bequem ohne künstliches Licht die Zeitung lesen zu können, denn der Vater las seine Tageszeitung „L‘ Etoile belge“ früh beim Kaffeetrinken bei Tageslicht. Abends war die Familie gezwungen, die Petroleumlampe anzuzünden, denn eine Gasleitung war in der Wohnung noch nicht vorhanden, obwohl es die Gasbeleuchtung in Brüssel schon sehr lange gab. Elektrische Beleuchtung für private Zwecke war überhaupt noch nicht zu haben. Nur einige Plätze der Stadt so z. B. der Platz vor dem Süd- und Nordbahnhof wurden durch Bogenlampen erleuchtet.

Am großen Schreibpult seines Vaters, das vor den Fenstern der Straße stand, hat Franz besonders in den Mittagsstunden auf dem hohen Schemel gesessen, um die Schularbeiten zu erledigen.

Durch den Umzug der Eltern von der Rue van der Linden 6 nach der Rue Saint Lazare 34 im Jahr 1880 musste Franz auch die Schule wechseln. So wurde er auf Wunsch des Vaters in einer besseren Schule angemeldet und zwar in die Ecole de moyenne in Schaerbeek, die als Mittelschule doch noch am nächsten lag (700-800 Meter). Hier blieb er aber nur 8-14 Tage, weil seine Tante Dominika, die gleichzeitig Patin von Franz war, mit dem Besuch einer nicht an die Kirche gebundenen Schule für ihr Patenkind Franz nicht einverstanden war. So wurde er, da sie das Schulgeld bezahlen wollte, in einer katholischen Schule angemeldet und zwar in dem „Institut Sainte Marie“ nur 200 Meter von der Mittelschule entfernt. Der Weg war also nicht viel weiter, aber der Lehrkörper bestand nur aus Priestern vom Direktor bis zum Portier. Hier hatten die Schüler für jede Lehrstunde einen anderen Lehrer im Priesterrock so z.B. in französischer Grammatik, Rechnen, Zeichnen, Geometrie, Notenlehre, Religion, Geographie, Geschichte. Im Gegensatz zu den staatlichen Schulen, wo in der Regierungszeit der Liberalen nicht gebetet wurde, war es in den Priester- und Nonnenschulen üblich, am Anfang und am Ende des Unterrichts laut zu beten. Früh morgens um 8 Uhr mussten sie in der Kapelle der Schule die heilige Messe besuchen. Am Ende des Schuljahres war auch hier, wie in allen Schulen, die Ausgabe von Büchern an die besten und fleißigsten Schüler, wozu auch Franz immer gezählt hat, denn er hat auch in dieser Schule ein paar Bücher für seinen Fleiß erhalten.

Im Jahr 1880 hat er auf dem Schulweg das erste Dampfautomobil seines Lebens in einer steilen Straße bergan fahren sehen. Da damals das Benzinauto noch nicht bekannt war, kann es sich nur um ein Dampfautomobil gehandelt haben, die besonders in Frankreich von mehreren Erfindern, wie z.B. Léon Serpollet, ausprobiert wurden. Das erste Benzinautomobil wurde erst im Jahre 1885 von Benz in Mannheim gezeigt. Es war auch in dem Jahre, als Wilhelm von Pittler, den Franz später durch Herrn Huysmann kennenlernte, in Leipzig versuchte, einen brauchbaren Dampfomnibus zu bauen, nachdem ihm das Fahren mit einem eingebauten Pulvermotor von der Polizei verboten worden war.

Vom Monat Mai 1880 bis zum Monat Oktober fand in Brüssel die nationale Ausstellung zum 50jährigen Bestehen des Königreichs Belgien unter der Regierung der Könige Leopold I und Leopold II von Sachsen-Coburg-Gotha, in der die Neuheiten der Industrie umfassend gezeigt wurden. Mit seiner Mutter hat er diese damals sehr lehrreiche größere belgische Ausstellung ein oder zwei Mal besucht. Vor allem das Eisenbahnwesen war sehr stark vertreten mit den neuesten Entwicklungen auf dem Sektor der Lokomotiven, die dann später auch in einem Werk bei Lüttich gebaut wurden. Auch ein Modell der ersten Eisenbahnlinie in Belgien zwischen Brüssel und Mecheln im Jahre 1880 war ausgestellt. Die Hauptgebäude dieser Ausstellung bestehen heute noch und dienen teilweise als Museen oder auch als Gebäude für Wechselausstellungen und sind auch unter der Bezeichnung „Palais du Cinquantenaire“ bekannt.

Zwischen 1881 und 1883 muss es gewesen sein, dass Franz sehr krank darnieder lag, so sehr, dass seine Eltern dachten, er müsse sterben. Er beschreibt eine Szene, in der er an einem Abend von seinem Schlafzimmer im zweiten Stock in fieberhaftem Zustand im Hemde unter lautem Schreien und Rufen nach einem bösen Traum die breite Treppe herunter lief. Erst beim Hereinkommen seiner Mutter, die ihn beim Namen anrief, sei er munter geworden und hätte sich wieder in sein Zimmer führen lassen. Um welche Krankheit es sich gehandelt hat, ist nicht bekannt, nur dass der Arzt einmal sagte: „die Nacht muss die Krise kommen, wenn er die übersteht, sind wir über den Berg.“ Und er hat die Krisis überwunden und wurde wieder gesund.

* Die handschriftliche Biographie meines Großvaters habe ich gestrafft, Wiederholungen teilweise gestrichen, ebenso die Aufzählung von Straßen- und Ortsnamen. Außerdem habe ich mich entschlossen, über ihn zu schreiben, ihn also nicht selbst erzählen lassen. Den Duktus der Sprache habe ich weitestgehend beibehalten.