Das Arbeitsleben des Franz van Himbergen

Franz hat in seinem Leben, nachdem Wilhelm von Pittler die Firma verlassen hatte, mehrere Stellen angenommen. Die verschiedenen Stationen in seinem langen Arbeitsleben sollen in diesem Beitrag beschrieben werden.

Das erste Arbeitsverhältnis bei Pittler in Leipzig 1888-1902

Ende Juli 1888 lernte Franz in Brüssel Wilhelm von Pittler kennen. Der war unterwegs, um seine Erfindung, eine kleine Strick- und Nähmaschine, vorzuführen und um seine belgischen, französischen und englischen Patente der Näh- und Strickmaschine und deren Pantographen zu verkaufen. Herr Huysmann, bei dem Franz als Durchpauser zum Punzieren von Kurbelstickmustern auf Decken, Taschentüchern usw. gearbeitet hatte, stellte den Sechzehnjährigen Herrn von Pittler vor. Herr Huysmann hat wohl mit Pittler über Franz gesprochen, denn etwas später, nachdem er einige Stickmusterzeichnungen von ihm gesehen hatte, wurde Franz gefragt, ob er Lust hätte, mit ihm nach Deutschland zu fahren, er würde Franz gern als Lehrling der Mechanik ausbilden bei freier Kost und Logis. Der Vater erklärte sich damit einverstanden, dass sein Sohn in Deutschland sein Glück versuchte, zumal er in seiner Jugend ja selbst auch von Holland nach Belgien ausgewandert war.

Im Büro des Cartographique militaire lobten seine Kollegen seinen Entschluss und wünschten Franz alles Gute, ausgenommen der Franzose, der nicht begreifen wollte, dass man nach Deutschland gehen konnte, um dort zu arbeiten. Das Land wäre doch schlecht organisiert usw.

Am 3. September 1888 fuhr Franz zum letzten Mal mit seinen Eltern und seiner Schwester Louise nach Brüssel, um Wilhelm von Pittler am Nord-Bahnhof zu treffen, der auch bald mit Huysmanns im Wartesaal erschien. Sie nahmen Abschied und fuhren um 9.47 Uhr abends in der II. Klasse mit dem Schnellzug bis Herbesthal, der damaligen belgischen Grenzstation. Die Reise nach Leipzig hat er sehr ausführlich in dem Artikel „Wie ich Pittler kennenlernte“ (s.u.), erschienen in der Werkzeitung der Werkzeugmaschinenfabrik Aktiengesellschaft „Gefolgschaft Pittler“, geschildert.

Nach seiner ersten Nacht in der Fremde war er am anderen Morgen zeitig munter und stand vor dem Kaffeetrinken gegen 7 Uhr vor der Haustüre mit seinem Wörterbuch und verglich die französischen und deutschen Wörter. Vor dem Eingang war ein großer freier Kiesplatz und hinter dem Staket ein schöner großer Garten mit geschwungenen Wegen, einem großen Rasenplatz und mehreren Büschen mit Sitzbänken. Links waren das Eingangstor und rechts die kleine Werkstatt, wo Pittler mit seinem Meister Paul Martin und fünf Arbeitern seine Erfindungen praktisch durchführte. Neben der Werkstatt befand sich die Stickerei, wo mehrere Stick- und Nähmädchen die schönsten Monogramme und Blumenbuketts nach 6fach vergrößerten Stickzeichnungen mittels eines Pantographen auf Taschentücher, Decken usw. mit bunten Seidenfäden bestickten.

Am nächsten Tag zeigte Pittler ihm seine Werkstatt mit dem Gasmotor und den Werkzeugmaschinen (Drehbank, Fräs-, Hobel-, Handbohr-, Schleifmaschine und Schleifstein) und stellte ihn seinem Meister und seinen Arbeitern vor.

Franz bekam in der Pittler-Villa eine größere Dachkammer mit zwei Fenstern zur Straße hin zugewiesen. In der Woche wurde ihm das Mittagessen, der Kaffee und das Abendbrot in einem kleinen Raum hinter der Küche von der Köchin Minna serviert, während er sonntags, als zur Familie gehörend, mit Herrn und Frau von Pittler, den Kindern und dem Hausfreund und Kaufmann, Herrn Richard Voigtländer, im Wohnzimmer das Mittagessen einnahm.

Am 6. September führte Pittler Franz in die Stickerei über der Werkstatt, in  einen Nebenraum der Stickerei, wo er nun zuerst Stickmuster für die Stick- und Nähmaschine zeichnen sollte. Das Zeichnen der Monogramme zeigte ihm einige

Näh-, Stick- und Stopfvorlagen
Näh-, Stick- und Stopfvorlagen

Tage später ein Lithograph aus Leipzig, der bisher wohl die meisten Zeichnungen für Pittler gezeichnet und lithographiert hatte. Das war leicht für Franz zu begreifen und so dauerte es nicht lange und er konnte die schwierigen Zeichnungen für die Stickmaschine in sechsfacher Größe anfertigen. Mit den Stickmädchen ist er dann auch ganz gut fertig geworden, da sie ohne Schwierigkeiten wie bisher nach seinen Zeichnungen sticken konnten. Auch Pittler war wohl mit seiner Arbeit zufrieden. Während Franz oben zeichnete, war er meistens unten in der Werkstatt und führte Modelle seiner Näh- und Stickmaschine aus, die er zum Vorführen im Auslande und zum Vertreiben seiner Patente in Frankreich, Belgien, England usw. brauchte. Er war sehr oft verreist, um Geschäfte mit seinen Erfindungen zu machen.

Es dauerte aber ziemlich lange, bis er bei Pittler anfangen konnte, in der mechanischen Werkstatt zu arbeiten, denn er war mit dem Zeichnen der Stickmuster immer vollauf beschäftigt.

Inzwischen hatte Pittler eine kleine Metallbearbeitungsmaschine, eine Art Drehbank, entworfen, worauf durch Anbringen von kleinen Nebenvorrichtungen auch gebohrt, gefräst und geteilt werden konnte. Außer Hobeln konnte man alle vorkommenden Arbeiten mit der Maschine ausführen. Das erste Modell war schon fertig und er wurde an der kleinen Drehbank in der Stellung eines Drehers, der einen Gegenstand zwischen den Spitzen dreht, photographiert. Die Drehbank hatte eine Spitzenhöhe von 75 mm und eine Spitzenweite von 200 mm. Der Antrieb der Drehspindel erfolgte wie bei der Pittler-Nähmaschine durch Niedertreten einer Schiene, die durch eine kleine Federwelle selbsttätig zurückgezogen wurde. Die kleine Drehbank war auf einen Holztisch geschraubt und wog nur 20 kg. Damals im Jahre 1888 bzw. 1889 wurde ein Prospektblatt gedruckt mit der gleichen Abbildung auf der ersten Seite und weiteren Abbildungen einer größeren Maschine und der Näh- und Stickmaschine, die die Stellung einer Dame beim Sticken mit dem Pantographen darstellt (Abb. siehe Beitrag “Wie ich zu Pittler kam”). Die Dame ist Fräulein Hoffmann, die Herrn von Pittler auf seinen Reisen nach Paris, Brüssel und London begleitete, um das Sticken praktisch vorzuführen.

Prospektblatt der Maschinenfabrik “Invention”

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Durch den Verkauf seiner Patente in Belgien, Frankreich und England war

Maschinenfabrik Invention
Maschinenfabrik Invention

Pittler in die Lage gekommen, die Fabrikation der Stick- und Nähmaschine und der neuen Drehbank in großem Maßstabe durchzuführen und er kaufte das Fabrikgebäude der Ehrlicher Musikwerke in der Möckernschen Straße Nr. 6 in Gohlis und so wurde im Herbst 1889 der Umzug der kleinen Werkstatt zu der Fabrik in die Möckernsche Straße bewerkstelligt, wobei Franz zusammen mit dem Dienstmädchen Marie und den Arbeitern mitgeholfen hat. Die Entfernung von der alten Werkstatt zu der neuen Fabrik war nicht sehr groß. Nachdem sie schon mehrere Male gefahren waren und verschiedene Kisten mit Maschinenteilen transportiert hatten, geriet Franz beim Eingreifen in die Speichen des Wagenrades mit dem rechten Zeigefinger zwischen eine Speiche und das Wagengestell, wodurch er sich den Fingernagel quetschte. Er musste zum Doktor und mit dem Weiterhelfen war es vorbei. Er wurde krank gemeldet und es hat wohl 8 bis 10 Wochen gedauert, bis er die rechte Hand wieder benutzen konnte. In der Fabrik, die als Maschinenfabrik „Invention“ W. von Pittler am 11. Juli 1889 im Handelsregister eingetragen worden war, kam Franz schon Ende des Jahres 1889 in die Stickerei. Die Werkzeugmaschinen der alten Werkstatt in der Böttcherstraße 10 sowie einige neue Maschinen und mehrere Fräs- und Hobelmaschinen, die Pittler für seine ausländischen Patente aus Paris und Brüssel hatte kommen lassen, waren inzwischen aufgestellt und in Betrieb genommen worden. Hinten im Quergebäude war eine Schmiede eingerichtet und weiter rechts befanden sich die Tischlerei und die Wohnung des Kutschers sowie der Pferdestall. An der Längsseite der Fabrik hinter dem Dampfmaschinenraum und dem Fabrikschornstein hatte Pittler oder Voigtländer einen Hühnerstall einrichten lassen, und Franz bekam den Auftrag, alle Tage die gelegten Eier aus dem Stall zu nehmen und mittags in der Küche der Villa abzuliefern.

Franz und Voigtländer 

Am Anfang des Jahres 1890 wurde Franz dann endlich durch Pittler als Lehrling der Mechanik eingestellt. Zuerst kam er an eine kleine Drehbank, um das Drehen zu erlernen sowie das Gewindeschneiden, danach an eine Shapingmaschine, bei der er, als er beauftragt wurde, eine Weg zu erledigen, vergaß, den Sperrriegel zum Längsvorschub beim Fortgehen auszuschalten, wodurch die Sperrklinke und das Vorschubband auf der Vorschubspindel zerbrachen. Im Parterre-Saal des Hauptgebäudes waren die größeren Maschinen wie Drehbänke und Fräsmaschinen untergebracht, die letzteren teilweise aus Brüssel geliefert als Zahlung der Pittler-Patente. Im ersten Stock waren die kleineren Maschinen, wie Werkzeugdrehbänke, Schleifmaschinen, Spezialmaschinen usw. und im zweiten Stock zwei lange Werkbänke, mit je einer größeren Anzahl von Pittlers Drehbänken versehen. Jede Drehbank hatte eine Fest- und eine Losscheibe zum Antreiben der Drehspindel. Und auf jeder Drehbank konnte eine Langdreharbeit ausgeführt werden, eine kürzere Welle oder ein Bolzen, sodass sämtliche Pittler-Drehbänke zur gleichen Zeit ein Arbeitsstück in der Längsrichtung bearbeitete und am Ende der Arbeit durch die selbsttätige Ausrückvorrichtung die Längsbewegung des Supportschlittens ausgeschaltet wurde. Nach der Fertigstellung der automatischen Drehanlage gab es für ca. 20 Arbeiter, worunter sich auch Franz befand, eine Flasche Bier und Brötchen mit Wurst, Schinken oder Käse, die von der Villa durch das Dienstmädchen Marie herübergebracht wurden. Sie haben alle auf der Werkbank gegessen und es sich schmecken lassen. Das war die Einweihungsfeier des Drehsaales in der zweiten Etage.

Die dritte Etage wurde erst später eingeweiht, als die Fabrikation soweit fortgeschritten war, dass die Nähmaschine zusammengebaut werden konnte. Durch den späteren Bau der Pittler-Drehbank mit pneumatischer Wange kam die Sache jedoch nicht richtig in Gang, sodass die Etage nie richtig ausgenutzt wurde. Da Pittler seine Nähmaschinen-Patente wie z.B. den Sperrkegelantrieb das Rundschiffchen, den Puntographen usw. an Herrn Rumpf in Paris verkauft hatte, schickte Herr Rumpf zwei französische Mechaniker, die Gebrüder Braun, nach Leipzig, um die kleine Nähmaschine mit dem Stickapparat praktisch auszuführen. Mit diesen beiden Herren hat Franz sich in der Werkstatt gut französisch unterhalten und hat sie auch an einem Abend ins Varieté des Kristallpalastes begleitet, wo er zum ersten Mal die elektrische Glühlampen-Beleuchtung des Varieté-Saales bewundern konnte. In der Fabrik war damals an elektrische Beleuchtung noch nicht zu denken. Als Beleuchtung hatten sie in den Jahren 1890 bis 1899 nur die einfache offene Gasbeleuchtung. Zur Erhöhung der Lichtstärke beim Arbeiten z.B. beim Bohren und Nachprüfen von gedrehten oder gebohrten Teilen behalf man sich mit Spiegeln verschiedener Formen. Versuche mit Gasglühlicht gab es schon, besonders im Büro beim Zeichnen am Reißbrett. In Paris und Brüssel wurde die Stick- und Nähmaschine nach den Pittler-Patenten früher gebaut und geliefert als von Leipzig aus. Nach etwa zwei Monaten zogen die beiden Herren wieder nach Paris zurück.

Nach Ostern 1889 meldete Pittler Franz endlich in der Städtischen Gewerbeschule der Stadt Leipzig am Johannisplatz an, wo er im Maschinenbau theoretisch ausgebildet wurde. Zusammen mit der praktischen Ausbildung in der Fabrik kam er schnell vorwärts. Außer darstellender Geometrie mit den Aufgaben über Körperprojektionen, Körperschnitte, Durchdringungen, Schattenkonstruktionen usw. hatten sie auch Unterricht in Mechanik und Mathematik. Im Maschinenzeichnen lernten sie die wichtigsten Maschinenteile kennen und übten sich im selbständigen Entwerfen und Konstruieren. So konstruierte er eine Bauwinde und führte alle dazu nötigen Berechnungen durch. Zuletzt hat er einige Werkzeugmaschinen beurteilt und zwar besonders eine geknöpfte Drehbank mit Leitspindel und Rädervorgelege. Im Entwerfen von Maschinen hatte er es nach dem Zeugnis, was ihm ausgestellt wurde, zu einer gewissen Selbständigkeit und Fertigkeit in der zeichnerischen Darstellung gebracht, sodass unter sachverständigen Oberleitung er einen Platz als Maschinentechniker schon damals mit bestem Erfolge ausfüllen konnte.

Als Direktor hatte v. Pittler im Jahre 1890 Herrn Georg Stolzenberg aus Berlin engagiert, der dann etwas später mit Herrn Ing. Flamm aus Aachen die Fabrik leitete und die ersten Zeichnungen der Nähmaschine und besonders der Drehbänke nach den Pittler-Patenten ausführte, die unter der Modellbezeichnung B und B II von 90 mm bekannt wurden. Später wurden dann die größeren Modelle C und C II 120 mm Spitzenhöhe gebaut.

Es war vielleicht im Sommer des Jahres 1890 als Herr Voigtländer, der kaufmännische Direktor und Freund des Herrn von Pittler, Franz fragte, ob er denn nicht die Arbeitszeichnungen in der Fabrik ausführen könnte, nachdem er die Schulzeichnungen, die er zu Hause in der Villa immer fertigstellen musste, gesehen hatte. Franz sagte natürlich zu und so trat er als technischer Zeichner in das technische Büro des Herrn Stolzenberg ein. Mit dem praktischen Arbeiten war es nun vorbei und ebenso mit dem Zeichnen von Stickmustern für die Stickerei, die nach und nach auch aufgegeben wurde. Die Nachfrage in Deutschland war wirklich sehr gering und es lohnte sich nicht, die Sache weiterzuführen, trotzdem hunderte von Nähmaschinenkörpern im Rohguss noch vorhanden waren. Nur die Pittler’sche Metallbearbeitungsmaschine wurde in mehreren Modellen weitergeführt und er hatte mit dem Zeichnen nach den schon ausgeführten Teilen und Abgüssen vollauf zu tun. Nachdem er einige Arbeitszeichnungen für die Werkstatt ausgeführt hatte, zeichnete er für den Katalog die Durchschnittzeichnungen der Drehbank Modell B II sowie die Drehbank Modell C II und C III, dann die Zeichnungen der Zubehörteile wie Fräsapparat, Spannfutter, Wechselruder usw. in Schattendarstellung sowie die Darstellungen von Teilen, die auf der Maschine hergestellt werden können. All diese Zeichnungen wurden dann später in den Pittler-Katalogen bis zum Jahre 1900 aufgenommen.

Im Jahre 1891 oder 1892 war Franz eine Zeit lang allein im Büro und beschäftigte einige junge Techniker und Zeichner, so z.B. Herrn Hoffmann, der ihm sehr geholfen hat, und Herrn Lucke, der ihm später im Jahre 1894 das Radfahren im Rosenthal beibrachte.

Es muss auch im Jahre 1892 gewesen sein, als der Sohn des Fabrikanten Herrn Rumpf aus Paris bei Franz eine Zeit lang im Büro war, um das technische Zeichnen zu erlernen. Er sollte eine Zeit lang bei Pittler die Pittler’sche Universal-Drehbank studieren, die auch in Brüssel in der Rumpf’schen Fabrik gebaut werden sollte. Er hat unter seiner Leitung eine Universal-Planschule mit vier Kloben aufgezeichnet, die als Werkstattzeichnung Verwendung finden konnte. Bevor er wieder nach Paris fuhr, hat er Franz in das Weinlokal „Püyl“ in der Hainstraße eingeladen, nicht weit vom Markt, einen Abschiedsschoppen mit ihm zu nehmen. Als er gegen 7 Uhr abends ankam, waren aber schon mindestens 10 bis 15 Herren dort, die alle französisch sprachen. Herr Rumpf musste also einem französischen Club angehört haben. Es wurde auch ein Imbiss zu den verschiedenen Rot- und Weißweinen serviert, wovon er unglücklicherweise etwas zu viel genossen hatte. Durch das immerwährende Zutrinken der Herren stieg ihm der Wein zu Kopf, sodass ihm, als er dann an die frische Luft kam, so schlecht wurde, dass er nicht mehr allein nach Gohlis zurück gehen konnte, denn es drehte sich alles, und so haben die Herren ihn in eine Droschke gesetzt und nach Gohlis in die Böttcherstraße Nr. 10 fahren lassen. Er weiß nur noch, dass die Gartentür aufgemacht wurde und der Gärtner ihn die Treppe hinauf in sein Zimmer führte, wo er seinen Rausch ausschlafen konnte. Herr v. Pittler machte ihm am anderen Morgen wohl Vorwürfe über sein Benehmen, aber Frau von Pittler und Herr Voigtländer schoben die Schuld nur auf Herrn Rumpf Junior, der ihn eingeladen hatte. Es ist wohl auch das einzige Mal gewesen, dass er als junger Mensch, er war erst 20 Jahre alt, richtig betrunken war. Selbst in der TVL, dem Verein, dem er beigetreten war, ist es später nicht vorgekommen.

Im Jahre 1892 im September waren seine 4 Lehrjahre um

Brief an die Städt. Gewerbeschule
Zeugnis der Städt. Gewerbeschule

und da musste er, da die Mädels älter wurden, aus der Villa ausziehen und mietete sich auf Vorschlag der Frau von Pittler, ein Zimmer für 15 Mark, beim Schwager des Herrn von Pittler, Hermann Grundmann, in der Schmiedstraße, Ecke Günterstraße, und zog auch später mit diesem zweimal um, zuerst in die Möckernsche Straße gegenüber der Fabrik und dann in derselben Straße in die Nr. 4 zwei Häuser von der Fabrik entfernt, sodass der Weg zur Fabrik immer kürzer wurde. Mittags ging er zum Essen in die „Weintraube“ ebenfalls in der Möckernschen Straße, gegenüber der der Breitenfelder Straße, wo es immer ein gutes Mittagessen gab für 50 Pfennige mit einem Glas Bier zu 13 Pfennigen. Das technische Büro führte er aber allein weiter unter der Leitung von Herrn v. Pittler selbst, für den er in der Zeit von 1891 bis 1899 hauptsächlich außer den Werkstattzeichnungen noch die Patentzeichnungen für Deutschland, England, die Schweiz, Belgien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika auszuführen hatte.

Im Jahre 1893 hat er auch nach Angaben des Herrn von Pittler eine Pittler-Fräsmaschine in vertikaler Ausführung entworfen, die als Universale Vertikalfräsmaschine Verwendung finden sollte. Auch diese Maschine wurde patentiert,ist allerdings nur einmal ausgeführt worden. Durch Verstellen des Supportringes und des Frästisches konnten außer Stein-, Kegel-, Spiralzahn-, Plan-, Schneckenrädern hohe Gewindesteigungen mit Leichtigkeit gefräst und geteilt werden. 1894 ließ Herr von Pittler den anstelle des Herrn Georg Stoltenberg engagierten Herrn Laurick, der bekannt war durch seine Erfindung „Laurick Oil“, im Jahre 1905 zum ersten Mal im Schillerschlösschen in der heutigen Menckestraße im Saal und Garten ein Sommerfest für die Arbeiter und Angestellten ausrichten mit Spielen und arrangierten Tanz, das zum ersten Mal, abgesehen von geringen Streitigkeiten, ganz schön verlief. Bei der Wiederholung eines solchen Festes im Jahre 1896 jedoch kam es durch Betreiben der organisierten Arbeiter, denen ein solches Fest wegen der harmonischen Zusammenarbeit von Leitung und Arbeitern ein Dorn im Auge war, zu Streitigkeiten, die sogar in eine Schlägerei ausarteten, sodass darauf beschlossen wurde, von weiteren Sommerfesten oder ähnlichen Veranstaltungen später abzusehen. Solche Störungen kamen aber immer erst vor, nachdem sich die Leitung der Fabrik, in diesem Falle Herr von Pittler mit Herrn R. Voigtländer nach 11 Uhr abends, bereits zurückgezogen hatten.

Während Herr Laurick Betriebsleiter war, übernahm Herr Ingenieur Streif, ein Schweizer, die Leitung des technischen Büros, während Franz sich hauptsächlich mit der Einstellung der Werkzeuge und mit Pittlers erfundenen Revolverkopf und den Patentzeichnungen fürs Ausland beschäftigte.

Trommelrevolverkopf
Trommelrevolverkopf

Während die erste Ausführung des Revolverkopfs mit nur 10 Werkzeuglöchern versehen war, hatte Pittler die Anzahl der Werkzeuge auf 16 erhöht. Das Patent wurde, trotzdem die Anmeldung schon am 7. Januar 1896 von Franz eingereicht worden war, erst am 11. August 1898 bekannt gegeben. Wie aus der Patentschrift ersichtlich, wurde von der bekannten prismatischen Wange der Pittler-Drehbank abgesehen und die Maschine als eigene Revolverdrehbank ohne durchgehendes Bett auch zum Bearbeiten von Werkstücken von größerem Durchmesser vorgesehen. Die Maschinen mit dem prismatischen Bett kaufte hauptsächlich der Fahrradfabrikant Hans Sachs aus Schweinfurth, der damals mit der Fabrikation von Freilaufnaben für Fahrräder anfing, zuerst im Waschhaus seiner Wohnung, woraus dann später die große Fabrik von Fichtel und Sachs in Schweinfurth entstand.

In Verbindung mit Herrn Hans Sachs entwarf Pittler aufgrund seiner Drehbank mit prismatischer Wange eine Maschine mit schwingendem Doppelsupport und zwar ganz besonders zum Herstellen von Fahrradnaben. Das war bereits im Jahre 1893. Mittels breiter Formstühle wurde mit den vorderen Teil des schwingenden Supports die Form der Nabe vorgestochen und durch Gegenschwenken mit dem Formstuhl des hinteren Supports die Nabe fertig gedreht. Gleichzeitig wurde, durch einen Spiralbohrer der im Reitstock der Drehbank eingespannt war, das Loch der Nabe vorgebohrt, sodass die 3 Arbeitsgänge ziemlich zu gleicher Zeit erfolgten. Dadurch war es möglich geworden, eine Nabe in kürzester Zeit von der gezogenen Stahlstange vorzuarbeiten, vorzubohren und von der Stange anzustecken. Die Schwenkbewegung des schwenkbaren Supportes wurde durch Verdrehen einer Schnecke, welche in einem am Support befestigten Zahnsegment eingriff, bewerkstelligt. Genau einstellbare Anschlagschrauben begrenzten die Schwenkbewegungen des Schwenksupportes. Im Jahre 1894 wurde die Maschine in einer verstärkten Ausführung angefertigt und im Jahre 1896 als besondere Spezialmaschine mit zylindrischer Wange ohne Prisma aber mit verstärktem Reitstock für den Spezialbohrer mit Kühlölzuführung ausgeführt. Bevor die amerikanische Automutter in Deutschland eingeführt wurde war diese Pittler-Spezialmaschine die leistungsfähigste Maschine zum Herstellen von Fahrradnaben. Die meisten dieser Maschinen, die kleinere wie auch größere Ausführung hat wohl die Firma Fichtel und Sachs in Schweinfurth von Pittler bezogen, um ihre bekannten sogenannten Torpedo-Freilaufnaben herzustellen.

Während nun Pittler in England geschäftlich zu tun hatte, erhielt Ingenieur Streif den Auftrag nach der Patent-Anmeldung vom 7. Januar 1896 die Maschine auszuführen. Es war keine leichte Aufgabe, denn die Zeichnungen der Patentschrift zeigten drei verschiedene Ausführungen und zwar zwei Ausführungen mit durchgehendem Bett oder Führungsprismen für den Revolverschlitten und eine Ausführung mit Zwischenbock für den Revolverschlitten also ohne durchgehendes Bett. Leider wählte Ingenieur Streif die bisher übliche Ausführung, die zwar mit den bekannten Revolverdrehbänken übereinstimmte, aber nicht gerade die stabilste war. Jedenfalls war Pittler mit der Ausführung nicht zufrieden und beauftragte Franz bei seiner Rückkehr aus England, die Sache in Ordnung zu bringen, indem der Zwischenbock für den Revolverschlitten weggenommen werden sollte und der Revolverschlitten direkt mit der Bettführung verbunden wurde. Franz führte also die Konstruktion so aus, wodurch ein Sinken des Revolverkopfes beim weiteren Vorschieben des Kopfes aus dem Führungsbock vermieden wurde. Diese Ausführung, die sich sehr gut bewährt hat, ist bis zuletzt eingehalten worden.

Im Jahre 1895 war das Betriebskapital von Pittler bei der Bank aufgebraucht und, um seine Maschinen weiter herstellen zu können, war Pittler gezwungen, die Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, wobei er als Direktor die Fabrik unter dem neuen Namen „Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik, vormals W. v .Pittler“ weiter führen sollte. Herr Voigtländer sein treuer Mitarbeiter, wurde als kaufmännischer Direktor eingestellt.

Da Franz die verschiedenen Sondervorrichtungen der Pittler’schen Drehbank genau kannte und auch die Einstellung derselben auf der Maschine gut verstanden hatte, fertigte er im Jahre 1894, um Pittler einen Gefallen zu tun, eine größere Geschäftskarte für die Maschinenfabrik „Invention“ in Leipzig-Gohlis an, aus welcher ringsherum die verschiedenen Einstellungen der Maschine beim Drehen, Gewindeschneiden, Kugeldrehen, selbsttätigen Handräderdrehen, Drehen mit Handvorlage, Drehen von der Stange, Drehen mit Revolverkopf, sowie beim Fräsen von Kegelrädern, Sturmrädern, Schraubenrädern, Schneckenrädern dargestellt war, wobei in der Mitte die Schrift mit der Maschine selbst und das Patentamt-Wappen und ringsherum außer den Einstellungen, allerhand Teile, die mit der Maschine herzustellen waren, wiedergegeben waren. Pittler und auch Voigtländer haben sich über seine Arbeit sehr lobend ausgesprochen. Für Franz war es aber eine schwierige und Geduld erfordernde Arbeit gewesen, die er außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit ausgeführt hat, denn er hatte damals, von 1894 bis 1904, mit der Anfertigung der vielen verschiedenen Zeichnungen

erste Geschäftskarte, von Franz gezeichnet
erste Geschäftskarte, von Franz gezeichnet

für die Kataloge der Pittler-Maschine, mit den Darstellungen der Zubehörteile, der Support-Einstellungen für Dreh- und Fräsarbeiten, der Durchschnittzeichnungen für die Pittler-Drehbankmodelle B II und C III sowie der Anfertigung der Tabellen für das Gewindeschneiden und für das Fräsen und Teilen, beim Herstellen von hohen Steigungen sehr viel zu tun.

Am 23. Oktober 1893 hatte Pittler im Sächsischen Bezirksverein des Vereines der deutschen Ingenieure im Lokal Kitzig und Helbig in der Petersstraße, einen Vortrag über seine Drehbank zu halten, dem Franz auch beiwohnte. Während Herr Direktor Müller den eigentlichen Vortrag hielt, erklärte Pittler die Anwendung seiner Maschine. Eine Zeichnung mit der Darstellung von schwierigen Arbeitsstücken hatte Franz für die Ingenieurs-Zeitung angefertigt, die auch in der Nr. 33 vom 18. Aug. 1894 veröffentlicht wurde. Das Bild zeigt die verschiedenen Schrauben und Spirallinien sowie gerade und spiralförmige Nuten, die auf Werkstücken hergestellt werden können unter Verwendung von einfachen Drehstühlen oder gewöhnlichen Fräsen. Die dargestellten Musterstücke sind tatsächlich ausgeführt worden.

Im Jahr 1897 fand in Leipzig die große Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung statt, wo auch Pittler seine Maschine ausgestellt hatte. Franz hatte persönlich bald täglich in der Ausstellung zu tun, da Pittler nicht immer Zeit hatte. Die neue Pittler-Drehbank mit Revolverkopf Modell DRA war in Betrieb zu sehen und er musste den Besuchern die Arbeitsweise der Maschine oft vorführen. Es wurde ein Musterstück von der Messingstange in ca. einer Minute hergestellt und gleich abgestochen. Die äußere Form des Musters wurde mit einem von Pittler zum Patent angemeldeten runden Formschälstahl durch Verdrehen und Schälen hergestellt. Die Bohrung wurde wie üblich mittels Spiralbohrer gebohrt und das Muster von der Stange abgestochen. Außerdem war ein Arbeitsmesser für 5 PS ausgestellt, den er bereits im Jahre 1893-94 mit Herrn Direktor Müller der Firma Frederking in Leipzig-Plagwitz konstruiert hatte und als Zwischenvorgelege unter Einschaltung von 2 Spiralfedern innerhalb der beiden Riemenscheiben und Übertragung der Verstellung der Antriebs- und getriebenen Schreiben auf ein Zählwerk (Tonnenzähler) die verbrauchte Arbeitskraft während einer bestimmten Zeit in Meterkilogramm angab. Es kam auch ein Franzose aus Paris, der sich den Apparat von ihm erklären ließ. Dabei stellte sich heraus, dass es der Herr Surkont, der Direktor der Luftballon-Gesellschaft, war, der den Fesselballon auf den Ausstellungsplatz überführt hatte. Er gab Franz auch eine Visitenkarte als Freikarte für zwei Personen für eine Luftfahrt am folgenden Sonntag. Er und Lisa fanden sich auch auf dem Ballonplatz ein und ließen sich mit mehreren Personen 500 m hoch leiern. Sie hatten von oben einen herrlichen Blick über Leipzig, die Umgebung bis Merseburg und den Ausstellungsplatz auf dem König Albert Park. In der Abteilung „Alt-Leipzig“, wo die alten Gebäude aus dem XV. und XVI. Jahrhundert wieder errichtet worden waren, sowie das Thüringer Dörfchenmit dem Würstchen-Pavillon Nietzschmann Wommer, wo es die guten Halberstädter Würstchen gab, fanden sie sich anschließend mit den Bekannten ein.

Für seine Maschinen erhielt Pittler auch die Königlich-Sächsische Staatsmedaille als ersten Preis. Zum ersten Mal wurden hier sämtliche Maschinen mit elektrischen Einzelantrieb vorgeführt. In den früheren Jahren 1895 und 1896 fand das Vorführen der Pittler-Drehbänke und Revolverdrehbänke im Rundgang des Kristall-Palastes statt, aber ohne Motorantrieb. Der Kraftmesser oder Arbeitsmesser wurde in der Gohliser Fabrik schon seit 1895 bis 1899 dauernd praktisch ausprobiert, wobei Franz in diesen Jahren einen Apparat auf der Transmission der Werkbank kontrolliert hat und durch eine Exzenterstange mit einem Zählwerk verbunden war, das die Größe der Verstellung der beiden Riemenscheiben zueinander dauernd angab bei jeder Umdrehung der Transmission. Zum Frühstück, zu Mittag und abends nach dem Stillstand der Dampfmaschine hat er bis zum 30. Mai 1896 regelmäßig die Anzahl der verbrauchten Meterkilogramme notiert, sodass man genau feststellen konnte, wie in der Werkstatt gearbeitet worden war. Der Kraftverbrauch schwankte damals zwischen 33 und 40 PS, war aber immer montags früh am geringsten, trotzdem die Transmissionswelle 36 Stunden still gestanden hatte, woraus klar hervorging, dass montags vormittags nicht so sehr intensiv gearbeitet wurde wie an den anderen Arbeitstagen. Sie haben die Kraftmesser an Spinnereien geliefert, z.B. nach Meißen, um den Kräfteverbrauch der Spinnereimaschinen zu kontrollieren.

Da Wilhelm von Pittler ein sehr starker Raucher war, er ließ von frühmorgens bis spätabends die Zigarre nicht ausgehen, kam er 1897 auf den Gedanken, eine Maschine zur Massenherstellung von Zigarren zu bauen. Die Probevorrichtung bestand zuerst aus einem Stuhlkörper mit einem Trichter zum Einführen des gemahlenen Tabaks, der dann durch Stempel einer Exzenterpresse in eine kegelig ausgebohrte Hülse gedrückt wurde, sodass ein langer Tabakstrang entstand, der dann am Ende der langen Führungshülse auf Zigarettenlänge von 70 bis 90 mm abgeschnitten wurde durch 5 bis 7 schwache durchgehende Löcher, die als Zugkanäle für die Zigarre oder Zigarette dienten. Da Franz am Tage immer im technischen Büro zu tun hatte, konnte er mit Meister Martin und Hermann Grundmann nur nach Feierabend zusammen mit Herrn von Pittler das Herstellen der Probezigarren durchführen. Auch war die Exzenterpresse, die in der Schmiede der Fabrik stand, nur nach Schluss der Arbeitszeit zum Probieren frei. Wochenlang, wenn nicht monatelang haben sie bis 1 bzw. 2 Uhr nachts probiert, wobei auch sehr viel zur Probe geraucht wurde. Später wurde dann eine waagerecht arbeitende Doppelpresse gebaut (1899), wozu die Firma Hermann in Leipzig-Stötteritz den Guss lieferte. Auch eine kleinere Presse für Zigarren von 5 mm Durchmesser wurde gebaut durch Herrn Meister Martin und zusammen mit der großen Presse in einem gemieteten Raum in der Hallischen Straße in Leipzig-Gohlis zwischen Karl- und Lindenthaler Straße aufgestellt zum Herstellen von Zigarren wohl bis zum Jahre 1901. Später wurden die Maschinen nach Berlin transportiert, da die Zigarren, „Cigaroma“ genannt, durch die gegründete besondere Gesellschaft „Deutsche Press-Cigarren- und Zigaretten-Fabrik Pittler AG“, Leipzig-Gohlis nach Berlin in der Zimmerstraße einen Laden und Räume zur Fabrikation gemietet hatte, um größere Umsätze zu erzielen. Gelegentlich bei einer geschäftlichen Reise nach Berlin hat Franz auch das Geschäft besucht und eine Zigarettenschachtel gekauft.

Später war er für Pittler, als die Firma bereits in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, oft in Berlin, so z.B. in der Filiale der Firma sowie im Patentamt wenn es um Patentstreitigkeiten ging.

Seit 1892 versuchte Pittler ein Flüssigkeitsgetriebe für den Antrieb von Automobilen zu konstruieren, um den Wagen statt durch mechanischen Antrieb, durch Öl, also hydraulisch anzutreiben. Auch hierzu hat Franz die Patentzeichnungen angefertigt. Er hatte sich in Paris einen kleineren Motorwagen, damals „Voitmette“ genannt, mit einem Einzylinder-Daimlermotor von der Firma Dion-Bunton gekauft, den er für seine Zwecke vollständig umbaute. Bis zum Jahre 1897 versuchte er verschiedene Ausgleichsgetriebe für die Hinterachse, sowie die Anwendung seiner Turbinen als Wechsel- und Ausgleichsgetriebe, die von der Betriebsmaschine aus mittels Druckpumpe und Öl angetrieben wurden. Bei den Versuchen platzte ihm auch einmal ein Rohr in der Blücherstraße, aber er versuchte es trotzdem immer weiter zum Ärger der Herren Direktoren in der Fabrik. Endlich baute er das Kapselwerk, womit er später in Berlin große Erfolge erzielte.

Pittlers hydraulischer Kraftwagen
Pittlers hydraulischer Kraftwagen

Gegen 1897 übernahm ein Herr Schubert die Leitung des technischen Büros, um die Pittler-Revolverdrehbank weiter zu vervollkommnen, also statt mit Füßen mit Untergestell und Kasten durchzuführen. Er wollte auch eine von der Augsburger Zahnwerk-Fräsmaschine besonders bestellte Schraubenräder-Fräsmaschine für Zahnräder bis 1000 mm Durchmesser bauen, die für Rechts- und Linkssteigung geeignet und eine genaue Teilung der Zähne bis Modul 7 ausführen sollte. Franz übernahm eine neue Abteilung für die Herstellung und den Entwurf der Werkzeuge für die Revolverdrehbank. Ganz allein ohne Beihilfe entwarf er dann bis Ende des Jahres 1899 die erforderlichen Werkzeuge zum Bearbeiten der von den Bestellern eingesandten Arbeitsstücke aus Stahl und Metall, die auf den Revolverdrehbänken in kürzester Zeit hergestellt werden sollten. Aus der vollen Stange wie auch im Spannfutter. Die Skizzen der einzelnen Werkzeuge hat er einfach auf die Rückseite der Arbeitskarten skizziert, sodass bis dahin ein besonderes Büro für Werkzeuge mit mehreren Werkzeugingenieuren nicht notwendig war.

Wahrener Fabrik (2)
Wahrener Fabrik (2)

Trotzdem bereits im Jahre 1897 und 1898 Erweiterungen der Fabrik vorgenommen und der Hof als Arbeitsraum überdacht worden war, zeigte es sich aber bald, dass die Erweiterungen nicht genügten. Und so wurde vom Aufsichtsrat der Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik beschlossen, in Wahren bei Leipzig ein Grundstück zu erwerben und dort eine neue Fabrik zu errichten, in der die Metallbearbeitungsmaschinen, die Revolverdrehbänke und die Arbeitsmesser in mehreren Modellen hergestellt werden sollten. Als Betriebsleiter wurde Herr Emil Huhn aus Berlin engagiert, der bisher bei der Firma Ludwig Loewe in Berlin als Direktor der Werkzeugmaschinen-Abteilung tätig war und mit den neuen amerikanischen Methoden der Massenfabrikation auch der neuen Fassungen für auswechselbare Teile im Maschinenbau vertraut war.

Herr Huhn leitete in Wahren den Bau für die technischen Einrichtungen, wie Maschinenanlagen, Transmissionsanlagen, Werkstatteinrichtungen usw., während Herr Schubert sämtliche Zeichnungen dem neuen System entsprechend ändern ließ, sodass die Angaben der Werkstattzeichnungen, die sich auf Bohrungen und Gewindedurchmesser bezogen, nach den neuen Normativen des metrischen Systems entsprechend umgeändert wurden.

In der Fabrik, wo Franz nun zuerst mit der Ausarbeitung der Offerten für die Kundschaft beschäftigt war, hatte er gleichzeitig die Überwachung der Werkzeugabteilung unter sich, damit die Ausarbeitung nach seinen Offerten richtig durchgeführt wurde. In diesem Jahr 1900 wurde in der kaufmännischen Abteilung erst die Schreibmaschine eingeführt, wodurch das Kopieren der Offerte usw. nach und nach fortfiel. Seine Offerte hat er aber noch lange mit der Hand vorgeschrieben, da das Diktieren nicht so einfach war wegen der Preise, die durch den Prokuristen eingesetzt werden mussten.

Herr Huhn führte im Jahre 1901 noch die Fabrikation von Form-Automaten ein, die wie die Loewischen Maschinen nach amerikanischen System das Fabrikationsprogramm vervollständigen sollte. Die Maschine F Modell A I diente zum Herstellen von Bolzen und Schrauben sowie Formstücken von der Messing- oder Eisenstange bis 11 mm Durchmesser. Außer Modell A I wurde später auch noch das Modell A II für Stangen bis 22 mm und A III für Stangen bis 33 mm hergestellt.

Der alte Meister Herr Martin, der bisher Pittler und der Firma treu gedient hatte, erhielt eine Stelle im technischen Büro und arbeitete nebenbei noch für Herrn von Pittler, der sich nun um die Weiterentwicklung der Revolverkonstruktion weniger kümmerte und sich hauptsächlich mit der Weiterentwicklung eines hydraulischen Motorwagens und der Umänderung eines von ihm bereits in Gohlis gebauten Stahlkugelwalzwerkes beschäftigte.

Da die Firma Pittler auf der Pariser Ausstellung (Weltausstellung) im Jahre 1900 eine neue größere Pittler-Revolverdrehbank ausstellte, beschloss Franz diese große Ausstellung zu besuchen. Mit der Konstruktion der Drehbank hatte er nicht viel zu tun, die Maschine wurde unter der Leitung von Herrn von Pittler und Betriebsleiter Huhn von Ingenieur Wagner konstruiert. Mit einem Revolverkopfdurchmesser von 700 mm und 16 Werkzeuglöchern von abwechselnd 60 und 30 mm Durchmesser war es eine der größten ausgestellten Revolverdrehbänke.

Die Tätigkeit bei Pittler von 1902 bis 1905

Nach dem Weggang des damaligen Betriebsleiters der Pittlerwerke hatte Franz den Prokuristen bei der Weiterbearbeitung und Neuausführung der Prospekte und Kataloge über Revolverdrehbänke, Arbeitsmesser und später auch über die Mehrspindelautomaten System Deml zu unterstützen und die entsprechenden Zeichnungen, Klischees usw. herstellen zu lassen. Zur Anfertigung der vielen Zeichnungen hatte er einen guten Zeichner, Max Richter, eingestellt, der, da Franz zusätzlich die patentamtlichen Arbeiten übernommen hatte, auch die Zeichnungen zu den Patenten der Pittler-Maschinen für Deutschland, Frankreich, England, Belgien und Amerika ausführte. Außerdem erledigte Franz die Offerte für die Kundschaft und berechnete die Arbeitszeiten der auf den Maschinen herzustellenden Arbeitsstücke, wonach der Prokurist die Preise für die angenommenen Maschinen und für die von ihm vorgeschlagenen Werkzeuge auf Grund der Kalkulationen oder nach seiner eigenen Berechnung einsetzte.

Der erste Katalog nach seinen Vorschlägen wurde im Jahre 1905 im Oktavformat herausgegeben. Auch die Kataloge der Jahre 1906 und 1907 folgten in verbesserter Auflage. Außer den Zeichnungen hatte Franz auch für die Darstellung der Maschinen und der Werkzeuge und die Klischees nach den photographischen Aufnahmen zu sorgen, die dann Druckereien wie Brockhaus, Leiner usw. anfertigten und von ihm redigiert wurden, bevor sie der Druckerei übergeben wurden.

Im Jahre 1902 erhielt Franz von dem früheren Kollegen Albert Wilsdorf, der bei seinem Sohn Herbert Pate stand und seit 1899 Betriebsleiter in Lüttich war, ein Schreiben mit der Aufforderung sich bei der „Société d’Electricité Belge“ in Lüttich als Betriebsingenieur zu melden, da er dort gekündigt und Franz als Nachfolger vorgeschlagen hätte. Er meldete sich dort, in der Hoffnung seine Stellung zu verbessern, und wurde auch gebeten sich vorzustellen. Ohne die Direktion der Pittler-Werke zu informieren, fuhr er einfach nach Lüttich und erreichte auch bei der Gesellschaft seine Anstellung als Betriebsingenieur, nachdem er das Werk in Begleitung der führenden Herren besichtigt hatte. Die Gelegenheit nutzend, besuchte er kurzerhand seine Schwester in Brüssel, fuhr aber dann gleich nach Leipzig zurück, um bei der Firma Pittler zu kündigen. Natürlich waren die Herren Müller, Voigtländer und Huhn sehr erstaunt über seinen plötzlichen Entschluss und versuchten ihm abzuraten, was Herrn Huhn schließlich auch geglückt ist, indem er Franz eine Zulage versprach, sodass sein Gehalt auf 320 Mark monatlich erhöht wurde. Er schrieb also in Lüttich wieder ab, trotzdem er die Hin- und Rückreise  bezahlt bekommen hatte, worüber die Herren in Lüttich nicht gerade erfreut waren.

Bei Pittler leitete er also weiter das technische Büro. Die Abteilung für den Werkzeugbau hatte er kurz zuvor an einen neu eingestellten Kollegen übergeben, da die Leitung beider Abteilungen: Maschinenbau und Werkzeugbau mit der Ausarbeitung der Kataloge usw. für eine Person zu viel geworden war.

In dieser Zeit ließen die Bestellungen auf Revolverdrehbänke bedeutend nach, weil die Vereinigten Staaten von Amerika, besonders die Firmen der Cleveland Company einspindelige selbsttätige Revolverdrehbänke in großer Anzahl durch die Firma Schuchardt und Schütte in Berlin an die Fahrradfabriken in Deutschland liefern konnten.

Und so entschloss sich Direktor Voigtländer, diese Maschinen in Deutschland zu bauen. Da es aber nicht möglich war eine solche Drehbank zu erhalten, ließ sich die Firma eine solche durch die Fahrradfabrik Fichtel und Sachs in Schweinfurth schicken, die sie dann ohne weiteres auseinandernahmen und kopierten. Während sein Kollege das Bett und den Revolverkopf aufzeichnete, nahm Franz sich den Spindelkasten vor und so gelang es ihnen in wenigen Wochen die gesamte Maschine von der 32 mm Spindelbohrung aufzuzeichnen bei 4 bis 6 Überstunden täglich, sodass sie vor 10 Uhr abends nicht aus dem Büro kamen. Sämtliche Zusammenstellungs- und Detailzeichnungen wurden so dargestellt, das die Modelle sofort angefertigt und die einzelnen Teile vorgearbeitet werden konnten. Es gelang ihnen auch die Maschine in ca. 3 Wochen vollständig fertig zu zeichnen und die Unterlagen für zwei weitere Größen anzufertigen, sodass im Jahre 1903 die 3 Größen von 13, 23 und 33 mm Werkstoffdurchlass schon ausgeliefert werden konnten.

Um die Werkzeugeinrichtungen der Cleveland-Automaten zu studieren, fuhr Franz mit einem Techniker nach Brandenburg an der Havel zu dessen Vater, der die Fahrradfabrik „Corona“ leitete und nahm dort verschiedene Werkzeuge und Vorrichtungen auf, sowie die Leistungszahlen bei der Herstellung von Fahrradteilen.

In Brandenburg hatte Franz genügend Zeit den Sonntag über die kleine Stadt zu besichtigen. Zu Hause konnte er dann besonders beim Ausarbeiten von Offerten die mitgebrachten Unterlagen gut verwenden. Es blieb jedoch nicht beim Bauen von einspindligen Revolverdrehbänken, sondern, da inzwischen die amerikanischen mehrspindeligen Aeme-Automaten in Deutschland vermehrt abgesetzt wurden, erhielt Franz von Herrn Direktor Voigtländer den Auftrag nach Schweinfurth am Main zu fahren, um sich die vierspindligen Automaten der „Aeme-Company“ aus Cleveland, Vereinigte Staaten von Amerika, anzusehen und aufzunehmen. Er wurde von Herrn Sachs sehr freundlich aufgenommen und übernachtete zuerst 6 bis 8 Tage im Hotel zur Krone am Markt, wo er auch seine Mahlzeiten einnahm. Den Vierspindel-Automaten nahm er möglichst genau in Skizzen auf sowie auch die vorhandenen Werkzeuge zum Herstellen von Fahrradnaben, Fahrradkonen, Pedalachsen, Kurbelachsen usw. Das Skizzenbuch war bald voll von Skizzen mit den genauen Maßen und Entfernungen der Achsen voneinander usw. Er fuhr dann nach Wahren zurück, wo das Aufgenommene genau aufgezeichnet und zusammengestellt wurde. Statt des primitiven Untergestells aus schmiedeeisernen Balken und Schienen wurde ein stabiler Rahmen aus Gusseisen verwendet und die Schaltung der Spindeltrommel neben der selbsttätigen zusätzlich eine besondere Handschaltung nach seinem Entwurf hinzugefügt, sodass man beim Einstellen der Werkzeuge die Schaltung beliebig an jeder der vier Spindeln ein- oder ausschalten konnte, ohne jeweils 4mal schalten zu müssen.

Auf der Rückfahrt von einer Geschäftsreise nach Eßlingen, wo eine größere Pittler-Revolverdrehbank nicht richtig eingestellt worden war, stieg Franz nochmals in Schweinfurth aus, um einige Abmessungen des Aeme-Automaten nachzuprüfen. Bei dieser Gelegenheit ließ er mehrere Lichtbilder eines Patter- und Johnston Steinrevolverautomaten zum Bearbeiten von Schmiede- und Gussteilen aufnehmen und nahm gleichzeitig die wichtigsten Maße der Hauptteile ab, da ihm auch diese neue amerikanische Art von Futterhalbautomaten zum Bearbeiten von Gussteilen bis zu 500 mm Durchmesser fehlte. Die ersten Vierspindel-Automaten wurden schon im Sommer 1904 angeboten, während die Halbautomaten im Jahre 1906 fertig wurden.

Bei Reklamationen von Pittler-Revolverdrehbänken musste Franz des Öfteren für die Firma verreisen, so z.B. zur Firma Althoff in Gößnitz, die mehrere Pittler-Revolver von größeren Abmessungen angeschafft hatte, ebenso nach Bamberg und Eßlingen in ähnlichen Angelegenheiten.

Im Jahre 1905 fuhr Franz während eines strengen Winters nach Freudental in Mähren, nicht sehr weit vom Grenzort Ziegenhals oder Jagendorf, wo er Gelegenheit hatte, eine schöne Schlittenpartie von Freudental bis zu der Ortschaft, wo sich die betreffende Spinnerei befand, zu genießen. Es war die einzige Auslandsreise, die er für die Firma Pittler unternommen hat.

Während des schlechten Geschäftsganges von 1901 bis 1903 wurden die Gehälter gekürzt und dafür nur bis 4 Uhr nachmittags gearbeitet. Die ausgefallenen Gehälter konnten aber durch die Aufnahme der automatischen Drehbänke, die auf Veranlassung des Herrn Voigthändler gebaut worden waren und bald gut abgesetzt werden konnten, gegen Ende des Jahres 1903 wieder ausgezahlt werden. Bereits im Jahre 1904 wurde wieder eine bescheidene Dividende ausgeschüttet.

Während wegen des Nachbaus der automatischen Revolverdrehbänke weder von der Cleveland Company noch von der Potter und Johnston-Gesellschaft Einspruch erhoben worden war, wurden die Pittler-Werke von der National-Aeme-Company wegen Verletzung ihrer deutschen Patente verklagt, sodass Franz im Jahre 1905 viel Arbeit bekam, um die Einsprüche zu widerlegen. Er war auch mehrere Male gezwungen, zu den Terminen der mündlichen Verhandlungen beim Patentamt in Berlin zu erscheinen. Da jedoch nachgewiesen werden konnte, dass die National-Aeme-Company die Vierspindelautomaten in Deutschland selbst nicht vertrieben hatte, sondern dieselben nur durch die Firma Schuchardt und Schütte verkauft wurde und sie nachweisen konnten, dass die Konstruktion zur Zeit der Anmeldung nicht neu war, wurde die Nichtigkeit des Aeme-Patentes ausgesprochen. Sie hatten also gesiegt und konnten nun die wichtige mehrspindelige Maschine für die Fahrradfabrikation weiter bauen, wodurch der Geschäftsgang der Firma sehr gefördert wurde, denn gerade die Vierspindel-Automaten wurden damals für die Massenfabrikation in der Fahrrad- und Nähmaschinenindustrie viel nachgefragt.

Franz als Betriebsingenieur in Höchst bei Frankfurt/M: 1906-1909

Gegen Ende des Jahres 1906 erhielt Franz von seinem Freund Felix Klette aus Brüssel ein Schreiben, dass er sich um eine Betriebsingenieursstelle in Höchst bei der Armaturenfabrik H. Breuer bewerben solle. Er schrieb ihm, dass er mit einem Direktor Reinhardt der Maschinen- und Armaturenfabrik vorm. H. Breuer N C, technischer Direktor in Höchst bei Frankfurt/M gesprochen und ihn auch als Betriebsleiter empfohlen hätte, er sollte nur ein Gesuch einreichen, die Sache sei so gut wie sicher. Franz schrieb also entsprechend an Herrn Reinhardt, wurde engagiert bei einem Gehalt von 5000 M. jährlich mit einer Probezeit von 2 Jahren.

Die Stelle hat Franz auf Grund des unfreundlichen Verhaltens des Herrn Syroth angenommen und reichte seine Kündigung bei der Pittler AG, bei Herrn Direktor Müller, ein, weil jener immer gegen eine Erhöhung seines Gehalts gewesen war. Herr Voigtländer schien ihm stillschweigend Recht zu geben, dass er sein Glück einmal auswärts versuchen wollte, denn er war schon bald 19 Jahre bei Pittler beschäftigt, davon 12 Jahre bei der Aktiengesellschaft. Sein Zeugnis wurde dann auch nur für die letzten 12 Jahre ausgestellt, wobei ihm durch Herrn Direktor Müller mitgeteiltwurde,

Zeugnis Pittler0001
Zeugnis Pittler0002

dass er sich für die ersten 7 Jahre ein besonderes Zeugnis von Herrn von Pittler ausstellen lassen müsste. Da Wilhelm von Pittler schon seit 1904 in Berlin war, war es für Franz schwierig, von seinem alten Chef ein Zeugnis zu erhalten. Er hat dann darauf verzichtet und ist auch ohne dieses weiter gekommen. Bevor er sich aber verabschiedete, ließen die technischen und kaufmännischen Angestellten der Firma während der Mittagpause je eine größere Aufnahme durch einen besonderen Photographen anfertigen, die ihm aber auch bei dem Luftangriff am 27. Februar verloren gegangen sind. Außer den Herren der Direktion waren sämtliche Angestellten, die mit ihm zu tun gehabt hatten, und das waren sie wohl bald alle von den Meistern und Bürovorstehern bis zu den Laufburschen, auf den Bildern vertreten. Im Gasthof zu Lützschena hat Franz dann 1 Fässchen Bier bestellt und hat alle seine Mitarbeiter außer der Direktion zu einer kleinen Abschiedsfeier eingeladen. Der Abend in Lützschena ist dann auch ganz gut verlaufen beim Leeren des Fässchens und er hat noch lange an den Abschiedsabend gedacht.

Franz fuhr am 31. Mai 1907 in Begleitung von Richard Wommer, der zu seinem Bruder nach Türkismühle fuhr, abends gegen ¾ 10 Uhr vom Magdeburger Bahnhof ab über Halle, Nordhausen, Kassel und Gießen nach Frankfurt/M und von hier am 1. Juni 1907 weiter nach Höchst am Main, wo er früh gegen 7 Uhr ankam. Wommer fuhr weiter von Frankfurt/M aus mit einem Zug nach Saarbrücken.

In der Fabrik von Breuer, die sich nicht weit vom Bahnhof befand, wurde er von Herrn Direktor Reinhardt sehr freundlich aufgenommen, während Herr Schäfer, der kaufmännische Direktor, sich sehr reserviert verhielt. Franz merkte sofort, dass die beiden Direktoren sich nicht sehr gut verstanden.

Herr Reinhardt war sicher bestimmt worden, die Fabrikation nach neuen Methoden zu reorganisieren, wozu er Franz engagiert hatte, denn seine erste Arbeit bestand darin, die Bestell- und Arbeitskarten nach dem neuen Pittlerschen System einzurichten. Er ging sofort an die Arbeit und ließ die Arbeitskarten für die Armaturenteile unverzüglich drucken und nach neuen Stücklisten ausschreiben. Herr Reinhardt war mit seiner Arbeit einverstanden, während die Angestellten immer etwas Widerstand und Kritik zeigten. Trotzdem kam er ganz gut vorwärts. Nebenbei verbesserte er einige Arbeitsmethoden und ließ neue Arbeitsvorrichtungen bauen, so z.B. eine Kopiervorrichtung zum Drehen von ovalen Flauschen an den großen Wasserschiebern. Die Sache wäre auch weiter gut gegangen, wenn nur nicht die Antipathien der beiden Direktoren gegeneinander gewesen wären. Denn die alten Angestellten hielten zum Direktor Schäfer und nur einige Herren wie der Betriebsleiter der Eisengießerei zu Herrn Reinhardt, der sich allerdings mehr um die neue Abteilung der Automobilmotoren kümmerte als um die Armaturenfabrikation. Durch diese Abteilung, die neu eingerichtet worden war, stiegen auch die Unkosten immer mehr, sodass der Geschäftsgang insgesamt zurückging und Franz nach Abschluss des ersten Jahres nur 100 Mark als Gratifikation erhielt, während er bei Pittler während der ersten und letzten Jahre 300 bis 400 Mark erhalten hatte. Es war die erste Enttäuschung bei Breuer.

Mit den Angestellten der Firma Breuer kam Franz außerhalb des Geschäftlichen wenig zusammen, einzig mit Hans Schuch, einem Österreicher, und Herrn Dreißig, dem Betriebsleiter der Eisengießerei, verstand er sich sehr gut. Auch mit Herrn Direktor Reinhardt kam er sehr gut aus. Mit Herrn Direktor Schäfer hat er während der ganzen Zeit kaum 20 Worte gewechselt und so kam es auch, dass im Frühjahr des Jahres 1909 Herr Direktor Reinhardt ihm riet, eine andere Arbeitsstelle zu suchen, weil er wahrscheinlich gezwungen sein würde, seine Stellung bei Breuer ebenfalls aufzugeben.

Franz setzte sich dann auch sofort hin und schrieb Stellungsgesuche an verschiedene Firmen der Armaturen- und der Werkzeugmaschinen-Industrie, so z.B. an die Ludwig Loewe AG in Berlin, an Alfred Schütte in Köln-Deutz, an C.W. Julius Blancke in Merseburg an der Saale, an die Armaturenfabrik Schuhmann in Leipzig-Lindenau. Es dauerte auch nicht lange, so erhielt er von der Firma C.W. Julius Blancke die Aufforderung, sich in Merseburg für den Posten eines Betriebsingenieurs vorzustellen. Von Ludwig Loewe und Schütte erhielt er Trostbriefe auf später und die Aufforderung von Schuhmann aus Leipzig kam zu spät.

Am 30. Juni erhielt er auch von der Firma H. Breuer ein einfaches Zeugnis, das wie folgt lautete:

Zeugnis Breuer Höchst

Das Zeugnis war nur sieben Zeilen lang, während das Zeugnis von der Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik vorm. W. v. Pittler in Leipzig-Wahren ausführliche 32 Zeilen betrug. Es fiel ihm sofort auf, dass nicht Herr Schäfer unterschrieben hatte, sondern sich durch den Prokuristen R. Berk hat vertreten lassen, sicher weil Franz durch den technischen Direktor Reinhardt engagiert worden war, der aber später seine Stellung in Höchst ebenfalls aufgegeben hat.

Franz als Betriebsingenieur bei der Firma Blancke in Merseburg: 1909-1925

Franz fuhr also an einem Sonntag früh nach Merseburg, um sich bei der Firma Blancke vorzustellen. Er wurde von Herrn Prokurist Sauer empfangen und Herrn Alfred Blancke vorgestellt. Auch Herr Kassierer Franz war dabei. Die Herren waren mit seinen Angaben und Antworten zufrieden und nachdem ihm Herr Blancke auf Französisch eine Frage stellte, die er sofort beantworten konnte, war er als Werkzeug-Ingenieur für die Werkzeugabteilung der Firma angenommen bei gleichem Gehalt wie bei Breuer mit 5000 RM pro Jahr, jedoch unter der Bedingung, dass er erst am 1. September 1909 antrete, da der derzeitige Werkzeug-Ingenieur nicht früher entlassen werden konnte. So kam Franz unverhofft zu längeren Ferien, wofür Blancke ihn entschädigt hat.

Die Stelle hat Franz angenommen und ist auch ganz gut ausgekommen. Nachdem er sich die Fahrt II. Klasse von Höchst nach Merseburg und zurück hatte erstatten lassen, lud ihn Herr Blancke zum Mittagessen ein, wobei Franz dessen Mutter, eine würdige ältere Dame, kennenlernte. Nach dem Essen und einem Schoppen Wein wurde er bis auf den Bahnsteig des Bahnhofes von Herrn Kassierer Franz begleitet, der ihm erklärte, sie seien alle sehr liberal eingestellt.

Nach einer Nacht bei den Verwandten in Leipzig fuhr er am anderen Tag zurück nach Höchst am Main, um bei der Firma Breuer seine Kündigung bis zum 1. Juni 1909 einzureichen, die ohne weiteres angenommen wurde. Besonders Herr Direktor Reinhardt freute sich darüber, dass er so schnell wieder eine gute Stellung gefunden hatte, da er doch die Schuld daran trug, dass Franz seine sichere Stellung bei Pittler aufgegeben hatte.

Am 1. September 1909 fuhr Franz von Leipzig nach Merseburg über Halle, um seine neue Stellung bei der Firma C. W. Julius Blancke anzutreten. Die Möbel waren aber noch nicht eingetroffen, sodass seine Frau Elsa mit den Kindern noch ein paar Tage in Gohlis bleiben musste. Erst am 2. oder 3. September kamen die Möbel in Merseburg an, sodass auch Elsa nach Merseburg mit den beiden Kindern fuhr, um den Umzug zu vollenden. Nach ein paar Tagen war alles in Ordnung und sie konnten sich gemütlich einrichten.

Wie aus dem unten aufgeführten Plan zu ersehen ist, bestand das Werk aus 8 Abteilungen:

Skizze Blancke-Werke
  1. Abteilung zur Montage der Zuckerpressen,
  2. Aus einer Metalldreherei für die Amarturen aus Metall,
  3. Aus einer Eisendreherei für Ventile und die Hahnfabrikation,
  4. Aus einer Automatenabteilung mit amerikanischen, deutschen uns
    selbst gebauten Automaten für die Massenfabrikation von Armaturteilen,
  5. Aus einer Werkzeugabteilung, die ich zu leiten hatte,
  6. Aus einer Tischlerei zur Herstellung der Modelle,
  7. einer Schmiede mit Fallhammer,
  8. Einer Metallgießerei, einer größeren Eisengießerei mit zwei
    Kuppelöfen, einer Probierstation mit Druckvorrichtungen, die mit Wasser
    von einem 25 Meter hohen Wasserturm gespeist wurden, der vom Bruder
    seines Freundes Richard Wommer entworfen und gebaut worden war und die
    ganze Umgebung von Merseburg beherrschte.

Während zur Eisengießerei die Putzerei mit 2 Sandstrahlgebläsen gehörten (Pu) war zwischen der Metallgießerei (MG) und der Materialausgabe (M), die Metallputzerei mit Putztrommeln und Sandstrahlgebläse vorgesehen, damit der Metallguss nur aus der Materialausgabe entnommen werden konnte. Damit sollte Metalldiebstahl möglichst verhindert werden. Außer dem Betriebsbüro, wo Franz seinen Platz hatte, vorn an der Ecke des roten Brückenrains (B) waren noch 3 technische Abteilungen vorhanden, die vorn im Verwaltungsgebäude D untergebracht waren mit je einem Spezialingenieur für den Pumpenbau, für die Armaturen und für die Strahlapparate, mit denen Franz bei den Besprechungen über die Herstellung der Gegenstände immer gut ausgekommen ist. Auch mit den Meistern der verschiedenen Abteilungen hat er sich gut verstanden.

Zuerst hatte er viel mit der Automatenabteilung (A) zu tun, um die deutschen Automaten von der Firma Ludwig Löwe und Hasse & Wrede sowie mit den amerikanischen Automaten der Firmen Aeme Company, Cleveland und den Halbautomaten der Firma Patter und Johnston sowie mit den beiden Halbautomaten, die der Bruder, Martin Blancke, hatte bauen lassen, viel zu tun, um dieselben in Gang zu bringen. Es ist ihm aber alles sehr gut gelungen, nachdem er die Anordnung der Werkzeuge und die Schaltung des Revolverkopfes bei den letzteren hatte umbauen lassen. Auch die Anordnung der Werkzeuge bei den alten Revolverdrehbänken der Metalldreherei konnte er verbessern, sodass auch diese alten Revolverdrehbänke leistungsfähiger wurden.

Seine erste Aufgabe bei der Firma Blancke war, die Automaten-Abteilung zu vervollständigen, indem ein von Blanckes Bruder gebauter neuer Automat für die Bearbeitung von Heizungsventilkörpern in Gang zu bringen war, was ihm auch ganz gut gelungen ist. Auch die anderen Automaten wurden in der Werkzeugeinrichtung geändert, so z.B. ein selbst konstruierter vertikaler dreispindliger Automat der Firma sowie ein Automat zum Bearbeiten von Ventilgehäusen der Firma Hasse & Wrede aus Berlin. Auch die vorhandenen Aeme- und Cleveland-Automaten wurden mit neuen Werkzeugen versehen. In der Revolver-Dreherei waren die Werkzeuge für die eisernen Ventilgehäuse umzuändern und die Werkzeuge zum Gewindeschneiden zu verbessern. Im Manometer-Bau hatte Franz mit dem Herstellen der Manometerfedern viel zu tun und in der Modellschlosserei mit der Herstellung von Modellplatten zum Gießen von Ventilgehäusen aus Rotguss. An Arbeit hat es bei der Firma Blancke nie gefehlt, es gab immer Verbesserungen anzubringen, um die Leistungsfähigkeit der Maschinen zu erhöhen.

Herr Blancke selbst war meistens in Berlin, wo er im Hotel Esplanade in der Bellevuestraße ein oder zwei Zimmer gemietet hatte und mit seinen vielen Geschäftsfreunden Sitzungen abhielt. Auch Franz musste des öfteren nach Berlin fahren, um wichtige Angelegenheiten mit Herrn Blancke zu besprechen. So verkehrte Herr Blancke viel mit einem Erfinder, Herrn Lenz, der zuerst in Steglitz wohnte, wo er auch mehrere Mal gewesen ist, um die Konstruktion von neuen Schiebern zu besprechen und Vorschläge zu unterbreiten. Später im Jahre 1911 zog Lenz mit seinem Büro nach Grunewald, wo ihn Franz auch mehrmals aufgesucht hat, um Neuerungen zu besprechen, die aber alle nicht viel eingebracht haben. So baute Lenz einen sehr niedrigen kleinen Wagen für zwei Personen, der wohl nie fertig geworden ist. Sicher hat Blancke durch den Erfinder viel Geld eingebüßt. Mit den Meistern und den Arbeitern ist er in der Fabrik immer sehr gut ausgekommen, besonders mit den Werkzeugmeistern Herrn Schulze und später mit Herrn Fuchs, die ihn bei seinen Arbeiten immer unterstützt haben.

Viele der Arbeiter waren schon damit einverstanden, dass Deutschland Russland und Frankreich den Krieg erklärt hatte und waren auf einmal sehr patriotisch gesinnt. Wie immer in solchen Fällen nahmen sie den Mund voll und wollten die Franzosen und die Engländer schon verhauen. Franz war jedoch nicht so zuversichtlich bezüglich des Kriegsausgangs und Herr Hirscher, der Meister der Schlosserei, sogar ganz und gar nicht, er erklärte ihm ganz einfach, dass sie den Krieg nicht gewinnen konnten gegen Frankreich, da doch die ganze Welt gegen Deutschland kämpfen würde, und er hat auch recht behalten.

Da mit Kriegsbeginn weitere Bestellungen auf Armaturen usw. ausfielen, musste die Direktion sich um Kriegsaufträge bemühen und so kam zuerst die Herstellung von Granatzündern aus Metall in Frage.

Nach der Kriegserklärung durch Deutschland an Frankreich am 3. August 1914 und mit der Übertretung der belgischen Grenze am 4. August war es bei der Firma Blancke mit der normalen Fabrikation von Ventilen, Wasserschiebern, Wasserhähnen, Manometern usw. vorbei, denn es dauerte nicht lange, da kam eine Kontrollkommission aus Berlin, aus höheren Offizieren bestehend, die darauf aufmerksam machte, dass Krieg sei und die Firma von nun an Munitionsteile herzustellen hätte. Die Herren waren ziemlich scharf und machten der Direktion Vorwürfe, dass noch nichts unternommen worden sei. Herr Prokurist Sauer war anscheinend krank geworden, nicht etwa vor Angst, aber wohl durch seine Blasensteine, die ihm schon immer zu schaffen gemacht hatten. Sie sollten sich zuerst mit der Herstellung von Zündern aus Metall beschäftigen und bekamen auch bald darauf die detaillierten Zeichnungen derselben und die Kontrollehren dazu, die sie teilweise selbst anzufertigen hätten. Mit den Kontrollwerkzeugen und mit den Werkzeugen für die Anfertigung der Zündkörper, Spannbacken für das Spannfutter, Bohrer, Fräser, Reibahlen, Gewindebohrer, Gewindesträhler, Formstühle und Umspannvorrichtungen für die Revolverdrehbänke konnten sie sofort anfangen, da sie durch ihre Werkzeugabteilung unter Leitung von Franz und des Meisters Schulze gut in der Lage dazu waren. Es dauerte auch nicht allzu lange, da kamen die ersten Sendungen von gepressten Zünderkörpern und Verschlusskappen von der Firma Oberspree Berlin (Walzwerk). Zur Unterrichtung in der Fabrikation besuchte Franz in Berlin die Firma Götz, die die Zünder bereits in großer Zahl auf Revolverdrehbänken und Fräsvorrichtungen herstellten. Etwas Neues konnte er aber bei der Firma nicht entdecken.

Für die Eisendreherei und die Eisen-Revolverdreherei erhielten sie Aufträge auf 7,5 cm Gussgranatkörper, die sie in ihrer Eisengießerei selbst gießen mussten, dazu die Formen und die Kerne anfertigen und es dauerte ziemlich lange, ehe sie die richtige Gusslegierung fanden, denn beim Explodieren musste der Granatkörper eine Mindestzahl von Sprengstücken aufweisen, sodass sie gezwungen waren, von jedem Guss Probestücke nach Berlin zu senden und erst nach der Begutachtung durch die Militärbehörde mit dem Gießen fortfahren durften. Es gelang aber der Gießereileitung, die vorgeschriebene Legierung herzustellen und so konnten sie auch bald mit der Bearbeitung der Gussgranaten anfangen.

Auch für die Bearbeitung der Gussgranaten von 7,5 cm ließ Franz die Spannvorrichtungen und die Werkzeuge wie Prüflehren, Bohrer, Formstühle, Gewindebohrer und Walzeinrichtungen zum Einwalzen der Kupferringe und Schlichtwerkzeuge dazu in der Werkzeugabteilung anfertigen. Zum Nachprüfen der halbfertigen sowie der fertigen Granatkörper mit eingewalztem Kupferring kamen verschiedene Offiziere ins Werk. Diese waren von der Wehrmacht dazu bestimmt, die Granatkörper zuerst auf Dichtigkeit des Gusses und dann auf die genauen Abmessungen nach Lehren und Zeichnung nachzuprüfen, was sie sehr genau nahmen. Trotz der scharfen Kontrolle war der prozentuale Ausschuss nicht allzu groß, im Anfang nicht über 10 % und später weniger. Mit den Prüfoffizieren, die von Zeit zu Zeit wechselten, ist Franz immer gut ausgekommen, da er besonders darauf achtete, dass der Ausschuss bei der Bearbeitung nicht zu hoch war. Für den Gussausschuss war eigentlich nicht er sondern die Gießerei verantwortlich. Die Zünder und die Gussgranaten haben sie von 1914 bis zum Herbst 1918 in großen Zahlen geliefert, sodass die Firma Blancke dabei geschäftlich sehr gut abgeschnitten haben muss. Um die Fabrikation selbst haben sich weder Herr Alfred Blancke noch die Prokuristen gekümmert, sondern die Herren verließen sich ganz auf Franz und den Gießereiingenieur.

Um auch die größeren Drehbänke auszunutzen, wurde Anfang 1915 auch die

aus solch einem Kupferring gearbeitetes Armband
aus solch einem Kupferring gearbeitetes Armband

Bearbeitung von 15 cm Stahlgranaten in Angriff genommen, deren Guss ihnen durch die Stahlgießereien geliefert wurde. Auch zu diesen Stahlgranaten ließ Franz die Spann- und Schneidwerkzeuge in der Werkzeugabteilung anfertigen, die nicht mehr von Meister Schulze, sondern von Meister Fuchs geleitet wurde. Die Prüfung der 15 cm Granaten sowohl der Bearbeitung als auch der eingewalzten Kupferringe erfolgte genauso wie bei den Graugussgranaten durch Offiziere der Wehrmacht.

Im Jahre 1915 bemühte sich Herr Alfred Blancke, der selten in Merseburg war, sondern in Berlin im Hotel „Esplanade“ nach wie vor zwei möblierte Zimmer bewohnte, um die Herstellung von gusseisernen Minen für den Nahkampf, die er auch in Merseburg füllen und mit einer Sprengkapsel versehen lassen wollte. Dazu wurde der Straße gegenüber auf dem Bahnhofsgelände das Gebäude der Güterabfertigung gemietet und als Füllraum für die Pulverfüllung eingerichtet. Die Maschinen zum selbsttätigen Füllen der von der Firma gegossenen und gedrehten Minenkörper hat ein anderer Herr hergestellt. Zur Bedienung und zum Transportieren der Minenkörper wurden nur Frauen, jüngere und ältere, eingestellt, die sich teilweise recht frech benahmen, wenn von den Männern einmal jemand herüberkam.

Verwunderlich war, dass das Gebäude damals nicht durch die leichtfertige Handhabung der Frauen in die Luft geflogen ist, denn die Hauptgleise der Bahnstrecke Halle-Merseburg lagen kaum 60 Meter davon entfernt, auf denen die Schnellzüge der Linien Berlin-Frankfurt/M und Berlin-München mit 60 – 80 km pro Stunde vorbeifuhren.

Die gedrehten Minenkörper wurden auf dem Drehtisch des Automaten im Kreise aufgestellt und selbsttätig unter den Fallkanal des Pulverbehälters geschaltet. Dann öffnete sich der Schieber des Kanals und das Pulver fiel ebenfalls selbsttätig in den Hohlraum der Mine und wurde durch die folgenden Stempel der weiteren Arbeitsstellen zusammen gedrückt und zuletzt von der Maschine abgehoben. Die Sprengkapsel, die von der Militärverwaltung besonders geliefert wurde, wurde dann mit Abschlussdeckel und Aufschlagzünder zuletzt eingeschraubt. Auch die auswärts im Harz usw. bearbeiteten Minenkörper wurden in der Firma gefüllt und nachgeprüft durch die Kontrolloffiziere, bevor sie in entsprechende Kisten verpackt und ins Feld geschickt wurden. Mit der Minenfüllabteilung hatte Franz aber nichts zu tun. Die Aufsicht hatte der Privatsekretär des Herrn Blancke, der unabhängig von den Bearbeitungswerkstätten für sich mit seinen Leuten arbeitete. Franz hatte nur einmal das Vergnügen, die Harzer Werke in Blankenburg am Harz besuchen zu können, um deren Arbeitsweise zu prüfen, denn Herr Blancke wollte größere Lieferungen von den Harzer Werken erreichen. Auch bei Herrn Blancke wurde Geldverdienen „groß“ geschrieben. Franz fuhr also an einem schönen Sommertag nach Halberstadt und von hier nach Blankenburg, wo der Zentralsitz der Gesellschaft war. Zwei Herren der Harzer Werke fuhren dann im Auto mit ihm zuerst über Hüttenrode nach Rübeland, wo sich die eine Gießerei befand. Nach der Besichtigung dieses Werkes, wo die Minen gegossen wurden, fuhren sie weiter durch den Harz über Elbingerode, Rotehütte und Tanne nach Zorge, wo sich das zweite Werk der Harzer Werke befand und wo die Bearbeitung der Minen erfolgen sollte. Die Vorbereitungen dazu wurden zwar getroffen, aber mit der Bearbeitung war noch nicht angefangen worden und so kehrten sie, nachdem sie etwas gegessen und getrunken hatten, denselben Weg mit dem Auto zurück nach Blankenburg. Und da es schon spät geworden war, fuhren die Herren Franz gleich weiter nach Halberstadt, wo er noch den letzten Zug nach Halle an der Saale bzw. Merseburg erreichte. Es war also nur eine Reise, um die Direktion der Harzer Werke zu veranlassen, etwas schneller zu arbeiten. Ob sie viel Zweck gehabt hat, ist fraglich. Für ihn war es jedenfalls eine wunderbare Autotour quer durch den schönen Harz von Halberstadt nach Zorge und zurück.

Wegen der Lieferung von Minenkörpern fuhr er etwas später, aber schon im Jahre 1916, mit Herrn Blancke und dem Leiter der Füllstation eine Nacht durch nach Mannheim und von dort, nachdem sie in einem Hotel gut gefrühstückt hatten, mit einem Auto in eine Fabrik der Umgebung, wo Herr Blancke den Zweck seiner Reise selbst erledigte, ohne uns mitzuteilen, ob er etwas erreicht hatte. Auf der Rückfahrt hatten sie in Frankfurt/M so viel Zeit, dass sie den „Palmengarten“ besuchen und dort zum Mittagessen bleiben konnten. Als Nachtisch bestellte Herr Blancke für jeden eine Zigarre, die damals schon 1 Mark kostete, so waren die Preise schon gestiegen.

Es war auch im Jahre 1916, als Herr Blancke sich um eine Lieferung von Gewehrgranaten bemühte. Die ersten Gewehrgranaten hatten sich scheinbar nicht bewährt, und so wurde nach einer neuen besseren Ausführung gesucht, die von dem sogenannten Ingenieurkomitee in Berlin überwacht wurde. Auch sie wurden herangezogen, um Vorschläge zu machen, sodass auch Franz sich damit zu befassen hatte. Er schlug eine etwas am Deckel abgeänderte Konstruktion vor und erhielt, als er beim Ingenieurkomitee in Berlin war, den Auftrag, die Sache auszuführen und als Muster einzuschicken. Die Änderung muss beim Test Erfolg gezeitigt haben, denn die Gewehrgranaten wurden nach seinem Vorschlag ausgeführt.

Ausweis 1. Weltkrieg

Aber auch hier mussten die Muster angefertigt werden, die beim Sprengen eine bestimmte Anzahl von Sprengstücken aufweisen mussten. So war Franz gezwungen, nach jedem Guss mit einer Kiste mit 18 Gewehrgranaten, die mit Pulver gefüllt und mit der Sprengkapsel versehen werden mussten, nach Berlin auf den Tegeler Schießplatz des Ingenieurkomitee zu fahren und den Schießversuchen beizuwohnen. Dabei war er als Holländer gezwungen, sich jedes Mal vor der Reise in Merseburg bei der Polizei abzumelden und bei seinem Eintreffen in Berlin beim nächsten Polizeibüro anzumelden.

In Tegel wurden die von Franz zur Probe mitgebrachten Gewehrgranaten auf den Lauf eines Gewehrs gesteckt und auf eine Zielscheibe abgeschossen, wonach die Sprengstücke gesammelt und später nachgezählt wurden. Nach ein paar Tagen kam dann die Nachricht, ob die Bestellung ausgeführt werden durfte oder nicht. Da die Zusammenstellung der Legierung nun festlag, traf das erstere meistens ein, sodass die Lieferungen von Gewehrgranaten bis gegen Ende Oktober 1918 dauernd erfolgen konnten. Auch hierbei muss die Firma Blancke viel Geld verdient haben.

Scheinbar hatte Herr Blancke gegen Ende des Jahres 1917 auch die Absicht, Minenwerfer zu bauen, denn er nahm Franz in dieser Zeit gemeinsam mit seinem Privatsekretär mit nach Eßlingen in Württemberg. Sie fuhren von Halle an der Saale ab, da der Schnellzug, der während der Nacht fuhr, in Merseburg nicht hielt. Der Zug fuhr hinter Erfurt über Oberhof, Würzburg, Osterburken, Heilbronn bei heller Nacht durch die schneebedeckte Landschaft von Thüringen nach Unterfranken, wobei Blancke in den Polstern des Wagens, wo sie drei allein waren, feste schlief. Gegen 8 ½ Uhr morgens waren wir in Stuttgart, wo sie nach Eßlingen umsteigen mussten. Sie haben zwar das Werk besichtigt, aber Franz hat nichts mehr von der Herstellung der Minenwerfer gehört. Mit dem Nachtschnellzug ging es zurück nach Merseburg, Franz im zweiter Klasse Wagen, während Herr Blancke und der Betriebsleiter der Führerstation den Schlafwagen vorzogen.

Wie oben schon erwähnt hat Franz mehrmals in Berlin den Österreicher Hugo Lenz besucht, der als Erfinder bekannt war sowie ein guter Freund des Herrn Blancke.

Zuerst, es war vielleicht im Jahre 1911, war er des Öfteren in dessen Büro in Steglitz, um ihm bei der Konstruktion von Hochdruckschiebern zu helfen. Lenz befasste sich damals auch mit der Konstruktion von Flüssigkeitsgetrieben, die er dann etwas später in Kriegszeiten vernachlässigte, um sich mit wichtigeren Sachen zu befassen, wobei Franz immer hinzugezogen wurde, so z.B. nachdem die Gummibereifung der Autos und der Fahrräder im Jahre 1916 eingezogen worden waren, mit der Ausführung von elastischen Federbereifungen mit Latexummantelung, wovon sie ein Muster ausgeführt und ebenfalls nach Berlin zum Ausprobieren gebracht haben, ohne dass die Sache gebrauchsfähig wurde.

Zuletzt war er dabei einen kleinen Motorwagen zu bauen, in den höchstens zwei Personen hineingingen. Der Wagen sollte billig und gut manövrierbar sein. Ganz fertig ist er damit nicht geworden. Jedenfalls hat er Herrn Blancke viel Geld gekostet. Gegen Ende des Jahres 1917 wurden sie eingeladen, den Beschuss von Granaten bei Zossen beizuwohnen und so fuhr Franz wahrscheinlich mit Herrn Schell oder dem Leiter der Pulverstation nach Berlin, um von dort mit der Militärbahn zu dem Schießplatz nach Kummersdorf zu fahren, wo die Schießübung stattfinden sollte. Sie kehrten allerdings unverrichteter Dinge wieder nach Berlin zurück, weil das Wetter ungünstig war.

Die Leitung des Geschäftes hatten also Herr Schell als Geschäftsführer und Herr Franz als Kassierer inne. Die Führung im Betrieb hatte Herr Weigert beibehalten, während Franz mit dem Einrichten der Werkzeugmaschinen und der Anfertigung der Werkzeuge und Spannvorrichtungen genügend zu tun hatte. Mit Herrn Schell, der früher längere Zeit in der Brüsseler Filiale angestellt gewesen war und Brüssel sehr gut kannte, kam Franz immer sehr gut aus. So erfuhr er von ihm, dass dieser durch einen Freund, der bei Brüssel in Ganshoren wohnte, erfahren hatte, dass dieser in einer Nacht des Monats August deutlich gehört haben wollte, wie Militärkolonnen auf der entfernten Chaussee in Richtung Mecheln unterwegs gewesen seien. Da der gleichmäßige Tritt nicht so geklungen hätte, als seien es belgische Soldaten, sei er am nächsten Tag mit der Tram von Jette nach Brüssel gefahren und sei ganz erstaunt gewesen, Brüssel schon durch die Deutschen besetzt zu finden. Der gleichmäßig schwere Schritt der Soldaten in der Nacht rührte also von den deutschen Kolonnen her, die gegen Mecheln und Antwerpen marschiert waren. Die Deutschen waren am 20. August 1914, 16 Tage nach der Kriegserklärung, in Brüssel eingezogen. Die Kapitulation von Antwerpen erfolgte dann erst am 10. Oktober 1914.

Bei der Firma Blancke ging die Arbeit wie bisher unter Mitarbeit des Herrn Baurat Lenz weiter. Auch die Herstellung der Granaten und der Zünder und das Füllen der Minen, die die Firma immer noch zu liefern hatte, ging weiter, wobei Herr Blancke in Berlin immer weitere Verbindungen suchte, um noch mehr produzieren zu können.

Sicherheitsschloss

Herr Baurat Lenz hatte inzwischen ein neues Patent eines Sicherheitsschlosses beim Patentamt eingereicht, ein Vorhängeschloss, das nur durch einen besonders gefrästen Schlüssel geöffnet werden konnte, während das Schließen des Bügels selbsttätig durch Einschnappen erfolgte. Es galt für Franz, die Fräsapparate für den Schließbart so zu konstruieren, dass jeder Bart eine andere Form erhielt, sodass man mit dem Schlüssel nur das dazugehörige Schloss öffnen konnte. Die Aufgabe löste er auch, indem beim Fräsen der Schlüssel die Teilung der Nut jedes Mal verstellt wurde, sodass die Nut der Schlüssel nicht zwei Mal wiederkehren konnte, was er durch Verstellung beim Fräsen leicht erreichte. Er ließ wohl 5 Fräsvorrichtungen anfertigen, die auf einfache Fräsmaschinen im Manometerbau montiert, die Fräsarbeiten der verschiedenen Schlüssel leicht ausführen ließen durch eine Teilscheibe mit 100 Zähnen, sodass die Teilung eines jeden Schlüssels um 1/100 differierten. Kein Schlüssel wurde mit der gleichen Teilung versehen, sondern nach der Berechnung einer Tabelle verschieden ausgeführt. Die Herren Blancke und Lenz waren mit seiner Berechnung sehr zufrieden.

Herr Blancke versuchte aber immer noch neue Aufträge zu bekommen. Es war gegen Ende des Monats Oktober 1918, da bekam Franz von Blancke den Auftrag nach Pilsen zu den Skoda-Werken zu fahren, um die Herstellung der Geschosse und der Minenwerfer zu studieren.

Karte Merseburg-Pilsen
Die Fahrt von Merseburg nach Pilsen

Er fuhr also von Merseburg über Halle, Leipzig nach Dresden und von hier durch die schöne Sächsische Schweiz nach Aussig. Dort stieg er in den Zug nach Prag, um in der Nähe des Bahnhofes zu übernachten. Erst am nächsten Tag kam er nach Pilsen, wo er von den Herren gut aufgenommen wurde. Am ersten Tag besichtigte er in Begleitung der Herren die Fabrik und zum Abend wurde er ins Kino geführt. Am anderen Tag fuhren sie zu dem Schießplatz, wo das Probeschießen stattfand. Wegen eines starken Gewitters waren sie gezwungen, in einer Grotte Aufenthalt zu nehmen, bis der starke Regen vorbei war. Eine Stunde lang mag das Gewitter gedauert haben, wobei Franz sich scheinbar erkältet hatte. Denn bei der Rückfahrt nach Prag und am anderen Tag nach Merseburg hat er nicht bemerkt, dass ihn eine Rippenfellentzündung erwischt hatte. So musste er einige Tage das Bett hüten.

Nach ein paar Tagen ging es ihm schon wieder besser, er musste aber noch zu Hause bleiben, weil im Geschäft die Arbeiter mit der Geschäftsführung noch nicht einig waren. Die Arbeiter hatten, ohne die Betriebsingenieure oder die Meister zu fragen, die Motoren ausgeschaltet, auf dem Hofe Versammlungen abgehalten und zur Niederlegung der Arbeit aufgerufen und es war dagegen nichts zu machen gewesen. Es hatten sich in ganz Deutschland nach russischem Muster Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die die Verwaltung an sich nahmen, denn am 9. November hatte eine Aufruf des Arbeiterrates in München den Generalstreik angeordnet. In Berlin wurde die Republik ausgerufen, sämtliche deutsche Fürsten wurden abgesetzt und der Kaiser begab sich nach Holland. Überall wichen die Militär- und Zivilbehörden durch den Umsturz, der sich so zunächst ohne Blutvergießen vollzog.

Als Franz nach kurzer Zeit, als sich der Sturm etwas gelegt hatte, wieder zur Firma ging, wurde ihm der neue technische Betriebsleiter Herr Ingenieur Bruns vorgestellt, der die Angelegenheiten mit den Arbeitern in Ordnung bringen sollte. Er hatte vor allen Dingen Herrn Blancke vorgeschlagen, die automatischen Maschinen für die Massenfabrikation zu vernichten, um Rohmaterial für die Gießerei zu erhalten, womit Franz sich nicht einverstanden erklären konnte. Es sollten die alten Arbeitsmethoden, die Fabrikation auf den Drehbänken wieder eingeführt werden, um den Arbeitern entgegen zu kommen, die in den Automaten ihre Feinde erblickten: eine irreführenden Annahme. Seine Einwendungen nützten nichts und die Automaten kamen fort. Nur die von Franz konstruierten Zweihahneinschleifmaschinen, die sich gut bewährt hatten und das Einschleifen des Hahnkükens erleichterten, blieben stehen. Auch wurden die Manometerfabrikation sowie die Herstellung von Hochdruckventilen für das nun überflüssig gewordene Leunawerk wieder aufgenommen. Herr Hugo Lenz setzte die Herstellung seiner Hanut-Schlösser wieder durch, sodass Franz zunächst für die Herstellung von Fräsvorrichtungen für das Fräsen der verschiedensten Kurven für die Vorhängeschlösser genügend zu tun hatte. Da kam er auch wieder öfters nach Berlin, um die Neuerungen mit Herrn Lenz in seiner Wohnung in Grunewald zu besprechen.

Durch den Krieg waren bei der Firma Blancke auch die Auszahlung von Jahresprämien, wie Franz es bei der Firma Pittler in größeren Summen bis zu 1000 Mark und bei Breuer in Höchst bis 100 Mark am Jahresschluss erhalten hatte, ganz weggefallen, trotzdem Herr Blancke während des Krieges durch die Herstellung von Zündern, Granaten, Gewehrgranaten und Minen sehr viel verdient haben muss. Auch Herr Lenz ist durch den Krieg ein reicher Mann geworden.

Im Jahre 1921 wurde Franz von der Firma Blancke Handlungsvollmacht erteilt, zur Unterzeichnung aller den Betrieb betreffenden Postsachen, was später in seinem Zeugnis auch besonders erwähnt wurde.

Zeugnis Blanckewerke Merseburg

Im Jahre 1925 ging es leider bergab mit der Weltfirma Julius Blancke GmbH, sodass ein sogenannter Reorganisator die Leitung der kaufmännischen Abteilung übernahm, eingestellt und die Auszahlung der Gehälter überwachte, wobei er zuerst sein Gehalt, das nicht zu niedrig war, auszahlen ließ. Jedenfalls merkte Franz, dass es mit der Firma abwärts ging und er beschloss, wie es andere Herren schon gemacht hatten, die zu den Leuna-Werken übergegangen waren, eine andere Stellung zu suchen.

Der Geheimrat schien gar nicht zu sehr verwundert über seine Kündigung, sondern sagte nur, er könnte es begreifen, dass Franz wieder nach Leipzig zurück wollte, und nahm seine Kündigung ohne weiteres an. Der Geschäftsgang war jedenfalls so, dass er froh war, einige Mitarbeiter los zu werden.

Wieder bei der Pittler AG: 1925-1932

1925 musste Franz wieder einmal nach einer neuen Stellung suchen und so schrieb er zugleich an mehrere Firmen der Werkzeugmaschinenindustrie so z.B. an Ludwig Loewe, Berlin, Alfred Schütte in Köln am Rhein und gleichzeitig an die Firma Pittler in Leipzig, um sie zu bitten, Referenzen über ihn abzugeben, falls solche von auswärts verlangt würden

Umgehend erhielt Franz von Herrn Voigtländer ein Schreiben, worin er ihn um Mitteilung bat, ob er nicht Lust hätte, wieder bei Pittler einzutreten. Nach kurzer Überlegung entschloss er sich, zu Pittler zurückzukehren, da Herr Direktor Syroth, der der Grund für seinen Weggang von der Firma im Jahre 1907 gewesen, inzwischen gestorben war und die technische Leitung sein früherer Freund Philipp Schwarze übernommen hatte.

Er fuhr als im Monat Mai 1925 nach Wahren und zwar an einem Sonntag, da er wusste, dass Herr Direktor Elmar Müller da immer anwesend war, und so konnte er gleich mit ihm über seinen Antritt sprechen. Müller engagierte Franz ohne weiteres zum 1. September 1925 mit demselben Gehalt von RM 5000 wie bei der Firma Blancke.  Vorläufig behielt er seine Wohnung in Merseburg und sollte, bis er in Leipzig eine passende Bleibe gefunden hätte, mit der Bahn täglich hin- und herfahren. Er fuhr also, wie er gekommen war, mit dem Rade nach Merseburg zurück und kündigte seine Stellung bei Blancke. Dort schien man gar nicht sehr verwundert über seine Kündigung, sondern sagte nur, dass es verständlich sei, dass Franz wieder nach Leipzig zurück wollte, und man nahm seine Kündigung ohne weiteres an. Der Geschäftsgang war jedenfalls so, dass man froh war, einige Mitarbeiter los zu werden.

Am 1. September fuhr Franz dann zum ersten Mal früh morgens um 6.14 Uhr über Halle nach Wahren mit seiner Monatskarte, wo er gegen 7.45 ankam, also gerade so, dass er gegen 8 Uhr in der Fabrik sein konnte. Er bekam seinen Arbeitsplatz im Betriebsbüro des Betriebsingenieur Walter Lindner und des Herrn Hartwig und arbeitete zuerst an der Neubearbeitung des Pittler-Maschinen-Katalogs für 1926. Viel war ja vorläufig nicht zu ändern. Nur die Anleitung für die Kurvenberechnung der Fasson-Automaten Modell A I bis A III hat er etwas vervollkommnet. Neue Abbildungen brauchten nicht angefertigt zu werden. Es war mehr eine weitere Auflage, weil die Kataloge von 1925 zu Ende gegangen waren. Darauf bekam er den Auftrag ein Betriebshandbuch für die Original-Pittler-Revolverdrehbänke auszuarbeiten, um der Kundschaft die Handhabung der Revolverdrehbänke zu erleichtern.

Die Werkzeugmaschinenfabrik „Gildemeister“ in Bielefeld hatte gleich nach dem Verfall der Pittlerpatente im Jahre 1911 die Pittler-Revolverdrehbank ziemlich getreu nachgebaut und im Jahre 1925 einen Katalog herausgegeben mit Abbildungen, die aus dem Pittler‘schen Katalog stammten, da die Gesellschaft in dem Jahre mit dem Bau der Maschinen und der Werkzeuge noch nicht so weit war, eigene Klischees anfertigen zu lassen. Auch die mit den Maschinen lieferbaren Werkzeugsätze waren einfach den Bildern des Jahres 1909 nachgeahmt worden, sodass die Firma Pittler sich gezwungen sah, die Gildemeister-Gesellschaft wegen unlauteren Wettbewerbs zu verklagen. Da die Gerichtssitzungen in Hamm stattfanden, musste er auf Anforderung des Gerichts die Firma vertreten und so fuhr er im Jahre 1926 nach Hamm in Westfalen, um Rede und Antwort zu stehen, inwieweit die Bilder des Gildemeister-Katalogs aus dem Jahre 1913 eine getreue Nachbildung der Bilder des Pittler-Katalogs aus dem Jahre 1909 waren, was Franz, da er den Katalog der vorhergegangenen Jahre selbst ausgearbeitet hatte, mit gutem Gewissen bestätigen konnte. Daraufhin wurde der Firma Gildemeister untersagt, weiterhin mit den Bildern zu werben. Das von der Firma Gildemeister neu herausgegebene Betriebshandbuch von 1925 zeigte lauter neue Bilder der Maschine mit den vorgenommenen Verbesserungen und viele Werkzeugeinstellungen und Arbeitszeiten verschiedener Werkstücke, sodass auch die Firma Pittler, um konkurrenzfähig zu bleiben, sich gezwungen sah, ein Betriebshandbuch herauszugeben, welches Franz sofort nach Fertigstellung des neuen Katalogs für 1926 in Angriff nahm.

Hierzu hat er wohl ein ¾ Jahr gebraucht, denn es musste alles neu beschrieben und gezeichnet werden. Auf das Wort „Original“ wurde besonders Wert gelegt. Außer den vorhandenen Werkzeug-Klischees und der herzustellenden Werkstücke ließ Franz durch Herrn Richter, der schon früher unter seiner Leitung vor 1907 gearbeitet hatte, neben den 105 vorhandenen Klischees der Maschinen und Werkzeuge 53 Klischees als Abbildungen und 111 als Zeichnungen neu anfertigen.

Zuerst wurde die Entwicklung der Pittler-Revolverdrehbank seit dem Jahre 1888 und der Fabrik “Invention” in Gohlis sowie die Entwicklung der Fabrik in Wahren seit 1899 beschrieben, und dann die Vorzüge der Pittler-Revolverdrehbank gegenüber den übrigen Trommelrevolverdrehbänken hervorgehoben. Eine allgemeine Anleitung zur Inbetriebsetzung der Maschine mit zahlreichen Abbildungen und Schnittzeichnungen schloss sich an. Auch die besonderen Vorrichtungen wurden ausführlich beschrieben. Zuletzt folgte die Aufzeichnung der verschiedenen Werkzeuge, der Bearbeitungstafeln für verschiedene Werkstücke. Den Schluss des Buches bildeten wichtige Tabellen über Abmessungen der Werkzeuge sowie über die gebräuchlichsten Gewindesysteme. So konnte Franz Ende 1926 das Betriebshandbuch Nr. 27 B.H. in Druck geben. Das gedruckte Handbuch war bei der Direktion sehr gut angekommen.

Anfang des Jahres 1928 wurde Herr Dr. Wilhelm Fehse engagiert und besuchte ihn in seinem Büro, um sich zu orientieren, denn er kam aus der Zigarettenbranche und hatte mit dem Werkzeugmaschinenbau bisher wenig zu tun gehabt. Er war es auch, der kurz nach Erscheinen des Handbuches an Franz herantrat und als Anerkennung für seine Arbeit im Namen der Direktion eine Kiste Zigarren prima Qualität überreichte, die er natürlich mit Freude annahm.

Seine nächste Arbeit war- außer der Bearbeitung der Patente, die er

Werkstattbücher Heft 36
Werkstattbücher Heft 36
Werkstattbücher Heft 360002

teilweise auch selbst ausgearbeitet hat, um der Konkurrenz die Möglichkeit zu nehmen, der Firma zuvor zu kommen – eine Betriebsanleitung, herausgegeben in den Heften „Werkstattbücher“ von Eugen Simon, Berlin, für das Heft Nr. 36 über das Einrichten von Halbautomaten nach dem System Potter und Johnston, die zusammen mit den Automaten von Monforts und von Prentice in dem erwähnten Heft 36 aus dem Jahre 1928 erschienen ist. Die Arbeit ist vom Herausgeber Eugen Simon bzw. vom Verlag Julius Springer Berlin auch mit 200 Mark honoriert worden. Auch hierfür hat er die Zeichnungen durch Herrn Richter anfertigen lassen. Die Beschreibung umfasste 27 Druckseiten in dem Heft, das mit den oben genannten Beiträgen 32 Seiten umfasste. Von der Firma Pittler sind dann Sonderdrucke von der Beschreibung des Pittler-Halbautomaten mit 17 Figuren und 5 Tabellen nachbestellt worden, die bis zum zweiten Weltkrieg nicht gereicht haben, da die Nachfrage immer sehr groß war.

Bei der Firma Pittler wurde in dieser Zeit im Jahre 1928 ein sogenannter Reorganisator vom Aufsichtsrat eingesetzt, der wohl Änderungen und Verbesserungen in der Fabrikation bringen sollte und eigentlich nur da war, um die Menschen zu drangsalieren. So musste z.B. ein Betriebsingenieur wegen einer Kleinigkeit seinen Abschied nehmen. Auch Herr Schwarze und Herr Dir. Müller hatten einen schweren Stand durch diesen Herrn Müller, der übrigens von der Fabrikation nichts verstand. Zu Franz und zu Herrn Lindner ist er aber nicht gekommen. Glücklicherweise musste er im Jahre 1929 die Firma verlassen, da auch die Arbeiter gegen ihn Stellung bezogen,  ihn mehrmals gedroht und angegriffen hatten. Gleichzeitig bekamen die Angestellten einen Brief der Direktion, dass ihnen bei schlechterem Geschäftsgang monatlich gekündigt werden könne. Wohl 6 Monate lang wurde die Androhung der monatlichen Kündigung wiederholt, sodass sie immer mit einem Bein draußen standen, was nicht gerade die Arbeitsfreudigkeit bei den Angestellten erhöhte.

Die Arbeitslosigkeit wurde auch immer größer, sodass die Belegschaft des Werkes immer weiter sank. Es war wohl die Schuld des Großkapitals, dass die Arbeiterschaft gegen die derzeitige Regierung aufgehetzt wurde, um für den Nationalsozialismus Stimmung zu machen und das Volk für die Hitlerpartei zu begeistern, was dann ja auch eingetreten ist. Für die Angestellten war es aber eine unangenehme Zeit, die bis zum Jahre 1932 dauerte, in dem Leipzig bei 700000 Einwohnern 100000 Arbeitslose hatte, sodass die Unzufriedenheit im Volke immer größer wurde und die Propaganda der Hitlerpartei auf fruchtbaren Boden fiel.

Ende der 20er Jahre hat Franz auswärts auch mehrere Vorträge gehalten, so z.B. in Hannover an der Technischen Hochschule über die Pittler-Revolverdrehbank, wozu er zwei Tage gebraucht hat und zwar einen Abend für den Vortrag über die Pittler-Revolverdrehbank und deren Vorzüge unter Verwendung von Lichtbildern und einen zweiten Tag zur Vorführung der Maschine unter Mithilfe des Monteurs Auerbach, der mit nach Hannover beordert worden war, um die Lichtbilder vorzuführen. Bis zum Abend musste Franz dort bleiben, da noch ein Bierabend anberaumt war, an dem er teilnehmen sollte. Am anderen Morgen um 6 Uhr fuhr er dann über Merseburg nach Leipzig-Wahren zurück. Etwas später erhielten sie eine Einladung, um einen Vortrag über Kalkulation nach einer Tabelle von verschiedenen Werkstücken in der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsingenieure in Hannover zu halten. Franz bekam den Auftrag, den Vortrag auszuarbeiten und ihn in Hannover zu halten.

Im Jahre 1929 hielt Franz, veranlasst durch den Ingenieur und Baurat Ernst Preger von der Maschinenbauschule, im Verein der Betriebsingenieure im Kaufmännischen Vereinshause Schulstraße im Beisein von Doktor Fehse und Angestellten der Firma Pittler einen Vortrag mit Lichtbildern über die Entwicklung der Pittler=Werkgangmaschinenfabrik von 1888 bis 1928 im überfüllten Saal.

Im gleichen Zeitraum befasste Franz sich mit dem bevorstehenden Prozess, den die Aeme Company gegen die Pittler AG führte. Zum Termin fuhr er mit den Direktoren im Auto zum Reichsgericht in der Hoffnung, dass sie den Prozess gewinnen würden, trotzdem einer der Direktoren sehr daran zweifelte. Er hatte alles gut vorbereitet: große Zeichnungen anfertigen lassen, die den Unterschied zwischen der Pittler-Konstruktion und der der National Aeme Company genau darstellten. Außerdem hatte er vier Gutachten von Professoren der Hochschulen zu Karlsruhe, München, Braunschweig und Hannover eingeholt, die alle vier eine Verletzung des Aeme Patentes verneinten. In der Sitzung sprach ein Prof. R., von der Breslauer Hochschule gegen die Konstruktion sowie ein Vertreter von Schuchardt und Schütte aus Berlin gegen die Firma, um den Beweis zu führen, dass sie das Aeme-Patent verletzt hätten. Trotzdem der Verteidiger versuchte zu beweisen, dass die Konstruktion das Aeme-Patent nicht verletzte, verlor die Pittler AG den Prozess und wurden zu den Kosten verurteilt. Da eine Gegenanklage nicht gut möglich war, mussten sie als geschlagene Partei versuchen, mit der National-Aeme-Company eine Einigung zu treffen, die darin bestand, die Ausführung der Mehrspindel-Automaten mit den Aeme-Patenten in Deutschland auszuführen und zu vertreiben, worauf die National-Aeme-Company auch eingegangen ist. 10 % des Gewinnes mussten die Firma aber an die Aeme-Company abgeben, was sie bis zum Jahre 1940 auch getan haben, indem Franz davon die Patentgebühren regelmäßig angewiesen hat.

Der Vertreter der National-Aeme-Company in Berlin, der bei Schuchardt in Berlin den Vertrieb der amerikanischen Aeme-Automaten überwacht hatte, musste von Pittler übernommen werden. Er hat wohl 2 bis 3 Jahre in der Firma gearbeitet und die Übernahme der Aeme-Automaten überwacht. Franz hat dann mit dem Patentanwalt der National-Aeme-Company am Tempelhofer Ufer Berlin, die Interessen der National-Aeme-Company in Cleveland wahrgenommen und die schriftlichen Angelegenheiten mit dem Patentamt erledigt. Leider wurde der alte Anwalt bei einem Fliegerangriff auf Berlin im Jahre 1942 oder 1943 getötet, sodass Franz die Patentangelegenheiten mit seinem Kompagnon schriftlich weiterführen musste bis zu seinem Weggang von Pittler. Die Pittlerschen Patente hat er bis zum Jahre 1943 weiter bearbeitet. Die Zeichnungen dazu hat bis zuletzt sein Techniker Max Richter nach seinen Angaben und den vorhandenen Werkstattzeichnungen nach den patentamtlichen Vorschriften sauber ausgeführt.

In der Fabrik wurde die Werbeabteilung neu eingerichtet und weitere Angestellte zu seiner Entlastung verpflichtet. Franz hatte nur noch mit der Ausarbeitung der Patente und der technischen Beschreibungen für Zeitschriften usw. zu tun. Als Werbeleiter wurde Herr Grauel engagiert, der die Ausführung der Prospekte für die verschiedenen Maschinentypen umzuarbeiten hatte, die Franz bereits am Anfang des Jahres nach den Wünschen der Direktion ausgearbeitet hatte. In diesem Frühjahr 1934 schrieb er auch einen Aufsatz für die Zeitschrift „Werkzeugmaschine“, Heft 36, Jahrgang 1932 über Wilhelm von Pittler und seine Erfindungen seit dem Jahre 1876 sowie die Entwicklung der Pittler-Revolverdrehbank durch 7 Abbildungen, beschrieb den Werdegang von 1892 bis zum Juli 1930. Den Aufsatz hat er auch vom Dr. Ernst Verlag in Berlin-Friedenau bezahlt bekommen nach den damals gültigen Sätzen. Der Aufsatz ist auch von der Firma als Sonderdruck bestellt und vielen Interessenten zugesandt worden.

Seine berufliche Tätigkeit bei der Pittler AG: 1933-1939

Leider wurde die Arbeitslosigkeit in Leipzig wie in ganz Deutschland durch die Politik der Großindustriellen und der Banken immer größer, sodass von 1132 Mann im Jahre 1928 gegen Ende des Jahres 1932 nur noch 559 Mann beschäftigt werden konnten. Bei 700000 Einwohnern hatte Leipzig allein 100000 Arbeitslose. Nur durch die Verträge der damaligen deutschen Regierung mit Russland konnten die Pittler-Werke sich gerade noch über Wasser halten, weil durch die russischen Aufträge auf Mehrspindelautomaten und Pittler-Revolverdrehbänke die Arbeit in der Fabrik nicht zum Erliegen kam. Nur war das Leben in Leipzig durch die traurigen politischen Verhältnisse und die Kämpfe zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten stark beeinträchtigt, dauernd fanden Zusammenstöße zwischen den beiden Parteien statt, sodass Straßenkämpfe und politische Umzüge an der Tagesordnung waren.

Auch im Geschäft wurde seit 1933 alles in die nationalsozialistisch ausgerichtet und mehr Politik betrieben als gearbeitet, wenn z.B. durch Vorträge von der deutschen Arbeit usw. gesprochen wurde. Durch die vielen Vorträge gegen das Ausland und die früheren Parteien gingen viele Arbeitsstunden verloren, auch durch Märsche der Angestellten und Arbeiter in geschlossenen Zügen durch Wahren, Gohlis bis zum Südostviertel mit der Hakenkreuzfahne vorweg und Singen von nationalsozialistischen Liedern ging viel Zeit verloren. So ging es z.B. am 1. Mai, der zum Feiertag der Nationalen Arbeit ernannt wurde, zum Turnplatz in Wahren, wo irgend eine Parteigröße eine große Rede hielt, der nicht widersprochen werden durfte. Etwas später ging es durch Möckern und das Rosenthal zum Messplatz, wo der dem Alkohol geneigte Herr Ley auf hohem Podium der gesamten Arbeiterschaft von Leipzig und Umgegend eine große Rede über die Pflichten usw. der Arbeiterschaft hielt, um später den bereits von Hitler geplanten Krieg gegen Russland gewinnen zu können. Am Schluss jeder Kundgebung wurde zuerst das Deutschlandlied bei erhobenem Arm und gleich darauf folgend das sogenannte „Schlageterlied“, das Leo Schlageter, ein Nationalsozialist gedichtet hatte, der wegen Widerstands gegen den französischen Ruhreinbruch am 26.5.1923 von den Franzosen auf der Golzheimer Heide bei Düsseldorf erschossen worden war, gesungen und dann meistens mit einem „Sieg heil“ auf den Führer Adolf Hitler beendet wurde. Dann erst durften alle wieder, jeder für sich, nach Hause gehen, denn mit der Straßenbahn war wegen der Überfüllung meistens nicht mitzukommen.

Ein anderes Mal wurde an einem Sonntag ein Marsch von Wahren zur Großmarkthalle befohlen, wo auch wieder eine Parteigröße einen Vortrag vor der gesamten Arbeiterschaft der Stadt Leipzig und Umgebung halten wollte. Da es unterwegs teilweise regnete, dauerte der Marsch etwas länger und es gelang Franz sich vor dem weiteren Weg zu drücken, indem er durch die Bedürfnisanstalt in der Windmühlenstraße kurz vor dem Bayerischen Bahnhof verschwand. Er war aber nicht der einzige, denn wie er nachher erfuhr, sollte kaum die Hälfte der Belegschaft draußen gewesen sein. Außerdem waren die Themen der Vorträge immer annähernd die gleichen, nicht auf vernünftig denkende Menschen zugeschnitten.

Einmal wurden sie aufgefordert, einen Vortrag im Kyffhäuser-Haus von Herrn Staatssekretär Feder anzuhören. Auch Franz ist zur Elisenstraße gegangen und fand den Saal mit ca. 50 Hakenkreuzfahnen und Sprüchen dekoriert und musste leider feststellen, dass alles auf die Vorbereitung eines nächsten Krieges hinauslief, denn es wurde ihnen erzählt, dass sie den Weltkrieg von 1914 bis 1918 nur verloren hätten, weil zu wenig Munition vorhanden gewesen sei und sie jetzt dafür sorgen müssten, die Munitionslager zu füllen; so oder ähnlich sprach sich der Kriegshetzer damals schon aus. Franz hatte genug gehört und ging ganz betrübt nach Hause. Er wusste genug und so, wenn auch noch nebelhaft, sah er den nächsten Krieg, von Hitler angezettelt, schon kommen, und er kam auch, wenn auch erst 6 Jahre später. Auch hier wurde, wie nach jedem Betriebsvortrag in der Fabrik, durch Singen des Deutschland- und des Schlageterliedes die große Versammlung geschlossen.

In der Fabrik hatte sich Herr Diplomingenieur Fehse soweit eingerichtet. Er hat die Betriebsversammlungen in der neuen Halle „Marie“, selten in Parteiuniform, geleitet unter Beihilfe des nationalsozialistischen Betriebsrates. Nur ein oder zwei Mal hat Herr Direktor Berger, früherer Logenbruder, die Versammlung in Abwesenheit des Herrn Direktor Fehse durchgeführt. Eine Debatte oder ein Widersprechen gegen den Vortrag fand niemals statt, nur ja und Amen durfte man zu den Behauptungen der Vortragenden sagen, ob sie Recht hatten oder nicht.

Gleich nach der Machtübernahme durch Hitler wurde durch Plakate auch in der Fabrik bekannt gegeben, dass in diesem Betrieb mit „Heil Hitler“ zu grüßen sei. Wer noch „Guten Tag“ oder „Guten Morgen“ sagte, wurde mit „Heil Hitler“ darauf hingewiesen. Auch passierte es später, dass Franz, ohne sich etwas dabei zu denken, zu Herrn Dr. Fehse guten Tag sagte, worauf er ihm in einem scharfen Ton mit „Heil Hitler“ antwortete, trotzdem er im Innern wohl selbst anders dachte. Am schlimmsten war wohl der durch Herrn Rothe eingesetzte 3. Direktor, der ein scharfer Nazi war und vor dem man sich in Acht nehmen musste, denn in einer späteren Versammlung der Ingenieure und anderen Angestellten sagte er einmal, dass er jeden, der gegen den Nationalsozialismus handeln würde, zur Anzeige bringen und hinausbefördern lassen würde.

Sämtliche Angestellten, die in Stellung bleiben wollten, wurden aufgefordert, sich bei der Arbeitsfront, die an Stelle der Gewerkschaftsorganisationen von der nationalsozialistischen Regierung eingerichtet worden war, zu melden. So war auch Franz gezwungen, der Arbeitsfront beizutreten, was er dann am 23. Dezember 1933 tat, um das erforderliche Arbeitsbuch zu bekommen, das er dann später am 3. Juli 1935 von der Arbeitsfront ausgehändigt bekam. Ohne Arbeitsbuch konnte ja niemand angestellt bleiben. Leider war es ja alles umsonst, da später die eingezahlten Gelder – 6 bis 8 Mark für den Monat – so wie so verloren gegangen sind durch den verlorenen Krieg, den Hitler heraufbeschworen hat, indem er bis zuletzt gegen Russland, England und Amerika gekämpft hat.

Durch die Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 wurden auch bei der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik mehr Beschäftigte eingestellt. Der insgesamt ins Stocken geratene Wirtschaftskreislauf wurde wieder in Gang gebracht. Die großen öffentlichen Bauten, wie der Bau der Reichsautobahnen und vor allem die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Aufrüstung von Heer, Luftwaffe und Flotte hatten eine Steigerung der Beschäftigung zur Folge. Seit Wiedereinführung der deutschen Wehrhoheit erlangten die Aufträge auf Maschinen für die Waffen- und Munitionsherstellung besondere Bedeutung. Um den Aufträgen an Revolverdrehbänken und selbsttätigen Revolverdrehbänken gerecht zu werden, musste die Fabrik in Wahren unter Beteiligung an der Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik Aktiengesellschaft vergrößert werden, die aber im Jahre 1935 wieder abgestoßen wurde, als sich eine günstige Gelegenheit bot, das Werk dem Junkers-Konzern zu verkaufen. Stattdessen wurde neben der alten Fabrik ein neuer Fabrikbau errichtet, dessen Grundfläche etwa zwei Drittel des alten Baus entsprach.

Im Jahre 1934 wurde zuerst die 1917 errichtete Ergänzungshalle aufgestockt und die vordere Front der Auenstraße entlang ausgebaut. Da dadurch die gesamten Büros verlegt werden mussten, wurde seine Patentabteilung nach Osten in den Kantinenraum verlegt, sodass Franz mit der Werbeabteilung einstweilen zusammen arbeiten musste. Zu der Zeit wurde auch Herr Reklamefachmann Ralph Grauel engagiert, der als Hilfe Herrn Oswin Mönsch engagierte, mit dem er dann sehr gut beim Schreiben von Aufsätzen für die später erschienene Gefolgschaftszeitung „Pittler“ zusammenarbeitet hat. Auch ein weiterer Mitarbeiter, der zum Redigieren von technischen Aufsätzen angenommen worden war, wurde außerdem engagiert. Vor ihm musste er im politischen Sinne sehr vorsichtig sein, da er sehr stark für Hitler eingenommen war und sich Franz gegenüber einmal äußerte, er hätte seine Einstellung erkannt und er sollte mit seinen Ansichten vorsichtig sein. Es dauerte wohl etwa ein ¾ Jahr, bis Franz sein Büro zusammen mit Herrn Wenzel, der ihm als Hilfe für die Patentarbeiten beigegeben worden war, wieder in der Nähe meines früheren Büros einrichten konnte, wobei er mit Herrn Wenzel die Patentangelegenheiten und weitere Mitarbeiter die Reklamesachen erledigten. Auch die Beschreibungen für die alle Jahre wiederkehrenden Leipziger Frühjahrsmessen mit den Angaben der ausgestellten Werkzeugmaschinen waren seine Arbeit geblieben.

Vom Ausschuss für wirtschaftliche Fertigung (A.W.F.) beim Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit wurde eine Schrift: Werkzeugmaschinen einst und jetzt „Die Entwicklung des deutschen Werkzeugmaschinenbaus in den letzten Jahrzehnten“ vorbereitet, worin die bekanntesten Werkzeugmaschinenfirmen ihre Konstruktionen der Jahre 1815, 1909, 1924, 1903, 1913, 1890, 1907, 1908, 1914, 1895, 1881, 1902, 1911, 1905, 1904, 1893, 1900, 1910 mit der Neukonstruktion des Jahres 1934 gegenüberstellten, um die Fortschritte der vergangenen Jahre im Aufbau in Bild und Beschreibung zu zeigen. Außer der Gebr. Boehringer in Goppingen, Hasse und Wrede in Berlin, G. Kärger Aktiengesellschaft in Berlin, Loewe in Berlin, Reinecker Aktiengesellschaft in Chemnitz, Schieß & de Fries Aktiengesellschaft in Düsseldorf, Wanderwerke Aktiengesellschaft in Schönau-Chemnitz und viele Firmen, die Bohr- und Fräsmaschinen herstellten, wurde auch Pittler aufgefordert, zu der Messeschrift beizutragen und so stellte Franz einen Vergleich zwischen einer Pittler-Revolverdrehbank aus dem Jahre 1907 mit Stufenscheibenantrieb und der Pittler-Revolverdrehbank Modell DRA aus dem Jahre 1934 mit Einzelantrieb bzw. elektrischen Antrieb mittels Keilriemen und Räderspindelkasten mit graphischen Darstellungen des Antriebs beider Ausführungen und Vergleich der Arbeitsdauer einer Motorwelle im Jahre 1907 und 1934 die von 8,52 Minuten auf 2,77 Minuten heruntergesetzt wurde. Aus der Schrift, die im Monat März 1934 erschien, waren deutlich die Fortschritte im Bau von Bohrmaschinen, Hobelmaschinen, Drehbänken, Messerkopfschleifmaschinen, Revolverdrehbänken, Kaltkreissägen, Fräsmaschinen, Rundschleifmaschinen, Räderfräsmaschinen, Werkzeugschleifmaschinen, Karusselldrehbänken, Exzenter-Ziehpressen, Exzenter-Pressen, Sickenmaschinen, Horizontalbohr- und fräswerken, Shuping-Maschinen, Elektroantriebe für Werkzeugmaschinen und Transmissionslagern zu sehen. Nur die größten Konkurrenten von Pittler, die Firma Gildemeister in Bielefeld, die zuerst die Pittler-Drehbank nachgebaut hatte, fehlte in der Schrift „Einst und jetzt“.

Im April 1934 schrieb Franz seinen ersten Aufsatz für die technische Zeitschrift „Werkstatttechnik“ über „Die Entwicklung der selbsttätigen Drehbänke mit Trommelrevolverkopf in den letzten drei Jahrzehnten“ – Ein Beispiel für einst und jetzt, worin die Verbesserungen, die die selbsttätige Revolverdrehbank mit Trommelrevolverkopf von der Übernahme der amerikanischen Bauform an bis zur neuesten deutschen Maschine der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik erfahren hatte, erläutert wurde, mit 13 Abbildungen und einer Tabelle der Drehzahlen unter Verwendung der vorhandenen Wechselräder. Außerdem war der Aufsatz mit seinem Bilde als Verfasser des Aufsatzes versehen, wie er im Jahre 1934 ausgesehen hat. Auch dieser Aufsatz wurde als Sonderdruck bei dem Verlag von Julius Springer Berlin in mehreren hundert Exemplaren von der Firma extra bestellt.

Ebenfalls im Jahre 1934 wurde das Büro wieder nach vorn versetzt, sodass Franz wieder mit den Umräumungsarbeiten zu tun bekam. Das technische Büro musste vergrößert werden und so kam er mit seinen Kollegen in die Nähe seines früheren Büros. Durch den Bau der Langdrehautomaten hatte er wieder mehrere Patentanmeldungen zu erledigen, ebenso hatte er die Jahresgebühren für die amerikanischen Patente der Aeme Company in Deutschland genau zu verfolgen und die Zahlung der Gebühren durch die Kasse bewerkstelligen zu lassen, die ihm durch den Berliner Patentanwalt Herrn Wiegand immer zur richtigen Zeit angegeben wurden. Die Gebühren wurden von den Geldern bezahlt, die sich nun schon seit dem Anfang des Krieges durch die Zurückstellung der Lizenzsummen angesammelt hatten und bei ihm vorläufig eingefroren waren. Durch den guten Geschäftsgang wurde nach Fertigstellung des Vergrößerungsbaus am Ostende der Fabrik auch der Neubau zwischen dem alten Fabrikgrundstück und den Schrebergärten im Osten der Fabrik angefangen, der sogenannte Nordpol und die Halle Marie, die als Vortragssaal für die nationalsozialistischen Vorträge für die ganze Belegschaft eingerichtet wurde.

Die neuen Werkstätten mit den modernen Maschinen zum Bearbeiten der Flüssigkeitsgetriebe konnten teilweise in Betrieb genommen werden (Nordpol). Der Bau der Abteilung Marie ging indessen weiter und wurde ein Jahr später fertig.

An den sogenannten Kameradschafts-Wanderfahrten, die von den Parteimitgliedern organisiert wurde, hat Franz nie teilgenommen. Durch die Einrichtung „Kraft durch Freude“ konnte ein Kollege, der Kontrollmeister, eine Fahrt nach Amerika machen, wobei er die Firma „The National Company“ und andere bekannte Firmen der Werkzeugmaschinenindustrie besuchen konnte und feststellen musste, dass die Arbeitsverfahren rückständiger waren als in Deutschland. Auch die Fürsorge für die Arbeiter und Angestellten stand weit hinter den Einrichtungen in der Firma zurück.

In dieser Zeit muss auch der Herr Direktor Voigtländer, den Franz seit er nach Deutschland gekommen war, gut kannte, und der immer wie ein Freund zu ihm gewesen war, ohne ihn jedoch in irgendeiner Weise durch Gehaltserhöhung zu unterstützen, gestorben sein, sodass Meta von Pittler, die Tochter des Firmengründers und die Cousine seiner ersten Frau Elsa, die er nach dem Tode seiner Frau geheiratet hatte, um ihr aus aller Not zu helfen, nun plötzlich Witwe war. 1919 hatte er sich mit 61 Jahren von seinem Posten als Direktor zurückgezogen. Danach waren die Herren Syroth und Berger Direktoren geworden. Mit der nationalsozialistischen Partei, die erst 1933 an die Macht gelangte, hatte er nie etwas zu tun.

Seit 1902, nachdem Herr von Pittler die Fabrik verlassen hatte, war Franz dem Verein Deutscher Ingenieure Berlin als Mitglied beigetreten, um für die Firma die Zeitschrift zum Mitgliederpreis zu erhalten. Als Paten für die Aufnahme hatten sich wohl Herr Huhn und noch ein Herr bereit erklärt, sodass er ohne weiteres seit 1901 als Mitglied geführt wurde und die Zeitschrift des Vereins wöchentlich erhielt. Auch zwischen 1937 und 1943 blieb er Mitglied. Am 23. April 1937 wurde durch die nationalsozialistische Partei der Bund Deutscher Technik gegründet, sodass auch der Deutsche Ingenieurverein nationalsozialistisch geführt wurde, wie alle noch bestehenden Vereine in Deutschland. Überall galt das sogenannte Führerprinzip, sodass freie Äußerungen nicht mehr geduldet wurden. Der frühere Vorstand wurde schon gleich nach der Machtübernahme durch Hitler abgesetzt und treue Parteigenossen, die technisch weniger berühmt waren, wurden gewählt. Franz hat trotzdem die Versammlungen des Ingenieurvereins bis zum Jahre 1943 monatlich im Hotel Sachsenhof am Johannisplatz besucht, um auf dem Laufenden zu bleiben. Sämtliche Jahrbücher wurden nach und nach durch die Partei oder die Deutsche Arbeitsfront herausgegeben. Auch sämtliche Druckschriften kamen unter nationalsozialistische Kontrolle. Hier im Verein Deutscher Ingenieure hat er einige Male Herrn Martin Blancke getroffen, der im Jahre 1909 von seinem Bruder Alfred als technischer Direktor bei der Firma eingesetzt wurde und jetzt als Reorganisator technischer Betriebe in Dresden ein Büro hatte. Mit ihm ist Franz ganz gut ausgekommen, trotzdem er ihn einmal beim Rauchen einer Pfeife im Büro antraf, was von der Direktion nicht gern gesehen wurde. Er hat auch im Ingenieurverein einen Vortrag gehalten über die Pflichten eines Betriebsingenieurs, der seine Zustimmung nicht finden konnte, weil seiner Meinung nach ein Betriebsingenieur überflüssig war. Für ihn war es ein Mensch, der am Mittwoch der Woche noch einen sauberen weißen Arbeitskittel trug, ein Beweis dafür, dass er sich nicht so sehr um die Fabrikation kümmern konnte. 1943 hat er seinen ehemaligen Chef, Herrn Alfred Blancke, noch einmal in Merseburg sprechen können, der eine Auffangvorrichtung für herumfliegende Metallspäne entworfen haben wollte.

Es muss wohl im Monat Juni 1937 gewesen sein, als Franz in seinem Bürozimmer im alten Gebäude beim Gehen vom Arbeitstisch zum Aktenschrank von einen Schlaganfall im Gehirn getroffen wurde, der nur eine ½ Stunde dauerte, aber genügte, um das linke Bein in Mitleidenschaft zu ziehen, sodass es ihm unmöglich war, weiter zu gehen ohne zu hinken. Um ihm den Heimweg zu erleichtern, wurde er auf Veranlassung des Doktor Fehse vom Chauffeur im Auto nach Hause gefahren.

Im Jahre 1936 wurde der Neubau die sogenannte Halle Marie eingeweiht,

Ansicht der Fabrik 1937
Werkansicht März 1935
Ansicht der Werkanlagen Januar 1936
Ansicht der Werkanlagen Januar 1936

wo dann die berühmten nationalsozialistischen Versammlungen stattfanden, die durch Direktor Fehse einberufen wurden, und alle gezwungen waren zu erscheinen und die Vorträge, die auch von auswärtigen Nazigrößen gehalten wurden anzuhören und zum Schluss regelmäßig das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied singen mussten unter Begleitung der Musikkapelle. Die Vorträge fanden gewöhnlich zwischen 11 und 12 Uhr mittags statt. Auch Musikvorträge, durch eine Militärkapelle durchgeführt, fanden öfters im Hofe der Halle Marie statt, die der Verbesserung der Arbeit dienen sollten. In diesem Jahre erschien auch die erste Nummer der Gefolgschaft Pittler, einer Werkzeitung der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik a.G. Hierzu schrieb Franz auch einen Aufsatz „Wie ich zu Pittler kam“, worin er beschrieb, wie er Wilhelm von Pittler in Brüssel traf und mit ihm nach Leipzig kam. Von anderen Mitarbeitern wurden die Fahrten nach Madeira und die Wanderfahrten der verschiedenen Abteilungen beschrieben usw.

Im Monat März 1937 folgte die zweite Nummer mit einem Aufsatz von Franz über die Entstehung der Pittler Revolverdrehbank mit Abbildungen aus dem Jahre 1884 und 1895 und dem Hinweis auf das von ihm im Jahre 1936 verfasste Heft „Entstehung und Entwicklung der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik“, das auch in diesem Jahr in der ersten Auflage erschienen ist.

In der Patentabteilung erledigte er die neuen Patente weiter unter Mithilfe verschiedener Schreibmaschinendamen, die die Briefe für das Patentamt mit der Maschine fertigschrieben. Im Monat September 1937 wurde in der Fabrik die 25000. Revolverdrehbank nach dem Pittler-System und bald darauf die 10000. Automatische Revolverdrehbank der verschiedenen Systeme wie Fusson-Automaten, Cleveland, Potter und Johnston und Automaten nach dem Oeme-System gebaut: Die Pittler-Revolverdrehbänke seit dem Jahre 1893, die automatischen Revolverdrehbänke seit 1901.

Geschäftlich hatte Franz wieder wie alljährlich viel mit der Frühjahrsmesse zu tun, mit der Aufstellung des Programms und den auszustellenden Maschinen sowie mit den Beschreibungen derselben, für die Zeitschriften, die Neudrucke der Prospekte usw.

Auch die nationalsozialistische Maifeier mit Vorträgen durch die Parteivertreter auf dem Sportplatz am Luna-Park in Wahren fand wie alljährlich statt und es war gut, dass der Treffpunkt in der Nähe der Fabrik war, von wo aus der Marsch der gesamten Belegschaft mit der Direktion an der Spitze unter Musikbegleitung immer losging. Ob Sonnen- oder Regenwetter, die Feier musste durchgeführt werden, möglichst ohne Regenschirm. Gegen 13 Uhr war dann die Feier vorbei und alle konnten nach Hause gehen.

Im Geschäft wurde sein Patentbüro vom alten Fabrikgebäude nach dem neuen Getriebebau verlegt und so kam er mit Herrn Wetzel im Jahre 1937 in das technische Büro des Getriebebaus jenseits der verlängerten Auenstraße, die wegen späterer Ausbauten nicht bebaut werden durfte. Hier im technischen Büro des Getriebebaus bildeten sie eine richtige Insel durch Umstellen von Tischen und Schränken getrennt vom eigentlichen Büro. Als Hilfe beim Schreiben der steigenden Korrespondenz mit dem Patentamt und der technischen Beschreibungen engagierte Franz für seine Abteilung Fräulein Hanisch, die bis zu ihrer Verheiratung im Büro blieb.

Im Geschäft und auch zu Hause hatte Franz mit der Überarbeitung der historischen Ausarbeitung der Jubiläumsschrift für das Pittlerwerk sehr viel zu tun, um Herrn Häneke, dem die Fertigstellung derselben übertragen worden war, die Unterlagen zuzuarbeiten. Er setzte sich in Verbindung mit einer Cousine des Herrn von Pittler, die in Königsberg-Ostpreußen wohnte, die ihn als jungen Menschen gekannt hatte und konnte durch die Dame viel erfahren, was von Pittler früher in Kirschitten, wo er am 21. Juni 1854 geboren wurde, getrieben hatte und wie er zu seinen technischen Kenntnissen gekommen war. Dann lebte in Engelsdorf bei Leipzig ein Schwager von ihm, den er bereits im Jahre 1888 nach seinem Eintreffen in Leipzig kennengelernt hatte, den er mehrere Sonntage hintereinander mit dem Rade besuchte, um recht viel über die ersten Erfindungen in Leipzig zu erfahren. Auch bei Herrn Oswin Albrecht erfuhr er allerhand, z.B. wie Pittler nach Leipzig gekommen war, was er in den Jahren 1876 bis 1888 getrieben und erfunden hatte, wie z.B. die Tüten-Fälz- und Klebemaschine, die er 1879 in Altona ausgestellt hatte, dann über den Pulvermotor und den Omnibus, den Pittler in Leipzig 1880 gebaut und ausprobiert hatte, bis das Fahren durch die Polizei 1883 verboten wurde sowie über einen im Jahre 1880 patentierten Dampfmotor für das Kleingewerbe und über seine Verheiratung mit Fräulein Martha Albrecht, die in der Nähe seiner Arbeitsstätte wohnte.

Auch mit Herrn Hoheisel, einem Zeichner oder Lithograph, mit dem Franz in den Jahren 1888 bis 1890 zusammen in Gohlis gearbeitet hatte, beim Zeichnen der Strickmusterzeichnungen für die kleine Näh- und Stickmaschine, die Pittler 1887 erfunden hatte, besuchte er, nachdem er erfahren hatte, dass er in Hänichen bei Lützschena wohnte und sein Enkel in der Firma als Lehrling beschäftigt war. Auch nach Hänichen fuhr er des Öfteren hinaus, um etwas Näheres über die Pittlerjahre vor 1888 zu erfahren. Auch Herr Hoheisel konnte ihm, trotzdem er nun alt geworden war, verschiedenes mitteilen, das er verwenden konnte. Auch mit seinem Schwager Bernhardt Müller, der ebenfalls in Engelsdorf wohnte, wie schon früher erwähnt, hat er mehrmals besucht, um verschiedene Punkte aufzuklären, trotzdem er hier, da sein Schwager im Jahre 1888 erst 10 oder 12 Jahre alt war, nicht viel zur Aufklärung beitragen konnte. Andere Herren wie Herr Direktor Voigtländer oder sein Bruder, die sicher über die Arbeit von Pittler vor 1888 in Leipzig mehr wussten, waren inzwischen gestorben. So wurden noch die alten Mitarbeiter der Firma aufgefordert, ihr Wissen über die früheren Jahre der Pittler-Fabrik in Gohlis und Wahren aufzuschreiben und Herrn Häneke mitzuteilen.

Durch die Weiterentwicklung des Getriebebaus musste Franz wieder einmal mit seinem Zeichner Herrn Richter und Fräulein Hanisch das technische Büro  verlassen und zog mit seinen Büroschränken und den Patentunterlagen nach vorn, wo die Garderobenräume für den Getriebebau und das ebenfalls im selben Gebäude untergebrachte Büro für den Vorrichtungsbau später vorgesehen waren. Herr Wetzel, sein Assistent, sowie mehrere Herren Konstrukteure des Getriebebaus waren schon Anfang des Jahres 1938 durch die Wehrmacht eingezogen worden, sodass er allein mit Richter und Hanisch in den neu erbauten Räumen in der II. Etage saß. Der Umzug ging schnell vor sich und sie blieben hier oben bis weit ins Jahr 1939, wo er mit seinem Büro wieder in die Erweiterungen des alten Baus zurückkam.

Schon am 5. Januar erfolgte in London eine deutsche Beschwerde wegen einer Pressebeleidigung des Führers. England verstärkte seine militärische Aufrüstung und im Geschäft wurden die Betriebsappelle immer häufiger mit den nationalsozialistischen Vorträgen von Parteigrößen und vom Betriebsleiter und Direktor Wilhelm Fehse über die Erfolge, die Hitler schon errungen und noch erreichen werde und es wurde gedroht, dass die Wehrmacht in England landen und alles unterjochen werde. Offiziell fand am 22. Januar der letzte Neujahrsempfang der Diplomaten beim Führer statt. Am 30. Januar forderte Hitler offiziell die Rückgabe der deutschen Kolonien, die Deutschland durch den Weltkrieg verloren hatte. Die Gefahr eines Krieges mit England und Frankreich rückte immer näher, trotzdem hofften alle noch, dass es zu einem zweiten Weltkrieg nicht kommen werde.

Einer der Kollegen war als guter Parteigenosse mit der Gestapo in dauernder Verbindung und hatte immer über Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Redereien usw. gegen die nationalsozialistische Partei zu berichten. Es hieß also vorsichtig zu sein und keine Reden gegen Hitler oder die Partei hören zu lassen, trotzdem Franz ihn nicht für fähig hielt, seine Mitarbeiter zu verraten. Jedenfalls war er ein Parteigenosse, der immer das Hakenkreuzzeichen an der Brust trug und fest an den Sieg Hitlers glaubte. Von hier aus verließ ihn auch Fräulein Hanisch, die heiraten wollte und durch Fräulein Columb ersetzt wurde. Ebenso wie Fräulein Hanisch hat auch Fräulein Columb seine Sachen gut in Ordnung gehalten, die Post ebenso wie Patentbeschreibungen für das Patentamt und Erwiderungen an das Patentamt, unsere Patentanmeldungen betreffend, wie die für die Aeme-Patente, die über den Patentanwalt Wiegand in Berlin erledigt wurden und ihm immer viel Arbeit gemacht haben. Zwei Mal in der Woche kam Herr Grauel, der Werbemann aus Dresden, um mit Herrn Hünecke über die neuen Werbeprospekte der neuen Maschinen oder über die Ausstattung des neuen Katalogs und die Jubiläumsschrift für das 50jahrige Bestehen der Pittlerwerke zu sprechen.

Im Geschäft schloss Franz die Arbeiten für das 50jährige Jubiläum der Pittlerwerke soweit ab, sodass Herr Hünecke die Jubiläumsschrift gemeinsam mit Herrn Grauel für die künstlerische Ausführung anfangen und redigieren konnte. Von der Gefolgschaft sollte eine Plakette oder ein Relief mit dem Bilde des Erfinders Wilhelm von Pittler und den Jahreszahlen *1954 † 1910 und die Schrift „Zum 50järigen Geschäftsjubiläum der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik A.G., gewidmet von der Gefolgschaft“ 1889-1939 bei einem Reliefkünstler bestellt, wozu Franz der Betriebsobmann bat, die Fertigstellung des Bildes beim Künstler nachzuprüfen, damit das Bild von Herrn von Pittler möglichst genau nachgebildet wurde, wozu er zwei Mal die Werkstatt des Künstlers besuchte und das Bild so gut wie er konnte an Ähnlichkeit ausführen ließ. Das Bild ist ihnen sehr gut gelungen und wurde auch bei den Feierlichkeiten der Betriebsführung überreicht.

Seine berufliche Tätigkeit im zweiten Weltkrieg: 1939-1945

Ein großes Jubiläum stand ins Haus: Das 50jährige Bestehen der Pittler AG sollte am 17. Mai 1939 stattfinden und es wurde allseits dazu eingeladen. Hauptsächlich die Behörde der Stadt, die Industrie und die Partei sowie die Töchter des Herrn von Pittler, soweit sie in Deutschland wohnten, denn vom Ausland war Deutschland schon gänzlich isoliert.

Die Töchter von Wilhelm von Pittler
Drei der Töchter Wilhelm von Pittlers (Bild von Friedrich August Stenzel)

Auch der erste Betriebsingenieur in Gohlis Herr Georg Stolzenberg und die alten Mitarbeiter, die noch zu erreichen waren, wurden eingeladen. Nur die Tochter Herta Schmidt, die in Australien lebte und der Sohn Bruno in Amerika waren nicht zu erreichen. Das Fest sollte in der großen Werkstatthalle Marie, im zoologischen Restaurant und am Abend in der Messehalle 7 auf dem Ausstellungsgelände stattfinden. Franz hatte am 17. Mai das Vergnügen, seinen alten Vorgesetzten Georg Stolzenberg aus Berlin persönlich zu begrüßen, der noch sehr rüstig und gesund aussah. Er war von Berlin gut angekommen und freute sich sehr, seinen ehemaligen Lehrling wieder zu treffen nach ca. 47 Jahren. Er hatte das Vergnügen, Herrn Stolzenberg zu führen und so gingen sie, wie vorgeschrieben, zuerst nach der kurz zuvor fertig gewordenen neuen Härterei jenseits der Verbindungsgleise der Staatsbahn, wo zu einem Frühstücksimbiss eingeladen wurde. Es gab einige Brötchen mit Wurstbelag, Schinken oder Käse mit Getränken wie Bier oder Limonade für die Damen usw. Nachdem sie sich gestärkt hatten, zeigte Franz Herrn Stolzenburg die eben fertig gewordene Härterei mit den neuen Öl- und Gasöfen sowie die unterirdische Maschinenanlage mit der Ausglühanlage und die Einrichtungen zur Einsetzhärtung. Diese Abteilung konnte durch die vielen Nachbestellungen von Schneidbacken nicht mehr nachkommen und bildete bald eine besondere Abteilung in einer im Januar 1939 in Betrieb genommenen stillgelegten Fabrik, der früheren Musikwerke „Polyphon“, nicht weit vom Wahrener Bahnhof.

Außer Herrn Stolzenburg waren bald alle auswärtigen Vertreter der Firma und die oben bereits erwähnten Damen und Herren zum Frühstück vertreten, außer der Direktion der Nat. Aeme Company in Cleveland, die es jedenfalls vorgezogen hatte, infolge der Kriegsgefahr nicht zu erscheinen. Auf dem Weg zur Halle Marie im Neubau, wo der Festakt zum 50jährigen Bestehen des Unternehmens stattfinden sollte, besuchten sie noch die im Jahre 1938 gebaute und modern eingerichtete Schwimmbad- und Sportanlage der Gefolgschaft der Pittlerwerke, die aus einem großen Schwimmbassin mit Turm, Badekabinen und Schwimmgeräten sowie Ruheliegen für Sonnenbäder bestand. Die Halle Marie war als Festhalle eingerichtet worden ringsum mit Hakenkreuzfahnen rot bestückt. Das Rednerpult war mit einer großen 50, die Rückwand mit einem riesigen Hakenkreuz versehen. Für die Festteilnehmer 2 Reihen a 12 Stück klappbare Stühle, die außer dem Mittelgang den ganzen großen freien Raum einnahmen, sodass mindestens Platz für 1200 Menschen vorhanden war. Außer den 3500 Gefolgschaftsmitgliedern nahmen noch etwa 500 Gäste an der Feier teil, darunter Vertreter der Partei und ihren Gliederungen, der Wehrmacht, der Reichs-, Staats- und städtischen Behörden, der deutschen Arbeitsfront, der Hoch- und Fachschulen und der Presse sowie eine große Anzahl von Geschäftsfreunden aus dem In- und Ausland. 200 zum Teil sehr kostbare Geschenke und Blumenspenden über 400 Glückwunschtelegramme und eine Unzahl briefliche Glückwünsche brachten das überaus große Interesse an dem Firmenjubiläum zum Ausdruck. Besonders die drei Telegramme vom Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring, von Dr. Todt, der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen waren der Stolz der Direktion. Der Jubiläumstag hatte früh mit dem feierlichen Hissen der Flaggen des Dritten Reiches und der deutschen Arbeitsfront entlang der gesamten Front des Werkes begonnen. Mit den Betriebsführern war die Werkschaar 232 der Pittler A.G. angetreten, das Musikschaar spielte zur Flaggenhissung den Präsentiermarsch. Um 11.30 Uhr nahm die Feierstunde ihren Anfang. Die Eröffnung erfolgte durch den Betriebsobmann, worauf das Leipziger Sinfonieorchester das Vorspiel zu Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ spielte.

Anscließend begrüßte Betriebsführer Direktor E. Berger die Anwesenden, hieß alle herzlich willkommen und freute sich ganz besonders auch drei Töchter und eine Enkelin des Werksgründers, Wilhelm von Pittler, bei der Feier zu sehen. Dann beschrieb er kurz die Entwicklung des Werkes und schloss mit Worten Goethes. Anschließend sang der Werkschor die Hymne „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ von Ludwig van Beethoven. Darauf hielt Dr. Ing. W. Fehse die Festrede über das Thema: „Erziehung zur Leistungssteigerung im Pittlerwerk“, wobei er die günstige Entwicklung des Unternehmens während der 50 Jahre erwähnte, die er auf die Erzielung großer Leistungsfähigkeit zurückführte. Dann übergab der Betriebsobmann der Betriebsführung namens der Gefolgschaft das Bronzerelief mit dem Bilde Wilhelm von Pittlers mit einer kurzen Ansprache. Danach folgten die Ansprachen der Gäste und zwar der Reihe nach

  1. Der Kreisleiter des Kreises Leipzig der nationalsozialistischen Arbeitspartei Ernst Wettengel,
  2. In Vertretung des Oberbürgermeisters der Bürgermeister R. Haake,
  3. Der Inspektor der Wehr-Wirtschafts-Inspektion IV Generalmajor Witting aus Dresden,
  4. Der Hauptmann der deutschen Einheitsfront Peitsch aus Dresden,
  5. Der Leiter der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau und der Wirtschaftskammer Sachsens Otto Sack aus Leipzig,
  6. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Leipzig, Werner Stöhr,
  7. Magnifizenz, der Rektor der Technischen Hochschule Dresden, Professor Jost und
  8. Der Rektor der Berufsschule für die Metallindustrie Bensch Leipzig,
    die alle die besten Grüße und Wünsche zum 50jährigen Bestehen der Firma
    überbrachten. Betriebsführer Dr. Ing. Fehse dankte in seinem Schlusswort
    den Rednern und Gästen für die überbrachten Glückwünsche und mit einem
    dreifachen Sieg Heil auf den Führer fand die Feier ihren Abschluss.

Ein gemeinsames Mittagessen für die auswärtigen Gäste, woran Franz mit Herrn Stolzenburg ebenfalls teilnahm, vereinigte alle um 14 Uhr im großen Saal des Zoos. Es gab ein reichliches Essen, woran Vertreter der Gefolgschaft, die Mitglieder des Vertrauensrates und eine Anzahl von Arbeitsveteranen des Werkes ebenfalls teilnahmen. In einem Trinkspruch überbrachte der Ministerialdirigent Rudberg vom Reichswirtschaftsministerium die Grüße und Glückwünsche der Reichsregierung. Nach dem Mittagessen ging er mit Herrn Stolzenburg nach Hause, um seinen früheren Vorgesetzten aus den Jahren 1889-1892 Helene vorzustellen, die ihnen noch eine gute Tasse Kaffee und etwas Kuchen vorsetzte. Am Abend trafen sie wieder in der Halle 7 des Ausstellungsgeländes ein, wo ein Kameradschaftsabend stattfand mit Würstchen und Bier, der bei heiterer Geselligkeit den Tag beschloss. 7000 Personen waren fast daran beteiligt, die mit Interesse der Musikfolge und den Darstellungen der Gefolgschaftsmitglieder auf der Bühne folgten und zuletzt selbst das Tanzbein schwangen. Am anderen Tag fuhr Herr Stolzenburg zu seiner Tochter nach Berlin zurück.

Die zu diesem Anlass herausgegebene Festschrift „Pittler 1889-1939“ vom Monat Juli 1939 zeigt verschiedene Nachbildungen seiner früheren Zeichnungen so z.B.

  • Eine Zeichnung der Pittler-Universaldrehbank aus dem Jahre 1889 (Durchschnitt)
  • Die Geschäftskarte aus dem Jahre 1894 mit den verschiedenen
    Drehbankeinstellungen und Werkstücken, die hergestellt werden können,
    irrtümlicherweise als von Franz van Himbergen gestochen angegeben,
    obwohl es sich nur um eine Zeichnung, ein Geschenk, handelt, welches er
    Herrn von Pittler damals gemacht hatte.
  • Der Querschnitt der Pittler-Revolverdrehbank und ein Zahnkreuz und
    16 Werkzeugen aus dem Jahre 1894, wie nach Schweinfurth an die Firma
    Hans Sachs geliefert.
  • Der Längsschnitt durch das selbstzentrierende Keilspannfutter 1898 nach der von Franz ausgearbeiteten Patentschrift.

Ferner hatte er folgende Bilder und Unterlagen dazu geliefert:

  • Das Bild von W. v. Pittler mit seiner Unterschrift unter einer persönlichen Skizze von ihm zum Längsfräsen von Achsen
  • Das Bild von Frl. Hoffmann an der Näh- und Stickmaschine aus dem
    Jahre 1887 und vom Kraftwagen mit hydraulischem Antrieb aus dem Jahre
    1898 mit Pittler am Steuerrad und seinem Sohn Bruno, die Bilder vom
    Dampfmotor 1880, des Pantographen 1887, des schwingenden Doppelsupports
    1894 und des Arbeitsmessers 1894
  • Das Bild der ältesten Packung für die Pittler Cigorama 1897 mit der
    Gebrauchsanweisung der Deutschen Press-Cigarren- und Cigaretten-Fabrik
    Pittler & Co Leipzig-Gohlis
  • Die vordere Ansicht der Maschinenfabrik „Invention“ bei geöffnetem
    Tor und dem Eingang zu seiner Wohnung, der gerade daneben lag in der
    Möckernschen Straße Nr. 6
  • Zwei Ansichten der Dreherei und der Fräserei im alten Bau der
    Maschinenfabrik „Invention“, worauf links Herr v. Pittler und rechts
    Herr Voigtländer und Herr Paul Martin zu erkennen sind. Auch die alten
    Riemenantriebe, die Heizungsrohre an der Decke und die Gasbeleuchtung
    mit den offenen Flammenbrenner sowie die von dem Progris Industriel in
    Brüssel gelieferten Fräs-, Hobel- und Stäpingmaschinen sind gut zu
    erkennen
  • Die erste Dreherei und Montagegalerie im Neubau in Wahren im Jahre
    1890 ebenfalls noch mit dem Riemen angetrieben, woran aber schon die
    Serienherstellung der Pittler-Metallverarbeitung unter Führung des
    Betriebsleiters Huhn zu ersehen ist.
  • Die äußere Ansicht der Fabrik in Wahren unter der Bezeichnung
    Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik W. v. Pittler im Jahre 1899. Die
    hinten sichtbaren Gebäude der Musikwerke „Polyphon“ wurden später in
    Jahre 1939 von den Pittlerwerken zur Vergrößerung übernommen, nachdem
    schon in den Jahren 1909,1912,1917, 1933 und 1934 bis 1939 Neubauten zur
    Erweiterung der Räume ausgeführt worden waren.
  • Die Zusammenstellung der Entwicklung der Pittler-Revolverdrehbank in
    den Jahren 1889, 1890, 1894, 1895-1896, 1899, 1904, 1914, 1925 zum
    Vergleich mit der letzten Ausführung 1939
  • Die Entwicklung des Einspindel-Automaten in den Jahren 1903-1912 und
    1925 und der Pittler Form- und Schraubenautomaten 1901, 1907, 1919 und
    1926
  • Die Entwicklung der Pittler-Mehrspindel-Automaten in den Jahren
    1904-1914 und 1928 bis zu dem Prozess mit der National Aeme Company in
    Cleveland
  • Verschiedene Bilder der Revolverdrehbänke und anderen Formen zurückgehend bis zum Jahre 1845

Die anderen Bilder und Diagramme wie die Hitler-Ecke und die Innenansichten der Werkstätten und Fabrikationseinrichtungen im neuen Werk sowie der neuen Härterei und der Badeanstalt und Sportanlage und der Entwicklung der Gefolgschaft von 33 Mann im Jahre 1889 bis zu 3484 Mann im Jahre 1939 in graphischer Darstellung und der Plan der baulichen Entwicklung in Leipzig Wahren von 1899 bis 1939 also in den 50 Jahren sind photographische Aufnahmen und Zeichnungen, die die Herren Grauel und Häneke gemeinsam haben anfertigen lassen. Auf Veranlassung der Militärbehörde musste die Gesamtansicht der Pittlerwerke nach dem Stande vom Mai 1939 entfernt werden. Der Gesamtbau von der Pittlerstraße (früher Mühlweg) bis zu den Schrebergärten musste herausgeschnitten werden und durch neue Blätter ohne die Gesamtansicht ersetzt werden, was auch geschehen ist.

Anfang 1940 zog Franz wieder einmal von seinem Büro in der zweiten Etage des Neubaus nach vorn in die zweite Etage im umgebauten Boden neben der Kantine. Herr Häneke erhielt hier auch die Leitung der Patentabteilung, trotzdem er mit seiner Arbeit bisher nichts damit zu tun hatte. Die Sache blieb aber auch wie bisher, nur dass sie zusammen in einem Büro saßen, zusammen mit Herrn Richter, seinem Zeichner und Fräulein Hanisch, die nun auch für Herrn Häneke die schriftlichen Arbeiten zu erledigen hatte, weil keine weitere Schreibmaschine vorhanden war.

Von Zeit zu Zeit mussten sie gegen Ende des Jahres 1940 bei Ertönen der Luftsirene in die Keller der Fabrik und so war er zuerst im Neubau der Halle Marie und etwas später auch im alten Teil der Fabrik, wo man, so lange die Luftgefahr dauerte, ruhig nebeneinander auf den vorgesehenen Bänken sitzen blieb. Während dieser Zeit ist wohl auch nichts Schlimmes in der Firma passiert. Es war nur immer ein Zeitverlust für die Arbeit, denn bei der Entwarnung ging jeder an seinen Arbeitsplatz zurück ganz gleich ob Arbeiter oder Angestellte.

Im Monat September 1940 traf Franz in der Fabrik an der Treppe zur Dreherei zufällig Direktor Dr. Fehse, der plötzlich frug, ob er noch nicht naturalisiert sei, auf seine Antwort, dass er noch Holländer sei, sagte er, es wäre nun an der Zeit, die Naturalisation einzuholen, denn es hätte bei der Nachprüfung der Parteistellen immer Schwierigkeiten mit Franz gegeben. Er versprach ihm, die Einbürgerung zu beantragen, die er nur noch nicht versucht hätte, weil es wohl im Kriege nicht statthaft wäre, die Staatsbürgerschaft zu ändern und versprach ihm, es nun bald zu versuchen. Er tat es dann auch in den nächsten Tagen, indem er an den Oberbürgermeister der Reichsmessestadt Leipzig, Abteilung Wahl- und Listenamt, um die Einbürgerung nachsuchte unter Angabe seiner Familienverhältnisse und Beschreibung seiner Arbeit und Betätigung in Deutschland seit 1888 bei Pittler, in der Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik, vormals Wilhelm von Pittler, bei der Maschinenfabrik h. Breuer in Höchst am Main, bei der Armaturenfabrik C.W. Julius Blancke in Merseburg und zuletzt bei der Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik in Leipzig-Wahren, wobei er auch seine Schuljahre in der Städtischen Gewerbeschule Leipzig erwähnte, sowie seine frühere Tätigkeit in Brüssel als Kartograph. Eigentlich glaubte er nicht daran, seine Einbürgerungsurkunde bei der nationalsozialistischen Regierung zu erreichen, weil er mit der Partei nichts zu tun gehabt hatte und nur, wie alle Angestellten in die Arbeitsfront eingetreten war, um seine Stellung zu halten, desto überraschter war er aber, als er am 12. April 1941 also ca. 7 Monate später zum Wahl- und Listenamt am Tröndlinring bestellt wurde, wo er durch den Vertreter des Regierungspräsidenten Dr. Wahl die Einbürgerungsurkunde ausgehändigt bekam. Bei der Überreichung der Urkunde wurde Franz, wie allgemein üblich, auf die Treue zum Führer aufmerksam gemacht und mit dem guten Rat, er solle sich nach Beendigung des Krieges an die holländische Stelle in Tilburg wenden, damit die Angelegenheit auch in Holland vermerkt würde, da er sonst eine doppelte Staatsbürgerschaft besäße. Er erhielt die Urkunde, nachdem er die Unkosten von 322 RM bezahlt hatte, trotzdem auf dem Schriftstück die Gebührenhöhe mit einem Strich versehen war, nur die Tagebuch Nr. S: H/5/41 war noch angegeben, was wohl heißen sollte: Sachsen Himbergen 5te Einbürgerung 1941.

Da er um seine Einbürgerung nur auf Betreiben der Firma nachgesucht hatte, meldete er sich am nächsten Tag bei Herrn Direktor Fehse mit der Bitte, einen Teil der Unkosten zu tragen, was dieser auch bewilligte. Franz konnte sich also an der Kasse 200 RM ausgeben lassen, immerhin ihn hat die Angelegenheit noch 122 RM gekostet. Ob er nun noch die doppelte Staatsbürgerschaft besaß, wusste er bis 1947 nicht, er wollte die Sache auf sich beruhen lassen.

Am 10. Dezember 1941 wurde der 70. Geburtstag von Franz im Geschäft sehr nett gefeiert. Seine Kollegen hatten seinen Arbeitsbereich mit Blumen besonders geschmückt und er erhielt von ihnen ein Buch betitelt „Unser Kampf in Holland, Belgien, Flandern“ mit vielen Abbildungen aus den betreffenden Kämpfen. Ein großes Plakat mit „Herzliche Glückwünsche zum Geburtstage 10.12.1941“ hatte ein Zeichner des Büros gestaltet, das sich unter den Blumentöpfen und den hochgewachsenen Topfpflanzen ganz gut ausmachte.

Der geschückte Geburtstagstisch
Der geschmückte Geburtstagstisch

Gegen 9 Uhr früh zur Frühstückszeit kamen der Herr Direktor Fehse mit Herrn Hüneke, Herrn Röder und Herrn Sommer, dem Vorstand der Kassenabteilung, herein, um Franz zum Geburtstag zu gratulieren, wobei Herr Direktor Fehse die Hoffnung aussprach, dass er trotz seiner 75. Jahre noch recht lange meine Stellung als Patentingenieur ausführen könne und ihm gleichzeitig einen Brief in die Hand drückte, mit einer Gratifikation von 500 RM, worüber er sich besonders gefreut hat. Den ganzen Vormittag hörten die Gratulationen der vielen Kollegen aus den verschiedenen Büros nicht auf, sodass er erst am Nachmittag mit einem Blumentopf und den kleinen Geschenken nach Hause fahren konnte, denn er hatte von der Direktion einen freien Tag erhalten.

Wieder war ein Umzug angesagt: Franz zog im Geschäft eine Treppe tiefer in das Bibliothekszimmer, weil sein Kollege das Büro hat kleiner bauen lassen, damit er als Vertreter der Geheimpolizei das Zimmer für sich allein hatte und er dachte, er müsse heimliche Sitzungen halten, was aber, wie der Buschfunk verlauten ließ, nicht so schlimm war. Dafür wurde das Nebenbüro, wo die anderen Herren saßen, etwas größer. Er zog also mit seinen 4 Patent- und Katalogschränken eine Treppe tiefer, wo er im Anfang mit Herrn Richter allein saß und später mit der neu engagierten Frau Irmisch, die seine patentamtlichen Sachen zu schreiben und in Ordnung zu halten hatte. Wegen der immer größer werdenden Fliegergefahr wurde auch neben der Badeeinrichtung ein schwerer Bunker gebaut, in dem Franz seine Patentsachen unterbringen musste, in gut verschlossenen Kisten. Auch von den anderen Abteilungen waren in den Regalen die wichtigsten Schriftstücke im Bunker untergebracht. Der Bunker war in verschiedene Räume eingeteilt, in denen 10 bis 12 Reihen Bänke zur Aufnahme der Belegschaft aus den verschiedenen Abteilungen vorgesehen waren. Bei Fliegeralarmen, die aber im Jahre 1942 noch verhältnismäßig selten waren, ging es über den Hof in den Bunker, den Franz besonders im Jahre 1943 bevorzugt hat, hinunter und man blieb so lange, bis die Entwarnung ertönte.

Es war wohl Ende des Jahres 1941 oder Anfang des Jahres 1942, als auch die Firma Pittler viele Kriegsgefangene und auch Zivilarbeiter aus Frankreich, Italien, Russland und Belgien erhielt, die hier die fehlenden Lücken in der Arbeiterschaft ausfüllen sollten. Franz hatte nun die Aufgabe, die fremden Arbeiter, besonders die Franzosen und Belgier, die ihnen von der Militärbehörde zugewiesen wurden, zu kontrollieren, ob die Papiere auch in Ordnung seien bzw. dieselben richtig zu übersetzen wegen der Eintragung in die Arbeitslisten. Dabei stellte er fest, dass die Leute nicht freiwillig gekommen waren, sondern unter Verlust ihrer Lebensmittelmarken gezwungen worden waren, nach Deutschland in Arbeit zu gehen. Die meisten waren ungern hierhergekommen, da sie Frau und Kinder in der Heimat zurücklassen mussten. Unter den aus Belgien gekommenen Arbeitern befand sich auch ein Herr van de Berg, der allerdings wohl freiwillig hierhergekommen war mit seiner Tochter, die in der Kantine Stellung fand. Herr van de Berg war aus Linkenbeek 8 km südlich von Brüssel, und sie konnten sich gut verständigen, er sprach flämisch und französisch nach Brüsseler Art.

Genauso wie am 31. August und am 20. Oktober 1943 war auch am 5. Dezember beim 91. Luftalarm die Oberleitung der Straßenbahn und die Schienen getroffen worden, sodass in Leipzig sämtlicher Straßenbahnverkehr zeitweise unterbrochen war. Für 2 bis 3 Monaten musste Franz nach den vorherigen Angriffen, um nach Wahren zu gelangen, schon bis zum Yorkplatz oder zum alten Theater laufen und ebenso zurück. Von hier ging die Straßenbahn nur bis zum Waldplatz, von wo aus er die damalige Hindenburgstraße durch den Wald nach Wahren gelangen wollte. Es war immerhin noch eine Fußstrecke von 6 bis 7 km, die er glücklicherweise am Tag nach dem Angriff nicht ganz zurücklegen musste, denn unterwegs holte ihn ein Kollege ein, der ihn bei der Direktion entschuldigen wollte. Er kam schon von Probstheida und wollte auch zum ersten Mal nach dem Angriff ins Geschäft. Es dauerte aber nicht mehr lange und so konnte er vom alten Theater bis Bahnhof Leutzsch fahren und von dort nach 3 km Waldweg nach Wahren gelangen, vorausgesetzt, dass kein Luftalarm kam. Es gelang ihm auch ohne Mühe, nach Wahren zu kommen, um seine Tätigkeit als Patentingenieur fortzusetzen, wobei ihm gestattet wurde, um 4 Uhr nachmittags wieder nach Hause zu gehen, bis die Straßenbahn wieder betriebsfähig sein sollte.

Am 2. Januar hielt die Direktion, wie alljährlich seit das Hitlerreich bestand, einen Betriebsappell, wozu jeder Arbeiter und Angestellte um 9 Uhr vormittags zu erscheinen hatte, um die nationalsozialistischen Vorträge anzuhören. Da Franz die Genehmigung erhalten hatte infolge seines Alters, die Arbeitszeit erst von 9 Uhr früh bis 16 Uhr einzuhalten, brauchte er zum ersten Mal an der Versammlung nicht teilzunehmen.

Der schlimmste Angriff für Franz und Helene erfolgte aber am 28. Februar 1945 um 13.15 Uhr, als er im Geschäft und Frau Henkel allein zu Hause mit den übrigen Hausbewohnern war. Er saß ganz ruhig im Bunker neben den Sportanlagen der Firma und ahnte nicht, dass es diesmal sehr schlimm für sie gewesen war. Als er aber erfuhr, dass besonders das Ostviertel in der Tauchaer Straße getroffen worden sei, machte er sich auf den Weg nach Hause. Da, am Rathaus in Wahren angekommen, die Außenbahn nach Schkeuditz nicht mehr fuhr und auch die Verbindung nach Möckern unterbrochen war, weil es an Straßenbahnwagen fehlte, blieb ihm nichts weiter übrig, als die 6,8 km zu Fuß zurückzulegen und so machte er sich auf den Weg die Hallesche Straße entlang und dann weiter durch die Kirchbergstraße , wo noch nicht viel zu entdecken war. Nur als er nach Gohlis kam, konnte er schon ahnen, wie schwer der Angriff auf Leipzig wieder ausgefallen war, denn in der Breitenfelder Straße musste er feststellen, dass das Haus Nr. 7, wo er nach seiner Verheiratung mit seiner ersten Frau Elsa zuerst gewohnt hatte, schwer getroffen worden war. Auch war die Wohnung von der Familie von Elsas Schwester, den Grundmanns, schwer getroffen worden. Die ganze Einrichtung von Marta und Dora Grundmann war in der III. Etage vernichtet worden. Die Möbel stammten noch von der Großmutter Thekla Albrecht, welche die Mädel teilweise geerbt hatten. Nur gut, dass Onkel Grundmann die Vernichtung seiner Möbel nicht mehr zu erleben brauchte. Franz ging aber weiter an der Weinstube vorbei, wo er früher, als er bei Grundmann wohnte und in der „Invention“ beschäftigt war, von 1892 bis 1896 zu Mittag gegessen hatte, bei dem Bierpreis von 25 Pfennig für zwei Glas Bier, der Menckestraße entlang, wo die Schokoladenfabrik von Felsche so schwer getroffen worden war, dass die gesamte Straßenbreite und die Fahrbahn der Straßenbahn durch die Schuttmassen belegt waren und er gezwungen war umzukehren. Aber auch der Schillerweg am Schillerhaus war nicht mehr passierbar, sodass er am Rosenthal vorbei gehen musste, um auf die Gohliser Straße zu gelangen, von wo aus er dann feststellen musste, dass auch das Restaurant zur Börse und der Gohliser Gasthof sowie die Gohliser Kirche getroffen worden waren. Überall nur Schutt und Ruinen. So kam er endlich auf den Nordplatz, wo nichts zerstört war, und so frug er ein paar Frauen, ob sie wüssten, ob die Tauchaer Straße getroffen worden sei, worauf er die Antwort erhielt, dass in Richtung Kristallpalast nichts passiert sei. Hauptsächlich seien Brühl und Nikolaistraße schwer getroffen worden. Durch diese Auskunft war er nun etwas beruhigt und folgte seinem Weg weiter durch die damalige Gohliser oder Michaelisstraße, wo er leider feststellen musste, dass am Yorkplatz das Leihhaus noch brannte und dass auch einige Häuser am Yorkplatz schwer getroffen worden waren. Er konnte aber feststellen, dass ihr Vereinslokal von der TVL verhältnismäßig wenig gelitten und hauptsächlich nur Fensterschäden aufzuweisen hatte. Dagegen waren weiter oben das Nordhotel und auch die Westseite der Güterabteilung am Hauptbahnhof und am Blücherpatz mehrere Hotels schwer getroffen waren. Ob die Börse schon vorher getroffen worden war, daran konnte sich Franz nicht mehr genau erinnern, denn die Fliegerangriffe, die zuletzt stattfanden, griffen alle ineinander. Voller Zuversicht ging er nun am Bahnhof vorbei der Wintergartenstraße zu in der Überzeugung, dass bei ihnen noch alles heil sein würde. Wie war aber seine Enttäuschung groß, als er feststellen musste, dass vom Nürnberger Hof und weiter oben auch seine Wohnung getroffen worden war.

Weiterhin fuhr Franz täglich nach Wahren ins Geschäft, um seiner Arbeit nachzugehen. Die Arbeitsstunden waren inzwischen herunter gesetzt worden, sodass er nur von 9 bis 4 Uhr und Frau Irmisch nur vormittags zum Schreiben zu kommen brauchte. Es ging auch ganz gut einzurichten, da er nachmittags die Arbeit für Frau Irmisch vorarbeiten und sie die Post am nächsten Tag bis Mittag gut erledigen konnte. Es muss am 9. März 1945 gewesen sein, wo Herr Dr. Fehse nachmittags zu ihm ins Büro kam, um mit ihm über seine Pensionierung zu sprechen, denn er meinte, es wäre an der Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Das Geschäft wäre jetzt sowieso gezwungen, verschiedene Angestellte zu entlassen und die alte Generation zu pensionieren. Er war aber wohl nicht gewillt, die Angelegenheit mit Franz zu besprechen, denn er sollte die Sache in den nächsten Tagen mit Herrn Direktor Paul erledigen. Am 12. März meldete er sich dann bei Herrn Paul, der mit ihm alles durchsprach und versuchen wollte, soviel wie möglich für ihn herauszuschlagen. Am 26. März erhielt er dann seinen Kündigungsbrief – gleich nach einem neuen Luftalarm, woraus hervorging, dass in Anbetracht der Kriegsverhältnisse, die eine völlige Umstellung des Betriebes erforderten, Franz am 16.3.1945 mit Herrn Direktor Paul vereinbart hatte, am 31. 3.1945 freiwillig in den Ruhestand einzutreten. Als Anerkennung für seine langjährigen treuen und wertvollen Dienste gewährte ihm die Firma vom 1. April 1945 auf Lebenszeit freiwillig eine monatliche Geldrente in Höhe von 140 RM. Die Auszahlung der Rente sollte am Schlusse eines jeden Kalendermonats nachträglich erfolgen. Leider konnte die Firma ihre Versprechungen nicht einhalten, wie sich bald herausstellte.