Franz der Weltbürger – im Ausland unterwegs

Mit der Ankunft in Leipzig beginnt auch eine rege Reisetätigkeit für Franz, vor allem in seine ehemalige Heimat nach Belgien, um die Verwandten zu besuchen, aber auch nach Frankreich, England und den Niederlanden. Eine Besonderheit dieser Berichte ist, dass Franz als gelernter Kartograph die Angewohnheit hatte, detailliert alle Stationen aufzuzählen, an denen der Zug hielt. Das mag zunächst sonderbar wirken, unterstreicht aber auch die Eigenwilligkeit der Texte.

Im Folgenden wird über diese Reisen berichtet werden.

Die 1. Reise nach Belgien: 1889

Diese erste Reise fand aus traurigem Anlass statt. Am 23. Juli 1889 schrieb François van Himbergen seinem Sohn Franz, dass Herr und Frau von Pittler in Begleitung von Herrn Voigtländer ihn in Mecheln besucht hätten und teilte ihm mit, dass er nach Hause kommen und unbedingt den Lehr-Kontrakt mitbringen solle. Wilhelm von Pittler erwähnte bei seiner Rückkehr Franz gegenüber nicht, dass es dem Vater nicht gut ging. Drei Wochen später jedoch erreichte ihn plötzlich die Nachricht, dass sein Vater, François van Himbergen, am 19. August 1889 im Alter von 44 Jahren und 10 Monaten, versehen mit dem heiligen Sakrament, gestorben war. Pittler hatte bei seinem Besuch beim Vater schon bemerkt, dass dieser sterbenskrank war, und wahrscheinlich aus Rücksicht dem 18jährigen gegenüber nicht erwähnt, dass es um den Vater so schlimm stand.

Da Franz die Nachricht erst am 20. August 1889 erhielt, musste er, wenn er noch rechtzeitig zur Beerdigung in Mecheln eintreffen wollte, am nächsten Morgen früh nach 6 Uhr vom Thüringer Bahnhof losfahren über Erfurt, Eisenach, Kassel, Dortmund, Aachen, Lüttich und Löwen, wo er auch gegen Abend in Mecheln eintraf. Wahrscheinlich hat er bei den Notelsthens übernachtet, bei denen seine Schwester Louise als Ladenfräulein beschäftigt war. Auf jeden Fall hat er seine Tante Dominika im Kloster der schwarzen Schwestern noch vor der Beerdigung besucht. Die Trauerfeier fand in der Kirche Saint-Pierre-et-Paul statt gleich neben dem Haus der Notelsthens und der Schule Saint-Rombaut, wo er früher zur Schule gegangen war. Der Trauerzug führte nicht zum Stadtfriedhof in Mechelns Norden, sondern durch die Beffashaut, Adeyhemshaut und die Chaussee d’Umwegen zu dem Friedhof nach Leest, 4 km westlich der Stadt. Es ist anzunehmen, dass seine Tante das so bestimmt hatte, weil die städtischen Friedhöfe nicht geweiht waren, der Kirchhof von Leest dagegen die christliche Weihe erhalten hatte und sein Vater in geweihter Erde begraben sein sollte, obwohl er selbst nicht besonders fromm gewesen war.

Bevor Franz nach Leipzig zurückfuhr, besuchte er seinen Freund Boeck, mit dem er im Institut Cartographique Militaire zusammengearbeitet hatte, und war ein paar Mal bei Notelsthens im Kolonialgeschäft, um seine Schwester Louise zu besuchen. Sie war nun allein mit der Mutter und inwieweit sie miteinander ausgekommen sind, konnte Franz nicht erfahren. Von ihm war jedenfalls keine Unterstützung zu erwarten, weil er von Frau von Pittler höchstens 1 Mark Taschengeld für die Woche erhielt. Wahrscheinlich hat die Mutter ziemlich bald die Wirtschaft bei einem Freund ihres Mannes, Herrn van Lens, geführt, der ein Schneidergeschäft in der Rue des Tannens hatte, und den sie, nachdem das Trauerjahr vorbei war, auch geheiratet hat. Wie es genau abgelaufen ist, hat Franz niemals erfahren und auch nicht danach geforscht, weil ja von Seiten seiner Schwester über Geldmangel nie geklagt wurde. Nach einer knappen Woche fuhr er nach Leipzig zurück, wie er gekommen war. Es ist anzunehmen, dass der Großvater in England die Mutter während der schweren Zeit unterstützt hat.

Die 2. Reise nach Belgien: 1898

Erst im Jahre 1898 fuhr Franz wieder nach Belgien: über Düsseldorf, Mönchengladbach, Roermund, Antwerpen nach Mecheln, wo er bei seiner Mutter in der Rue des Beguine Nr. 4 übernachtete. Wahrscheinlich hat er da auch seinen Stiefvater begrüßt.

Dann ging es nach Brüssel, um seine Schwester Louise am Steenpoort zu treffen, wo sie als Verkäuferin angestellt war. Am Sonntagnachmittag trafen sich er und Louise samt Bräutigam, Leon de Breuck, um auf der neuen Straße nach Tervuren, an der das Museum des Kongostaates (heute: Koninklijk Museum voor Midden-Afrika) zur Weltausstellung errichtet worden war, spazieren zu gehen. Und er entsinnt sich noch, wie Leon auf die schnell dahinfahrenden Radfahrer schimpfte, die sie als Fußgänger beim Vorbeirasen erschreckten. Die neue Straße, die König Leopold II ebenfalls anlässlich der Weltausstellung 1897 hatte bauen lassen, ist eine doppelte Allee und geht bergab, bergauf in Serpentinen vom Parc du Sinquantenaire bis zum Museumsgebäude von Tervuren (10 km), in dessen Räumen die seltenen Reichtümer des Kongo Platz gefunden haben. Zwischen dem Parc du Sinquantenaire und Tervuren ungefähr auf halber Strecke hatten seine Freunde Boeck und Verbruggen einen Trinkpavillon in einem schönen Park mit Spielplatz und Reiteseln für die Kinder errichten lassen, der sonntags wie auch wochentags sehr gut besucht war, denn der Weg nach Tervuren führt durch ein landschaflich schönes Gebiet. Später im Jahre 1902 hat er die Anlage mit seiner Frau Elsa und den Kindern Lotte und Herbert nochmals besucht. Es ist anzunehmen, dass Franz in Mecheln bei der Mutter übernachtet hat, und des Öfteren nach Brüssel zur Schwester und zu lieben Bekannten gefahren ist.

Jedenfalls hat Franz seine Schwester auf dieser Reise überredet, mit ihm nach Leipzig zu fahren, um auch seine Frau Elsa kennenzulernen. Sie sind eine Woche später gemeinsam über Lüttich, Aachen und Köln bis Bonn gefahren und von hier mit dem Rheindampfer über Koblenz an der Lorelei vorbei über Rüdesheim bis Mainz und von hier mit der Eisenbahn bis Frankfurt/M, wo sie in einem Hotel übernachtet haben, nachdem sie gegen Abend die Stadt besichtigt hatten (Dom, Hafen usw.). Am anderen Tag ging es dann weiter über Fulda, Bebra, Eisenach, wo seine Schwester zum ersten Mal die Wartburg und die schöne Thüringer Landschaft bewundern konnte, über Gotha, Erfurt, Weimar und Naumburg, kamen sie am späten Nachmittag in Leipzig am Thüringer Bahnhof an, und fuhren gleich mit der neuen elektrischen Straßenbahn nach Gohlis, Möckernsche Straße 6, wo Elsa sie schon erwartete. Am nächsten Tag hat Franz seiner Schwester Leipzig gezeigt, war mit ihr auf dem Rathausturm, am im Bau befindlichen Völkerschlachtdenkmal, im Grassimuseum usw. Auch die Freunde haben sie mit der Schwester besucht. Da sie hauptsächlich vlämisch sprach, konnte sie sich sehr gut mit Elsa und den Bekannten verständigen. Am Tage hat Elsa mit ihr hauptsächlich die Geschäfte in der Stadt besucht, denn Franz war meistens geschäftlich in Anspruch genommen. Sonntags haben sie dann in der Umgebung Spaziergänge durchs Rosenthal nach Leutzsch und Connewitz unternommen. Viel länger als eine Woche ist Louise auch nicht in Leipzig gewesen, da sie so kurzfristig nicht länger Urlaub bekommen hatte. Jedenfalls hat ihr die Reise ins ferne Sachsen sehr gut gefallen, denn sie kam im Jahre 1913 zum deutschen Turnerfest mit ihrem Mann Leon de Breuck wieder nach Leipzig.

Die 3. Reise nach Belgien: 1899

Es muss im Jahre 1899 gewesen sein, als Franz zum ersten Mal in Brüssel eine Fabrik besuchte, in der er Meister Kaminski, einen Russen, den er aus Leipzig kannte, wiedertraf, der die Pittlerische Näh- und Stickmaschine hier in Brüssel in Fabrikation brachte. Hier traf er auch Meister Paul Martin, der zufällig zur gleichen Zeit Urlaub hatte und sie verabredeten, zusammen mit der Bahn nach Ostende zu fahren, was sie dann am nächsten Tag auch in die Tat umgesetzt haben. Zuerst unterbrachen sie die Fahrt in Brügge, wo sie den alten Markt mit der Halle und dem Belfried besucht haben und auch die alten Straßen mit den vielen Kanälen zwischen Belfried und Bahnhof durchwandert sind, und gegen Mittag in Ostende ankamen. Zum ersten Mal sahen sie ganz unvermittelt die meergrüne Nordsee, nachdem sie vom Bahnhof aus eine der zum Meer führenden Straßen angestiegen waren. Es war inzwischen sehr windig geworden und nachdem sie die Villen, den Kursaal, die Badekabinen usw. besichtigt hatten, überlegten sie sich reiflich, ob sie auf den Vorschlag eines Fischers hin eine Kahn- oder Bootspartie bei dem starken Wind unternehmen sollten oder nicht. Da der betreffende Fischer ihnen versprach, dass sie keinen Centime zu zahlen brauchten, wenn der Anzug nur durch eines Meerestropfen getroffen würde, willigten sie ein und stiegen in ein kleines Segelboot von ca. 4 Meter Länge und 1,5 Meter Breite mit dem vlämischen Fischer und einem Jungen, der das Segel halten sollte. Es war aber, als sie aus dem Hafen fuhren, scheinbar doch zu stürmisch, denn als sie auf das offene Meer hinauskamen, wurde das Segel eingezogen und so glitten sie von einem Wellenbug zu einem Wellental hinunter und wieder hinauf, wobei es Franz himmelangst wurde, denn der Unterschied zwischen Wellenberg und Wellental betrug doch mindestens 5 bis 6 Meter. Mit dem Leben hatte er bald abgeschlossen. Aber das Boot wurde durch den Fischer so sicher geführt, dass sie nach einer halben Stunde im Hafen wieder glücklich aussteigen konnten ohne nass geworden zu sein. Gegen Abend kamen sie auch glücklich in Brüssel wieder an.

Die 4. Reise nach Belgien: 1900 verbunden mit der 1. Reise nach Holland und Paris

Nachdem der kleine Herbert sich etwas an die Flasche gewöhnt, sie Lotte und Herbert bei der Großmutter Albrecht in Gohlis in Pension gegeben hatten, fuhren sie, Elsa und Franz, im Monat August 1900 über Magdeburg, Dortmund, wo sie Herrn Knauth, den früheren Vorsitzenden der technischen Vereinigung in Leipzig, auf der Durchreise besuchten, um dann über Düsseldorf, Gladbach, Rochemond, Lier nach Mecheln zu fahren, wo seine Mutter in der Rue de Beguines mit Herrn de Lens wohnte. Auch haben sie hier die Tante Dominika im Kloster der schwarzen Schwestern besucht, die seine Frau Elsa noch nicht kannte. Natürlich wurde hier wieder geraten, die Kinder Lotte und Herbert katholisch erziehen zu lassen. Seine Schwester Louise war immer noch in Brüssel in einem Kolonialwarengeschäft angestellt, und so fuhren sie nach Brüssel, wo sie in einem kleinen Privat­hotel in der Nähe der Place Martyrs übernachtet und logiert haben, da die Schwester damals noch nicht verheiratet war.

Nach einigen Tagen, in denen sie zusammen ausgegangen waren und die alten Kollegen Boeck und Verbruggen von der Kartographischen Anstalt de la Combre besucht hatten, sind sie vom Bahnhof Brüssel-Nord auch über Mecheln, Contich, Lier, Herentals nach Turnhout und von hier mit der Vicinal-Dampfbahn über die holländische Grenze nach Arendonck und dann weiter mit dem Postwagen nach Reusel und Bladel, dem Geburtsort seines Vaters, gefahren. Sein Onkel, der Müller Jan van Himbergen, wohnte mit seiner Familie noch in Bladel. Beim Grenzübertritt in Reusel äußerte Franz sich zu Elsa bei der Kontrolle des Koffers durch den Zoll: hier sind sie ja schärfer als in Deutschland, worauf der Zollbeamte ihn zurecht wies, er täte nur seine Pflicht. Er wühlte Franz aber etwas zu sehr in den Sachen herum. Die Herren waren nämlich sehr scharf auf Zigarren, Schokolade und ähnliches. Von den Verwandten wurden sie sehr freundlich aufgenommen sowohl von Onkel Jan als auch vom Bürgermeister, seine Cousinen Marie und Augusta waren inzwischen verheiratet und wohnten nicht mehr zu Hause. Die Mühle aber hatte der Onkel abgegeben. Franz erfuhr noch, dass der Mönch, den er früher im Jahre 1888 besucht hatte, inzwischen gestorben war. Nach zwei Tagen fuhren sie dann mit der Post zurück nach Reusel und Arendonck, wo die belgische Grenzkontrolle viel rücksichtsvoller war, als vorher die holländische, die sicher nach deutschem Muster gearbeitet hat. Von Turnhout kommend, in Brüssel wieder angekommen, ging es dann gleich weiter nach Paris. Sie fuhren vom Brüsseler Südbahnhof über Abons, Quierain Avons in der III. Klasse nach Paris, wo sie früh gegen 5 Uhr ankamen, nachdem sie die ganze Nacht gefahren waren. In der Nähe des Nordbahnhofs in Paris fanden sie auch ein einfaches Nachtquartier in einem kleinen Hotel zum Preis von ca. 6 Frs mit Frühkaffee. Es war nur ein kleines Zimmer ohne Komfort hinter der Schankstube, da sonst alles besetzt war. Ihnen genügte es aber, da sie ja während des Tages nicht im Zimmer bleiben wollten.

Nachdem sie Kaffee getrunken hatten, ging es schon gegen 6 Uhr früh den Boulevard entlang, wo auf dem Trottoir Körbe und Kisten für die Müllreste bereitstanden, aber von Abfallsuchern umgeworfen und verstreut worden waren. Für sie war es ein ungewohnter Anblick in der großen Stadt. Sie gingen bis zur Seine hinunter und kehrten dann langsam zurück, um gegen 9 Uhr an der Gare de L’est zu sein und ihren Freund Richard Wommer, der ebenfalls Paris kennenlernen wollte, von der Bahn abzuholen. Er war auch mit dem richtigen Zug aus Frankfurt/M angekommen und hatte ebenfalls Logis in Paris gefunden. In einem Bierlokal wurden zuerst ein paar Bier getrunken und dann ging es zurück zur Seine, wo sie an der Grenze der Stadt Paris bei Vincennes einen Dampfer bestiegen, um zuerst einmal auf der Seine längs durch Paris zu fahren und die Weltausstellung vom Fluss aus zu sehen. Leider hat Volt, das war der Spitzname seines Freundes Richard Wommer, nicht viel davon gehabt, denn er schlief andauernd wieder ein, sooft er auch von Franz aufgeweckt wurde. Der Dampfer fuhr von der Ostseite (Charenton) direkt durch die Weltausstellung bis zur Westgrenze (Anteuil) von Paris durch sämtliche Brücken hindurch. Von Anteuil aus sind sie dann mit der Ringbahn bis zur Kreuzung der Bahn, die von Paris nach Versailles führt, gefahren und haben Versailles, das Schloss, die Wasserkünste, den Trianon usw. besichtigt. Gegen Abend fuhren sie dann nach Paris zurück bis zum Kopfbahnhof „Montparnasse“ und von hier, etwas müde und abgespannt, nach einem Spaziergang über die Boulevards mit dem Omnibus zum Hotel zurück. Am nächsten Tag gingen sie dann zusammen schon früh gegen 9 Uhr zur Ausstellung am Haupteingang der Avenue des Champs Elisées und haben so ziemlich alles besichtigt, die Ausstellungen der verschiedenen europäischen Staaten, darunter auch Deutschland, Belgien usw., sind auch mit der Stufenbahn rings um die Ausstellung gefahren und haben dann nachmittags die große Maschinenhalle besichtigt, wo Franz den Monteur Zscherny aus Leipzig begrüßen konnte, der die große schon erwähnte neue Pittler-Revolverdrehbank sowie die anderen Maschinen und den Kraftmesser zu zeigen und zu erklären hatte. Mit dem Omnibus fuhren sie am Abend zurück zum Hotel. Den Eifelturm haben sie bis zur 3. Etage am Vormittag ebenfalls bestiegen mit dem Fahrstuhl für 1 Fr. pro Person. Leider war der Tag nicht klar gewesen, sodass man wohl Paris aber die weitere Umgebung vom 300 Meter hohen Turm nicht deutlich sehen konnte. Am dritten Tag nahmen sie die schöne Ausstellung nochmals vor, wobei sie das Glück hatten, zu Mittag bei einem Bayern Semmeln mit Würsten zu bekommen, die sehr gut geschmeckt haben. Gegen Abend ging es durch einen Westausgang hinaus, um mit dem Omnibus und mit der Luftdruckbahn direkt zum Bahnhof zu fahren. Dabei vergaßen sie den Regenschirm im Omnibus, den Volt sofort holte, ohne die Luftdruckbahn zu verpassen. Gegen 10 Uhr abends haben sie sich dann verabschiedet, da Franz mit Elsa nach Brüssel und Volt nach Frankfurt/M fuhr. Später haben sie sich noch des Öfteren über ihre Parisreise unterhalten, denn auf der Rückreise von Versailles nach dem Südbahnhof Montparnasse war die Fahrt zwar sehr primitiv, aber interessant. Die Gegend war sehr schön hügelig, es ging über Störes, Abendon und der Zug war wenig besetzt. Man konnte bequem vom Inneren des Wagons über eine Treppe auf das Dach des Wagens steigen und die Landschaft vom Dache aus betrachten, wobei sie nur beim Durchfahren der Brücken acht zu geben brauchten. Sie sind auch während der Rückfahrt stellenweise oben auf den Wagen gestiegen, um die schöne Landschaft zu bewundern.

In Brüssel und Mecheln haben sie sich nicht lange aufgehalten und sind über Lüttich, Verviers, Aachen, Köln in 18 bis 20 Stunden nach Leipzig zurückgefahren, um schnell wieder bei den Kindern zu sein.

Die 5. Reise nach Belgien: 1902

Im Jahre 1902 waren Franz und Elsa mit den Kindern Lotte und Herbert wieder in Belgien. Zuerst fuhren sie nach Düsseldorf, wo gerade eine Industrie- und Gewerbeausstellung stattfand, die sie besucht haben. Am nächsten Tag fuhren sie über Rheydt und Aachen nach Bleyberg an der belgischen Grenze weiter, wo Franz per Post 4 Abonnementskarten für 15 Tage schriftlich bestellt hatte. Der Preis für jede Karte betrug wohl 21 Franken. Rechnet man zu der Fahrt von der deutschen Grenze bis Brüssel und dazu eine Fahrt hin und zurück von Brüssel nach Ostende, so wäre das Fahren ebenso teuer gewesen wie der Preis der Karte. Mit der Karte konnten sie nun mehrere Fahrten unternehmen, denn die Karte galt für sämtliche Strecken der belgischen Staatsbahn sowie der Gesellschaften Nord-Belge von Giret bis Lüttich, Mecheln und Temenzen. Die Übergabe der bestellten Abonnementskarten in Bleyberg erfolgte sehr schnell, sodass sie mit demselben Zug gleich weiterfahren konnten nach Verviers, wo sie in den Zug nach Brüssel umsteigen mussten. Am Nachmittag des gleichen Tages kamen sie auch glücklich in Brüssel an.

Die Hauptgrund der Reise war, dass seine Mutter, die wie alte Omas so sind, die Kinder gern einmal sehen wollte. Sie selbst, weil sie schon 51 Jahre alt war und kein Deutsch verstand, wollte nicht gern nach Leipzig die Strecke von 650 km hin und zurück fahren und so war auch Elsa damit einverstanden, noch einmal nach Belgien zu fahren. Louise hatte sich zwar im September des Jahres 1901 mit Lion de Breuck verheiratet, in ihrer Wohnung war jedoch nicht genügend Platz. So hatte sein Freund Boeck dafür gesorgt, dass sie im Hótel de Luxembourg in der Rue de Brabant gegenüber vom Nordbahnhof ein preiswertes Zimmer erhielten mit Frühkaffee und Essen nach Belieben. Sie hatten auch ein schönes großes Zimmer mit drei Betten; ein breites Ehebett und zwei Kinderbetten in der ersten Etage. Seine Schwester und seine Cousine Emma Wyngarden waren auch am ersten Tage da, um sie zu besuchen, denn auch sie waren neugierig, die Kinder und Elsa zu sehen. Am anderen Tage fuhren sie dann gleich zur Mutter nach Mecheln in die Rue de Tanneurs, die sofort mit den Kindern an jeder Hand zum Bäcker oder Konditor ging, um Bonbons oder ähnliches zu kaufen. Auch Vater van Lens war zu Hause, hat sich aber, weil er zu schneidern hatte, wenig mit ihnen abgegeben. Leider hat Franz nicht daran gedacht, nach der Erbschaft vom englischen Großvater zu fragen, da er zu der Zeit darüber keine genauen Nachrichten aus England hatte. Erst später ist ihm ein Licht über die Angelegenheit aufgegangen, natürlich, als es zu spät war. Auch waren sie im Kloster bei seiner Tante Dominika, wo sie wieder über die Taufe der Kinder gesprochen hat, ohne dass sie versprochen haben, die Kinder umtaufen zu lassen. Gegen Abend, nachdem sie zusammen Mecheln und die altem Stätten seiner Jugend besucht hatten, ging es nach dem 21 km entfernten Brüssel ins Hotel zurück. Während der folgenden Tage sind sie dann, unter Benutzung ihrer Abonnementskarten, in verschiedene Richtungen gefahren:

  1. Über Aalst, Gent, Brügge nach Ostende an die Nordsee, wo Elsa und die Kinder im Küstensand barfuß laufen konnten und Lotte sogar in eine Qualle (Meduse) getreten ist, die ihr aber nichts getan hat. Zum ersten Mal sahen Elsa und die Kinder die grüne See und haben sich beim Ansteigen der Flut, die immer sehr stark war, sehr gefreut. Gegen Abend ging es nach Brüssel zurück. Auf dem Rückweg sind sie auch in Brügge gewesen und bis zum Markt und dem alten Belfried gelaufen.
  2. Über Mecheln nach dem 44 km entfernten Antwerpen, wo sie die Quais am Ufer der Schelde und einen deutschen Passagierdampfer der Ostindischen Schiffsgesellschaft besuchten. Auch auf dem 123 Meter hohen Turm der Kathedrale, der Hauptkirche der Stadt sind sie gewesen und haben die alte Stadt und das ganze Scheldeland, das Wirtsland in Flandern von oben betrachten können. Die Tunnel unter der Schelde bestanden damals noch nicht.
  3. Über Mecheln, von wo aus sie in den Zug nach Terneuzen (Zeeland) umsteigen mussten, über Willebroek, Tamines (mit der Scheldebrücke), Saint Nicolas über die holländische Grenze nach Terneuzen an der Water Schelde in Holland, wo sie mit dem Dampfer die Water Schelde überquerten, um in Borssele abzusetzen und dann weiter nach Flessingue zu fahren (104 km). Da sie hier am Landeplatz das Verbindungsboot nach der Stadt verpasst hatten, mussten sie mindestens 4 km laufen, um in die Stadt zu gelangen. Nachdem sie Mittag gegessen hatten, haben sie sich die kleine Fischerstadt und den Badestrand angesehen und sind dann gegen 6 Uhr abends mit dem kleinen Dampfboot zum Landungssteg des Dampfers nach Terneuzen zurückgefahren, und dann von Terneuzen über Gent und Aalst nach Brüssel zurück, ohne Mecheln nochmals zu berühren (105 km). Auch diese Fahrt war sehr schön, da sie doch mindestens 4 bis 5 Stunden auf der 500 Meter breiten Schelde gefahren sind bei frischer Seeluft.
  4. Vom Nordbahnhof über den Bahnhof Quartier-Leopold, Hoeilaart, wo der Brüsseler Wein gezogen wird in Hunderten von Sonnenbeeten, Gembloux, Namur und von hier mit der Nordbahn ins Tal der Maas nach Dinant, und nachdem sie in der Nähe die Rocke Bayard einen spitzen Felsen, der am Ufer der Maas von den Felsen vollständig getrennt frei steht und eine Passage für die Straße bildet, sind sie dann durch das Tal der Lesse bis Walzin weiter gefahren. Hier haben sie das Château von Walzin, das am Ufer der Lesse steht, von unten aus bewundert, und sind dann mit der Bahn zurück nach Brüssel gefahren (ca. 95 km).

Nachdem sie noch ein- oder zweimal in Mecheln waren und auch einige Ausflüge in die Umgebung von Brüssel unternommen haben, so z.B. auch das Café seines Freundes Boeck zwischen Brüssel und Tervuren besucht haben, wo die Kinder auch mit Eseln geritten sind, und nachdem sie mit Louise, Emma und seinem Freund Boeck ein gutes Abendessen zusammen im Hotel du Luxembourg eingenommen hatten, fuhren sie über Löwen, Lüttich und Verviers zurück nach Deutschland. Kurz vor der deutschen Grenze sind sie in Limburg-Dolheim zum letzten Mal ausgestiegen, um und die große Wassersperre der Gileppe anzusehen, die der Wasserversorgung der vielen Spinnereien bei Verviers diente. Auf der bogenförmig angelegten Sperrmauerbrücke, über die eine breite Straße führte, saß ein großer Löwe aus Sandstein mit einem Gewicht von 300 Tonnen und steht 13,5 Meter hoch (über 44 Meter). Mit der Bahn, die in der Nähe vorbeifuhr, sind sie dann nach Limburg-Dolhain zurück gefahren, um den nächsten Zug nach Herbesthal zu erreichen. In Aachen konnten sie ihre belgische Abonnentenkarte wieder abliefern gegen Erstattung des Hinterlegungsgeldes von 5 Franken für jede Karte.

Von Aachen fuhren sie dann über Köln, Kassel und Halle zurück nach Leipzig, wo sie wohlbehalten in Wahren wieder anlangten.

Die 6. Reise nach Belgien: 1903

Am 11. Dezember 1903 erhielt Franz ein Telegramm aus Mecheln: seine liebe Mutter war am 4. Dezember 1903 gestorben. Er machte sich sofort auf den Weg und fuhr diesmal direkt nach Mecheln über Halle, Halberstadt, Dortmund, Düsseldorf, Mönchengladbach, Roermond durch holländisch Limburg über Hamond und Antwerpen und von hier mit dem Brüsseler Zug bis Mecheln, wo er gegen Mittag ankam und sofort zu der Wohnung der van Lens ging, um von seiner Mutter, die noch auf dem Totenbett lag, Abschied zu nehmen. Seinen Stiefvater hat er nicht zu sehen bekommen. Es kümmerte sich nur die ältere Tochter um ihn, die zwar sehr zuvorkommend war – allerdings mit einer gewissen Zurückhaltung. Von ihr konnte er nur erfahren, dass kein Geld mehr da sei und die Mutter alles selbst verwaltet hätte. Dann ging er zu seiner Tante Dominika, die ihm aber auch keine Aufklärung geben konnte. Wie es schien, war sie seit der Verheiratung der Mutter mit van Lens nicht mehr viel mit der Mutter zusammen gekommen.

Die Beerdigung fand dann am anderen Tag statt, wohl am 13. Dezember, von der Kirche Peter und Paul aus, also von derselben Kirche, von wo aus auch sein Bruder Jan und sein Vater beerdigt worden waren, aber diesmal ging es nach dem Stadtfriedhof im Norden von Mecheln.

Von Brüssel aus, wo er bei seiner Schwester übernachtet hat, unternahm Franz nur einen Ausflug nach Loth bei Brüssel, um die Drehbankfabrik „Le Proyres industriell“ des Herrn Rumpf zu besichtigen, wo ein Jahr später Herr Klette als Betriebsleiter engagiert wurde. Die Fabrik war nach dem Loewen-System gut eingerichtet und er ist dann zurück nach Brüssel, um über Lüttich, Aachen, Köln und Dortmund zurück nach Hause zu fahren.

Von der englischen Erbschaftsangelegenheit hat er nichts mehr gehört, denn seine Schwester hat mit ihm auch nicht weiter darüber gesprochen. Ob sie ihren Teil erhalten hat oder nicht, ist nicht bekannt.

Die 7. Reise nach Belgien: 1910

Im Jahre 1910 fand in Brüssel wieder eine große Weltausstellung statt und zwar auf einem neuen Gelände süd-östlich der Stadt nicht weit vom Bois de la Cambre in der Gegend von Ten Bosch. Da Deutschland auch stark daran beteiligt war, entschloss sich Franz, der inzwischen eine Stellung in Merseburg angenommen hatte, wieder nach Brüssel zu fahren und dieselbe zu besuchen, auch wenn am 14. August die belgische Abteilung, „der große Palast“, und ein Teil der französischen Abteilung ein Raub der Flammen geworden war.

Er fuhr also nach Halle und von hier über Magdeburg, Hannover, Köln und Lüttich nach Brüssel, wo ihn sein Schwager Leon, seine Schwester Louise und seine Cousine Emma Wyngarden am Nord-Bahnhof abholten. Seine Frau Elsa konnte dieses Mal nicht mitreisen, weil am 22. März 1910 in Merseburg seine Tochter Alice in der Wohnung am Markt geboren worden war und Elsa mit der Pflege des Kindes, die sie wie die beiden anderen Kinder selbst stillen wollte, viel zu tun hatte.

Diesmal konnte Franz bei seiner Schwester in der Rue Moretus Nr. 5 wohnen. Er schlief zusammen mit Leon im breiten Ehebett, während Louise mit Leons Schwester in deren Wohnung eine Treppe höher schlief. Die Ausstellung haben sie dann zusammen zwei oder drei Mal besucht einmal auch in Begleitung seiner Cousine Emma, die sich sehr freute ihren Vetter wiederzusehen. Sie lebte noch bei ihren Eltern in der Rue de Aug. Orts nicht weit von der Börse, wo ihr Vater ein gut gehendes Hutgeschäft besaß. Er war aus Lüttich, also ein Wallone, der wenig vlämisch sprach. Die Mutter war eine Schwester seines Vaters, denn sie war auch eine geborene van Himbergen. Emma fuhr des öfteren nach Lüttich oder in die Umgebung zu ihren vallonischen Verwandten.

Die deutsche Industrie war auf der Ausstellung mit vielen Exponaten vertreten. Auch Pittler hatte durch seinen belgischen Vertreter, Herrn van Hoff aus Brüssel, verschiedene Pittler-Revolverdrehbänke und automatische Drehbänke ausgestellt. Abends waren sie dann in der Gaststätte Groß-Düsseldorf, wo es ein gutes Glas Bier gab. Dort trafen sie sogar Leute aus Leipzig, die jedoch seiner Cousine Emma durch ihr lautes Benehmen nicht besonders sympathisch waren. Mit der elektrischen Straßenbahn ging es zurück nach Hause, wobei unterwegs noch ein Bier genommen wurde.

Leon hatte überhaupt seine Eigenheiten, wenn er  z. B. sonntags vormittags mit Franz in die Stadt ging, um seine Runde zu drehen. Da ging es über den Boulevard du Midi, durch die Rue des Foulons und dann quer in die Rue des Visitandimes in eine alte Brüsseler Kneipe, wo sich inmitten eines Gartens ein Zielmast für Bogenschützen befand, und es ein gutes Glas Lambic-Bier gab. Von hier ging es weiter in Richtung der Kirche St. Michael und St. Gudula und dann entweder an der Börse in seine Stammkneipe oder in die Rue van Artevelde, wo das zweite Bier genommen wurde. Von hier aus war es nicht mehr weit nach Hause, wo dann das Mittagessen schon auf sie wartete. Sehr oft, wenn Franz in der Stadt war, fand die Brüsseler Kirmes statt, wie immer auf dem Boulevard du Midi, genau noch so wie früher, als seine Mutter ihn in den Jahren 1879-80 dahin mitnahm.

Sie haben auch zusammen schöne Ausflüge in die Umgebung von Brüssel unternommen, so z.B. in den Nordosten der Stadt ins Tal von Josaphat und nach Laeken, sie waren auch in Auderghem mit Emma sowie in verschiedenen neuen Parks der Stadt Brüssel.

Da sein Sohn Herbert begonnen hatte Briefmarken zu sammeln, hat er für ihn von Brüssel und von der Ausstellung mehrere Ansichtskarten mit den verschiedenen Ausstellungsmarken geschickt. Leider ist die ganze Sammlung am 27.02.1945 durch einen Bombenangriff auf Leipzig vernichtet worden.

Da er für die Reisen nach Belgien immer eine Abonnementkarte für 14 Tage genommen hatte, um in Belgien frei überall herumfahren zu können, so muss es auch im Jahre 1910 gewesen sein, wo er die Rückreise nach Merseburg mit der Luxemburgbahn unternahm, um einen Freund in Rüsselsheim, der bei den Opelwerken als Betriebsingenieur tätig war, zu besuchen. Nun hätte er, nachdem er seine Abonnementkarte abgeliefert und die 5 Franken zurück erhalten hatte, gleich weiterfahren können, stieg aber in einen falschen Zug ein und konnte erst hinter Trier wieder aussteigen, da der betreffende Zug direkt nach Köln fuhr. Er fuhr also zurück nach Luxemburg und erreichte doch noch den letzten Zug nach Koblenz. Dann ging es über Koblenz, Bingen nach Mainz und von hier mit dem Personenzug nach Rüsselsheim, wo er wohl gegen 11 ½ Uhr abends ankam und bei dem Freund auch übernachten konnte. Am anderen Tag besichtigten sie das Opelsche Werk und die Fabrikation der Automobile. Sie gingen auch durch den Ort und nachdem sie sich über Leipzig, Pittler, die TVL und seine Stellung in Merseburg genügend unterhalten hatten, fuhr er gegen Abend weiter über Frankfurt/M, Fulda, Eisenach, Erfurt und Naumburg nach Merseburg zurück, wo seine Ansichtskarten aus Brüssel, Luxemburg usw. alle schon angekommen waren.

Reise von Merseburg nach Brüssel
Reise vonBrüssel nach Merseburg

Die 8. Reise nach Belgien: 1924

Da seit dem 20. November 1923 die Entwertung der Mark in Deutschland aufgehoben und die Goldmark wie früher wieder zu dem alten Kurs eingeführt worden war, entschloss sich Franz im Juni 1924 wieder zu seiner Schwester nach Brüssel zu fahren und die Stätten seiner Jugend zu besuchen. Er nahm in Merseburg eine Fahrkarte III. Klasse nach Aachen und fuhr über Halle mit dem Personenzug nach Halberstadt, erreichte hier den Berlin-Aachener Schnellzug, der ihn direkt ohne Umsteigen über Goslar, Soest, Elberfeld, Düsseldorf und Mönchengladbach zum Aachener Hauptbahnhof brachte, wo er dann nach Lösung einer Fahrkarte in einen Personenzug stieg bis zur belgischen Grenze, und zum ersten Mal nach dem Weltkrieg wieder mit belgischem Eisenbahnpersonal in Berührung kam. Die Passangelegenheit ging, da er einen holländischen Pass vorweisen konnte, ohne weiteres vonstatten. Die Beamten waren ihm gegenüber sehr zuvorkommend, und so kam er ohne weitere Formalitäten nach Astenet, der neuen Grenzstation, wo er so viel Zeit hatte, sich ein fünfzehntägiges Abonnement für die belgischen Staatsbahnen ausschreiben zu lassen. Da er schon in Leipzig am Hauptbahnhof etwas Geld umgetauscht hatte, konnte er mit demselben Personenzug gleich nach Herbesthal weiterfahren. Dort erst fand die Zollrevision statt, die auch glatt erledigt werden konnte, da Franz nichts Verzollbares bei sich hatte. Mit dem nächsten Zug ging es dann weiter über Verviers und Lüttich nach Brüssel, wo er nach 14 Uhr ankam und von seiner Schwester Louise am Nordbahnhof freudig begrüßt wurde. Es waren nun doch 11 Jahre vergangen, seit Louise und Léon uns zum Turnerfeste im Jahre 1913 in Leipzig besucht hatten. Die Wiedersehensfreude war also entsprechend groß. Sie führen gleich zur Rue Moretus mit der Tram Nr. 15 den westlichen Boulevard entlang bis zum Anderlechter Tor. Nach dem Mittagessen ging es gleich in die Stadt, um León zu besuchen.

Mit seinem Abonnement konnte Franz nun 15 Tage lang durch ganz Belgien reisen. Sein erster Weg führte ihn nach Mecheln, um dort durch die bekannten Straßen und Plätze zu laufen. Die elektrische Schnellbahn ging wohl noch nicht und so fuhr er nochmals mit der alten Dampfeisenbahn in die Heimatstadt, die mindestens um 20000 Einwohner größer geworden war seit dem Jahre 1888, als er sie verlassen hatte. Da sie immer noch der Sitz des Erzbischofs war und somit der geistliche Mittelpunkt des Landes, waren die Straßen durch die schwarzen Röcke der Pastoren und Nonnen so wie früher unheimlich belebt. Seine Tante Dominika, die schwarze Schwester, lebte leider nicht mehr. Sie musste während des Weltkrieges mit den anderen Schwestern des Klosters der schwarzen Nonnen vor den Deutschen nach Holland fliehen und war dort gestorben.

Mecheln, französisch Malines, hatte in den Kriegsjahren 1914-1918 – besonders in den ersten Monaten von August bis Oktober 1914 – viel zu leiden gehabt, da es zwischen den deutschen und den belgischen Linien lag und von beiden Seiten beschossen wurde. Die Hauptkirche Sankt Romuald (Franz. Saint Rombaut) wurde beschädigt, da sich oben Beobachtungsposten aufhielten. Auch ein Teil der Wohnhäuser wurde durch Feuer zerstört, ganz besonders das Viertel, wo seine Mutter in der Rue de Beguines gewohnt hatte, ebenso der Viehmarkt les Bailles de Fer, den er von früher her gut kannte. Es war jedoch von den Schäden nicht mehr viel zu sehen, da während der letzten 10 Jahre auf deutsche Kosten alles wieder ausgebessert worden war. Auch am Bahnhof, wo nach Ansichtskarten und Zeitungsbildern verschiedene Hotels durch Granaten getroffen und stark beschädigt worden waren, war von den Zerstörungen nicht mehr viel zu sehen. Er ging also weiter durch die Rue Conscience und das ihm bekannte Egmonter Tor in die Stadt und über den Fluss „die Dyle“ in den botanischen Garten, der sich nicht weiter verändert hatte. Auch die Athenée, wo er kurz zur Schule auf Veranlassung seines Vaters gegangen war, stand noch genauso da wie früher. Durch den Bruul wanderte er weiter zum Grote Markt mit den alten Giebelhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert und dem Standbild der Margerete von Österreich. Die Löcher in der Kathedrale, die durch Granatenbeschuss entstanden waren, waren noch zu sehen. Leider fehlten an der Uhr des 97 Meter hohen Kirchturms die Zifferblätter, während das Glockenspiel noch in Ordnung war und sich alle 7 ½ Minuten hören ließ. Dann ging er durch Die Rue de Beffer und die Kaiserstraße zum Nekkerspool und die äußeren Boulevards am Umleitungsfluss entlang zum Porte de Liene, wo er eine Erneuerungstafel entdeckte, die sich auf die Besatzung der Deutschen und auf die Erschießung von Bürgern durch die Barbaren bezog, es waren wohl mehrere Hundert Menschen gewesen, die erschossen worden waren. Er ging weiter um Mecheln herum und staunte am Antwerpener Tor über den ziemlich dichten Autoverkehr, der durch Polizisten geregelt wurde; es war bald wie in der Großstadt sogar mit Lichtsignalen an der alten Brücke, die über den alten Befestigungsfluss führte. Durch die Rue Sainte Cathérine ging er zurück zum großen Markt, an der Hauptkirche vorbei und über die Builles de fer, wo er früher seine Tante des öfteren besucht hatte, die wieder aufgebaut worden war, und die Hoogstraat entlang zum alten Brüsseler Tor und so zurück zum Bahnhof, ohne zu vergessen durch die Rue de d’Arsenal zu gehen, wo er früher mit seinen Eltern gewohnt hatte. Vom Ausflug sehr befriedigt, kam er nach Brüssel zurück, wo er Léon in der Stammkneipe am Boulevard d’Anvers beim Biertrinken wieder traf.

Zum ersten Mal nach dem Weltkriege kam er auch mit der Bahn nach Ypern, wo er sich die Beschädigungen ansehen wollte, die der Stadt während des Krieges zugefügt worden waren. Von der Zerstörung der Stadt selbst war auch hier nicht mehr viel zu sehen, denn die Häuser waren meistens wieder aufgebaut, nur der Bahnhof bestand noch aus Holzgebäuden, ebenso die Hallen, von denen nach der Beschießung im November 1914 nur wenige Trümmerreste stehen geblieben waren. Die Südseite der Hallen war schon wieder neu hergestellt und zwar genau so, wie es früher gewesen war. Auch der Turm war bereits wieder hoch gebaut worden, nur an der Nordseite der Hallen musste man durch eine Ruine gehen. Auch die Kirche St. Martin hinter den Hallen, die ebenfalls schwer beschädigt worden war, war seit 1922 schon wieder im Aufbau begriffen. Am Ende der Rue de Menin besuchte er das Ehrendenkmal für die bei Ypern gefallenen englischen Soldaten und Offiziere in Gestalt eines mächtigen Triumphbogens, auf dessen Innenwänden die Namen der Gefallenen verzeichnet sind. Auch die schönen Promenaden auf den alten Wällen rings um die Stadt waren wieder hergestellt worden. Zuletzt besuchte er noch eine alte Kirche in der Rue de Lille (Peterskirche), die ebenfalls wieder aufgebaut worden war, wo er eine Bekanntmachung des Klerus entdeckte, welche den Mädchen quasi verbot, in kurzen Röcken und unbedeckten Armen zur Kirche zu kommen, denn es wäre Sünde, ungenügend bekleidet zu gehen. Ob die Bekanntmachung immer noch aushängt, sei wohl zu bezweifeln, vielleicht haben sich die Priester inzwischen an die Nacktheit der Damen gewöhnt, denn seit diesem Besuch und seiner biographischen Niederschrift im Jahre 1946 waren doch 23 Jahre vergangen. Franz war auch in der Kirche und ist dann wieder zum provisorischen Bahnhof gelaufen, um über Kortrijk nach Brüssel zurück zu fahren.

Dass er wieder in Antwerpen war, muss wohl nicht  erwähnt werden. Er entsinnt sich, am Quai dicht beim Aufgang zur erhöhten Nordpromenade der Schelde eine große Tüte Patate frites gekauft und gleich gegessen zu haben. Auch eines der Nordseebäder, Ostende oder Blankenberghe, hat er in dieser Zeit besucht. In Löwen war er ebenfalls, um die Beschädigungen durch den Weltkrieg zu inspizieren. Aber sämtliche durch die Deutschen in Brand gesetzten Gebäude in der Bahnhofstraße waren wieder aufgebaut, wobei zur Identifizierung der betreffenden Häuser in ca. 2 bis 3 Meter Höhe ein besonderer Stein eingemauert war mit einer niedergelegten Fackel. Er besuchte auch das neue Universitätsgebäude auf dem Place du Temple mit der neuen Universitätsbibliothek, einer amerikanische Stiftung im Stil der flämischen Renaissance mit einem Turm von 87 Metern Höhe. Auch die Häuser rings um den Marktplatz waren neu gebaut worden, nur die Peterskirche war noch nicht wieder hergestellt, die teilweise durch den Brand vom 25. August 1914 zerstört worden war. Das schöne Rathaus, das schönste unter den vielen schönen Profanbauten in Belgien, hatte durch den Krieg überhaupt nicht gelitten. In einem Laden kaufte er sich einige Ansichtskarten und fuhr dann nach Brüssel zurück.

Da er Helene Henkel, mit der er inzwischen verlobt war, versprochen hatte, das Grab ihres Mannes in Waterloo zu besuchen, fuhr er auch von Brüssel mit der Eisenbahn über Löwen nach Aerschot, der Stadt, die ebenfalls 1914 durch die deutschen Besatzungstruppen erheblich gelitten hatte. Am Bahnhofplatz jedoch, wo er einkehrte, war nicht mehr viel zu entdecken; alles war wieder aufgebaut. Auch die Wirtin der Gastwirtschaft erzählte ihm, dass vom Kriege nicht mehr viel zu sehen war. Er fuhr also von Aerschot weiter mit der Dampfstraßenbahn über Hersselt nach dem Dorf Waterloo, das an der Straße von Aerschot nach Turnhout liegt, wo er gleich in einem der vielen Gasthöfe (Estaminets und Hotels) erfuhr, dass die drei von den Belgiern erschossenen deutschen Soldaten auf dem Friedhof neben der Kirche begraben lägen. Nachdem er seine Zeche bezahlt hatte, ging er zum Friedhof und fand auch bald seitlich der Kirche das Grab mit dem Stein, worauf die Namen der drei Deutschen eingemeißelt waren. Zwischen den Einfassungen waren aber keine Blumen oder Pflanzen zu sehen, sondern nur etwas Unkraut. Nachdem er durch den katholischen Friedhof gegangen war, kehrte er zum Gasthof zurück, wo die Wirtin ihm erzählte, dass die Soldaten vor ihrem Hause zusammen gefallen wären, was jedoch nicht den Tatsachen entsprach, wie sie später erfuhren. Er musste also, ohne Weiteres vernehmen zu können, mit der Dampfstraßenbahn (Société nationale des chemins de fer vicinaux de fer vicinal) auf dem gleichen Weg wie er gekommen war, nach Aerschot zurück fahren und von hier über Löwen, wo er noch einmal die stille Stadt besuchte, nach Brüssel zurück. Zuletzt ist Franz noch über Namur nach der schön gelegenen Stadt Dinant an der Maas gefahren, um sich ein Bild von den Kriegsschäden zu machen. Auch hier, wo die Mehrzahl der Bewohner nicht deutschfreundlich eingestellt ist, war nicht mehr viel zu sehen. Im Verlauf der Kämpfe am 24. August 1914, an denen sich auch die Bevölkerung beteiligte, war ein großer Teil der Stadt zerstört worden. Ein großes weißes Denkmal informierte darüber, dass über 600 Einwohner von den deutschen Barbaren erschossen worden waren. Während der Kämpfe im August 1914 wurden auch der Barockhelm und das Kirchendach von Notre Dame zerstört. Von den Zerstörungen war ebenfalls nichts mehr zu sehen. Einige an verschiedenen Häusern angebrachte Tafeln erinnerten daran. Nachdem er am Maasufer die Straße nach Anseremme bis zu dem Bayardfelsen gewandert war, um ihn wieder einmal zu betrachten (im Jahre 1887 hatte er mit den Kollegen des Instituts cartographique militaire diese abgezeichnet), kehrte er zur Stadt zurück, um mit der Bahn über Namur nach Brüssel zu gelangen. Bevor er nach Merseburg zurückfuhr, besuchte er auch die Belgien zugesprochenen Städte Eupen und Malmedy bei Aachen. Er fuhr also bis Herbesthal und von hier mit der Nebenbahn, die von der belgischen Staatsbahn übernommen worden war, nach Eupen, wo noch die alten belgischen Tafeln über Ankunft und Abfahrt der Züge vorhanden waren. Nach einem Rundgang durch die Stadt, die durch den Versailler Vertrag von 1919 mit dem Kreise von Malmedy an Belgien gekommen war, kehrte er in der Nähe des Bahnhofs in einer Kneipe ein, wo die Wirtin, eine Deutsche, ihm erzählte, dass sie sich an die belgischen Verhältnisse und die französische Sprache nicht mehr gewöhnen könne. Die Kinder jedoch müssten Französisch in der Schule lernen. In späteren Jahren, als er wieder bei ihr einkehrte, war sie schon ganz umgewandelt. In Malmedy, wo er von Brüssel aus direkt hinkommen konnte ohne umzusteigen, besuchte Franz das Kriegerdenkmal der Heimattreuen, die im Weltkrieg für Deutschland gefallen waren und welches noch in deutscher Sprache geschrieben war. Die Bezeichnungen der Straßen waren meistens in französischer Sprache, da fast alle Bewohner Walonen waren. Auch die Geschäfte hatten  französische Namen. Die Bahn von Stavelot nach Malmedy über die frühere Grenze war aber erst nach 1920 gebaut worden.

Die 9. Reise nach Belgien: 1926

Da seine Schwester Louise im Jahre 1926 im Monat September mit León ihren 25. Hochzeitstag feiern wollte und sie dazu eingeladen hatten, fuhren sie zusammen, Helene und Franz, während seiner Ferien nach Brüssel, allerdings nicht direkt, sondern, da Helene ihre Schwägerinnen in Braunschweig gern einmal besuchen wollte, über Braunschweig, wo sie die beiden auch getrennt wohnend antrafen. Während Helene bei der einen Schwester wohnte, übernachtete Franz bei der anderen in der Wohnung des alten Herrn, wo sie als Pflegeschwester angestellt war. Sie blieben wohl 2 Tage dort und haben Braunschweig zusammen angesehen und auch das berühmte Bier, „Mume“ genannt, in einem Lokal probiert. Nachdem Helene sich mit ihren Schwägerinnen genügend ausgesprochen hatte, fuhren sie eine Nacht durch, als sie bereits vor Hannover aus dem Zug mussten, weil die Achsen des Wagens heiß gelaufen waren. Leider war es ein Personenzug, sodass die Fahrt bis Düsseldorf sehr lange dauerte, wenn er auch nicht überall anhielt. In Düsseldorf war sein Sohn Herbert schon am Bahnhof, um sie abzuholen und so gingen sie auch nach herzlicher Begrüßung in die Gustav-Poens-Straße, wo seine Wirtin ihnen einen Kaffee kochte und sie frühstücken konnten. Dann ging es in die Stadt, die Franz von früher schon kannte, während Helene bei der Wirtin zu Hause blieb. Herbert zeigte ihm das Wilhelm-Marx-Haus, ein Hochhaus am Hindenburgwall mit herrlicher Fernsicht von der Plattform aus über Düsseldorf und den Niederrhein. Das Haus hat 14 Stockwerke und wurde im Jahre 1924 erbaut. Dann ging es zur Rheinbrücke, die Düsseldorf mit Oberkassel verbindet und zurück zur Wohnung zum Mittagessen, das Helene zusammen mit der Wirtin inzwischen fertig gestellt hatte. Gegen Abend gingen sie dann zusammen in die Stadt und sind auf Herberts Vorschlag im sogenannten „Schiffchen“ eingekehrt und bei einem guten Glas Bier sehr gut zum Abend gegessen. Am anderen Tag ging es dann weiter von Düsseldorf nach Aachen über Mönchengladbach-Reydt und von hier bis zur belgischen Grenze mit einem belgischen Zug. Franz hatte, da eine Fahrt von der Grenze bis Ostende und zurück ebenso teuer war wie ein 14tägiges Abonnement auf die belgischen Bahnen für jeden eine Abonnentenkarte beim Leipziger Messamt bestellt, sodass sie nun mit jedem Zug in Belgien überall hin fahren konnten, ohne besondere Karten zu lösen. An der belgischen Grenze war nur Passkontrolle und in Herbesthal Zollrevision und Passkontrolle für Belgien. Dann ging es gleich weiter bis Verviers, und von hier mit einem belgischen Zug nach Brüssel über Lüttich, weil der Aachener Zug nach Paris fuhr. Gegen 13 Uhr kamen sie am Nordbahnhof in Brüssel an, wo León, Louise und seine Cousine Emma Wyngarden sie am Eingang schon erwarteten. Dann ging es mit der Straßenbahn Nr. 15 nach der Rue Moretus Nr. 5. Sie waren nun in Brüssel und besuchten mit León die innere Stadt, ganz besonders den großen Markt mit dem schönen Rathaus im gotischen Stil aus dem XV. Jahrhundert und dem 90 Meter hohen Turme, dessen Spitze eine 4 Meter hohe Statue des heiligen Michael, des Stadtpatrons, aus vergoldetem Kupfer trägt.

Grote Markt
Grote Markt

Auch die um den Markt befindlichen Zunfthäuser hat Helene sehr bewundert. Über das bekannte Denkmal von Manneken-Pis ging es dann weiter

Männeken Piss
Männeken Piss
Der Justizpalast
Der Justizpalast

zum Justizpalast einer der größten Kolossalbauten Europas von 180 Metern Länge und 170 Meter Breite und einer Kuppel von 122 Metern Höhe. Da das Gebäude auf dem höchsten Punkt der Stadt erbaut ist, hat man von hier aus eine schöne Fernsicht über ganz Brüssel und die Umgebung. Bei schönem Wetter sieht man auch den Turm von Saint Rombaut in Mecheln 22 km weit von hier entfernt. Von der Kuppel oben sieht man auch den Dom von Antwerpen. Dann kehrten sie mit León und Louise dort ein, wo León gewöhnt war hinzugehen. Da Helene das Brüsseler Bier nicht schmecken wollte, trank sie nur Helles, während Franz froh war, wieder Faro oder Lambic trinken zu können. Am anderen Tag fuhr er mit Helene nach Brügge und Ostende, wo sie zum ersten Mal das Meer zu sehen bekam und darin bis an die Knie hin- und herlaufen konnte. In Brügge sah sie

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auch den Belfried aus dem 13. Jahrhundert, der 85 Meter hoch ist mit dem Glockenspiel sowie die anderen altertümlichen Gebäude aus dem Mittelalter und fuhren dann über Gent zurück nach Brüssel. Da sie sich vorgenommen hatten, das Grab ihres ersten Mannes in Waterloo in der Provinz Antwerpen zu besuchen, fuhren sie an einem der nächsten Tage über Löwen nach Aerschot und von hier mit der Dampfstraßenbahn nach Waterloo, wo das Grab im Friedhof um die Kirche noch zu finden war. Der Stein mit den 3 Namen der gefallenen Soldaten war nicht gepflegt worden und vollständig ohne Blumen. sie machten sich gleich auf den Weg, um Blumen zu kaufen und kamen auf dem Weg nach Sheel an einer Gärtnerei vorbei, wo die Frau des Gärtners sie sehr bedauerte und ebenfalls auf den bösen Krieg mitschimpfte und bereitwillig verschiedene Blumen aushändigte. Sie erzählte auch, wie die Gefangennahme erfolgt war, da die Sache nicht weit von der Gärtnerei passiert war. Die 3 Mann, die auf Erkundigungsmarsch waren, wurden plötzlich von einem belgischen Militärautomobil überrascht und durch Maschinengewehre auf der Stelle getötet. Darauf zog sich das Automobil zurück nach Antwerpen und die Soldaten wurden ins Dorf zurückgebracht; sie wurden auf dem Friedhof um die Kirche beigesetzt unter militärischen Ehren und lagen noch dort. Die deutschen Gräber wurden von der Deutschen Gräberfürsorge gepflegt, aber wie es schien, waren sie  in letzter Zeit sehr vernachlässigt worden, denn der Krieg war nun schon seit 1918 also seit 11 Jahren vorbei. Sie gingen zum Friedhof zurück und Helene bepflanzte das Grab und begoss es auch. Danach aßen und tranken sie im Restaurant und fuhren dann mit der nächsten Dampfstraßenbahn nach Heyst. cop. ten Berg, von wo aus sie mit dem nächsten Zug über Lier nach Antwerpen fuhren, weil Franz Helene auch die große Hafenstadt, die ihm gut bekannt war, zeigen wollte. In Antwerpen angekommen, gingen sie vom Zentralbahnhof

Zentralbahnhof Antwerpen
Zentralbahnhof Antwerpen

durch die innere Stadt am Dom vorbei zum Hafen, wo sie das Ein- und Ausladen der großen überseeischen Dampfer gut beobachten konnten, wofür sich Helene sehr interessierte.

Die Schelde
Der Hafen an der Schelde

Dann fuhren sie mit der Straßenbahn zurück zum Zentralbahnhof, um mit dem Blockzug nach Brüssel zurück zu kommen, wobei sie in Mecheln am Friedhof vorbei fuhren, wo seine Mutter begraben wurde. Sie sind dann zusammen auch von Brüssel nach Blankenberge gefahren, um die See noch einmal zu sehen und sind auch dort auf dem Damm, der 10 Meter über dem Meer liegt und 2 ½ km lang ist, spazieren gegangen. Der Damm ist von Hotels und Pensionen eingefasst, aber der Blick über das weite Meer ist ebenso herrlich wie in Ostende nur nicht ganz so frei. Am Ende des Dammes haben sie noch den 350 Meter langen Pier angesehen, der während des Weltkrieges von der englischen Artillerie zerstört wurde, aber wieder hergestellt worden ist. am 12. September 1926 waren sie zur 25jährigen Hochzeitsfeier im Volkshaus in der Rue Joseph Stevens, das Haus der Sozialistischen Partei, wo die Feier in einem kleinen Saal abgehalten wurde, der schön eingerichtet worden war für die Feier. Der große Tisch war mit vielen Blumen bedeckt und das Essen war ausgezeichnet. Auch der Wein war sehr gut. Sie haben sich auch mit den übrigen Gästen sehr gut unterhalten, selbst Helene die weder flämisch und noch weniger französisch verstand, hat sich gut mit den Leuten verstanden, besonders mit einem Herrn aus Hasselt, der auch etwas deutsch unter seinem Limburger Vlämisch sprach. Sie waren auch vormittags in der Kirche Notre Dame du Sablon, obwohl León nicht für die Kirche eingenommen war.

Nach der Feier wollte Helene aber möglichst schnell nach Deutschland zurück, weil sie doch zu wenig verstehen konnte. Franz hatte seine Not, sie zu veranlassen, noch etwas zu bleiben. Sie hatte jedenfalls Sehnsucht nach ihren Verwandten in Offenbach und Schlierbach und nach zu Hause. Auf dem Weg zum Nordbahnhof begleitete sie seine Schwester und León, wobei ich leider feststellen musste, dass León verdrossen war, denn er war nicht so bereitwillig, den Koffer mitzutragen wie sonst, ob ihm ihre Geschenke zu gering waren, die Helene mit Louise ausgesucht hatte oder ob sie zu der Hochzeitsfeier etwa etwas beitragen sollten, wusste Franz nicht. Die Sache kam ihm nicht richtig vor, trotzdem seine Schwester ihm unterwegs gut zusprach. Sie fuhren aber trotzdem mit Handschlag und Kuss voneinander ab und fuhren mit dem durchgehenden Zug nach Köln, wo sie früh morgens vor 6 Uhr ankamen. An der Grenze hatten sie keine Schwierigkeiten. Vom Hauptbahnhof gingen sie in den nahe liegenden Dom, wo bereits die Messen gelesen wurden. Helene war froh, dass sie wieder deutsch sprechen hörte. Nachdem sie einen Rundgang durch die schöne Kirche gemacht, an der sechs Jahrhunderte gebaut worden war, die 7 Kapellen um den Hochaltar angesehen hatten, kamen sie durch das Süd-Tor wieder heraus, um zu frühstücken. Inzwischen war es, nachdem sie die Schiffe am Rheinufer angesehen und die Hohenzollern-Brücke bis zur Hälfte besichtigt hatten gegen 9 Uhr geworden, um zurück zum Bahnhof zu wandern und mit dem nächsten Zug den Rhein entlang in Richtung Wiesbaden – Frankfurt/M zu fahren.

Die Reise mit dem Rade von Leipzig nach Paris: 1928

Da Franz nach seiner verunglückten Radfahrt mit seinem Kollegen Lindner nach Paris im Jahre 1927 bei der Firma Pittler gleich am 3. Osterfeiertag weiter gearbeitet hatte, konnte er seine Ferien für das Jahr 1928 später nehmen und so entschloss er sich, die Fahrt nach Paris allein im Spätsommer zu unternehmen, um zu beweisen, dass er durchaus in der Lage sei, eine solch anspruchsvolle Radtour zu bewältigen.

Und so fuhr er während seines Urlaubs – Helene wollte sich bei ihren Verwandten in Wormstedt erholen – an einem Sonnabend gegen 1 Uhr mittags von der Fabrik in Leipzig-Wahren aus mit dem Rade und mit etwas an der Lenkstangengabel befestigtem Gepäck los. Sein Weg führte ihn über Leutzsch nach Schönau und von hier wieder über Markranstädt am Gustav-Adolf-Denkmal vorbei – genauso wie mit Lindner – weiter über Weißenfels, Naumburg an der Saale, Bad Kösen, Bad Sulza diesmal der sehr bergigen Hauptstraße entlang. Wobei er bei der Abfahrt bis zum Markt bald gestürzt wäre, da die steinige Straße ausgesprochen holprig war. Aber glücklicherweise behielt er die Gewalt über das Rad. Am Markt stieg er ab, um in einem Drogeriegeschäft einige Stangen Schokolade zu kaufen, um sie unterwegs zu verzehren. Dann ging es weiter der Hauptstraße entlang über die romantische überdachte Thüringer Ilmbrücke vor Dornburg, wo er die Tochter von Frau Henkel, die hier wohnte, besuchen wollte, ohne sie jedoch anzutreffen. Deren Mann Hartung war damals wohl schon in Hamburg oder Helgoland beim Marine-Amt angestellt. Er fuhr weiter bis Obertrebra, schlug links den Verbindungsweg nach Wormstedt ein, der sehr steil hinauf zu der großen Linde führt, und radelte von hier über Pfulsborn wieder bergab nach Wormstedt, wo er gegen 8 Uhr abends ankam und Helene auch antraf.

Der erste Tag: Leipzig-Wahren – Leipzig-Leutzsch – Markranstädt – Weißenfels – Naumburg – Bad Kösen – Bad Sulza – Obertrebra – Dornburg – Wormstedt  

Am anderen Morgen, es war Sonntag, wollten Helene und die Schwägerin Thekla ihn nicht fahren lassen, er solle doch lieber bei ihnen bleiben, aber er ließ sich nicht von seinem Plan abbringen und fuhr gegen 8 Uhr morgens mit dem Rade weiter nach der 6 km entfernten Stadt Apolda und von hier über Niederreißen und Schwerstedt, ohne jedoch hier einzukehren, dieselbe Strecke – wie vorher mit Lindner – über Erfurt, Tüttleben, Gotha ohne Unterbrechung bis Eisenach, wo er sich entschloss, es war gegen 18 Uhr, gleich durch die Stadt weiterzufahren über den Markt und die Frankfurter Straße die schöne glatte ansteigende Straße zum Rennsteig hinauf, die er bis kurz vor dem Rennsteigübergang befahren konnte. Dann ging es leicht bergab nach Förtha und bis Marksuhl – 112 km von Wormstedt, wo er sich entschloss zu übernachten. Nach dem Abendessen legte er sich gleich hin und schlief tadellos bis Montag früh gegen 5 Uhr durch.

Der zweite Tag: Wormstedt – Apolda – Niederreißen – Erfurt – Tüttleben – Gotha – Eisenach – Rennsteig – Förtha – Marksuhl

Nach Einnahme des Kaffees ging es dann gegen 6 Uhr früh bei leichtem Regen auf steigender Straße bis zum Hautsee, wo er abstieg, um die idyllisch schimmernden Inseln mit den darauf wachsenden Bäumen zu bewundern. Dann fuhr er weiter bergab nach Dönges am Schergeshof vorbei nach Kieselbach und am Kniebachshof vorbei und hinein nach Vacha. Dann ging es leicht ansteigend auf schlechter Straße nach Sünna und über Hüttenroda ziemlich ansteigend nach Butlar. Über die Ustenbrücke und zwei Bahnkreuzungen immer mehr ansteigend nach Rasdorf und dann zwischen dem Stallberg (550 Meter hoch) und dem Hübelsberg (479 Meter hoch) wieder hinab nach Neuwirtshaus. Hier löschte er erst einmal seinen Durst an einem offenen Brunnen. Dann fuhr er ins Hannetal weiter über Rückers, Marbach, am Leipziger Hof vorbei nach Fulda (60 km von Marksuhl) hinein, wo er in einem ihm von früher her bekannten Restaurationsgarten zu Mittag aß und sich dazu ausnahmsweise ein gutes Bier genehmigte. Nachdem er sich ca. 1 Stunde ausgeruht hatte, ging es weiter nach Süden der Fulda entlang über Bronnzell, Löschenrod, Kerzell, Dorfborn, Neuhof.

Zwischen Dorfborn und Neuhof war die Straße frisch geteert worden und mit Streusand überworfen, sodass die kleinen Steinchen am Mantel des Vorderrades kleben blieben. Dadurch wurde der Mantel beschädigt und es dauerte nicht lange, so war die Luft aus dem Vorderrad entwichen, sodass er nicht weiterfahren konnte. Er schob das Rad bis Neuhof, wo er eine Reparaturstelle fand und unter Beihilfe des Meisters das Rad wieder flicken konnte.

Es ging nun weiter über Flieden, der Bahn entlang über den 3560 Meter langen Distelrasentunnel. Dann ging es steil hinab nach Schlüchtern und wieder nach Niederzell, wo Franz sich entschloss zu übernachten. Durch den Unfall bei Neuhof hatte er an diesem Montag nur 93 km zurückgelegt. Er hatte sich vorgenommen, bis Schlierbach zu fahren, um die Schwester von Helene, Martha Schade, zu besuchen und dort zu übernachten. Er fand aber in Niederzell ein passables Quartier und einem kleinen Gasthof, wo er auch gut zu Abend gegessen hat.

Der dritte Tag: Marksuhl – Dönges – Kieselbach – Vacha – Sünna – Buttlar – Rasdorf – Fulda – Niederzell

Am anderen Morgen fuhr er Richtung Frankfurt/M ins Kinzigtal über Ahl, Salmünster, Aufenau, Wächterbach, wo die Straße nach Schlierbach nach Norden abzweigt, dann durch den Wald über Kaltenborn und Haitz nach Gelnhausen. Ohne Aufenthalt ging es weiter durchs Tal der Kinzig über Lieblos, Rothenbergen, Langenselboldt und Hanau, welches er umfuhr, um über die Mainbrücke nach Kleinsteinheim zu gelangen und auf der Straße südlich des Mains über Dietesheim, Bürgel nach Offenbach zu gelangen, wo er durch die Stadt nach der Sennefelder Straße Nr. 25 fuhr, um August und Rose Löb zu besuchen, die Schwester von Helenes ersten Mann. Da es erst kurz nach Mittag war, hatte er also von Niederzell aus nur 63 km zurückgelegt und blieb hier bis Mittwoch früh.

Der vierte Tag: Niederzell – Aufenau – Gelnhausen – Lieblos – Hanau – Bürgel – Offenbach

Das Wetter war bisher sehr schön gewesen ohne Regen und nicht zu  warm, sodass er ohne große Mühe die Strecke von Wahren bis Offenbach hintereinander zurücklegen konnte mit Halt in Wormstedt, Marksuhl und Niederzell. Von Wahren aus hatte er in drei Tagen 343 km geschafft. Da es am Mittwoch früh nach einem starken Gewitter noch regnete, konnte er erst gegen 9 Uhr die Weiterfahrt antreten. Er nahm Abschied von Rose Löb, da August schon früh zum Dienst gegangen war, und fuhr gleich um die Ecke in die Sprendlinger Straße, um diese Straße entlang durch den 6 km langen Wald nach Langen zu kommen an der Buiers Eich vorbei und Arheilgen nach Darmstadt (28 km), wo er gleich in die Kuhlertstraße fuhr, um Bekannte zu besuchen. Vor einigen Jahren, als er mit Helene zum ersten Male in Offenbach waren, war er schon zu Besuch da gewesen. Er wurde auch gleich zum Frühstück eingeladen und fuhr dann, nachdem er gut gegessen hatte, durch die Stadt weiter die Heidelberger Straße zu nach Eberstadt, um bei Bickenbach die schöne Bergstraße zu erreichen. Durch Zwingenberg und Auerbach ging es dann dem Odenwald entlang weiter, um in Bensheim nach Westen abzubiegen und über Lorsch an der Torhalle, der alten Kapelle, dem Rest des Klosters Lorsch aus der Zeit der Karolinger (764 gegründet) vorbei und den 6 km langen Lorschwald nach Bürstadt und über die große Rheinbrücke, die über 300 Meter lang ist, nach Worms zu gelangen, wo er in der Nähe des alten Domes abstieg, um den Dom und den Marktplatz näher anzusehen (72 km von Offenbach). Auf dem Markt kaufte er sich eine Banane und etwas Obst, welches er mit dem Brötchen, das ihm die Bekannte mitgegeben hatte, gleich aß und erkundigte sich bei dem dort stehenden Schutzmann nach der Straße Richtung Kaiserslautern, die dieser ihm bereitwillig zeigte. Es war die Speyerer Straße und die Horchheimer Straße, die über die Eisenbahn führte und die er verfolgte über Horchheim, Grünstadt links lassend, bis Ebertsheim, wo er 21 km von Worms entfernt gegen 8 Uhr abends ankam, um dort zu übernachten. Von Offenbach hatte er also an diesem Mittwoch nur 93 km zurückgelegt, weil er durch das Gewitter am Morgen erst nach 9 Uhr von Offenbach abfahren konnte. Er trank ein Glas Bier und bekam vom Wirt ein gutes Brot mit fetter Leberwurst, wodurch er wunderbar satt wurde. Leider bekam ihm das Essen nicht, denn es dauerte nicht allzu lange, da musste er hinaus, um alles wieder zu erbrechen. Er legte sich darauf gleich zu Bett und war am nächsten Donnerstag wieder in Ordnung zum Weiterfahren.

Der fünfte Tag: Offenbach – Langen – Arheilgen – Darmstadt – Eberstadt – Bickenbach – Lorsch – Bürstadt – Worms – Horchheim – Ebertsheim

Um 6 Uhr früh fuhr er los durch die Ausläufer der Haarth über Eisenberg, Asselheim und Ramsen über eine sehr bergige Straße, wo er öfters das Rad schieben musste und dann bergab über Alsenborn und Eselsfurth nach Kaiserslautern, wo er bei einem Glas Weißwein gut frühstücken konnte. Dann fuhr er durch die Pariser Straße weiter die sogenannte Kaiserstraße entlang über Landstuhl an der Sickinger Burg vorbei und über Hauptstuhl, Mühlbach und Vogelbach nach Homburg, wo damals die Grenzkontrolle zwischen Deutschland und Frankreich war. Mit seinem holländischen Pass ließen die französischen Offiziere ihn mit dem Rade ohne weiteres durch noch dazu, wo er mit ihnen französisch sprechen konnte, und so konnte er gleich, nachdem er den Zoll für das Rad gegen eine Quittung von ungefähr 300 fr. hinterlegt hatte (ungefähr 30 RM) weiter fahren und in Homburg in einem kleinen Café eine Tasse Kaffee und ein paar Stückchen Kuchen einnehmen, was ihm sehr gut tat, denn er hatte von Ebertsheim aus schon 68 km zurückgelegt und bis Saarbrücken waren es noch 31 km, die er dann bis St. Ingbert ohne Mühe auf der welligen Straße bewältigte. Er kehrte in einem kleinen Gasthof ein, wo er zu Abend essen konnte und wie überall gut geschlafen hat.

Der sechste Tag: Ebertsheim – Eisenberg (Pfalz) – Alsenborn – Eselsfürth – Kaiserslautern – Landstuhl- – Homburg – Sankt Ingbert

Mit den 535 km von Wahren ab hatte er also schon über die Hälfte der Strecke bis Paris zurückgelegt, ohne eine besondere Müdigkeit zu empfinden, weil er ja durch das tägliche Radfahren von Leipzig-Stadt nach der Fabrik in Wahren 13 bis 14 km pro Tag und vielen Sonntagstouren in der Umgebung von Leipzig usw. gut trainiert war.

Am nächsten Morgen, einem Freitag, ging es also munter weiter über die Brücke der Saar, der Hohenzollernstraße entlang und die Metzerstraße hinauf an den Spickeren Höhen entlang über Merlebach  durch St. Avold, nach dem 69 km entfernten Metz, wo er durch das Deutsche Tor fuhr in die schmale Mazellenstraße und Goldschmiedstraße zum Paradeplatz zwischen Rathaus und Dom abstieg, um sich die Innenstadt näher anzusehen. Er fuhr dann etwas zurück zur Hauptpost in der Nähe des Bahnhofes, um einige Ansichtskarten nach Hause zu schreiben, und hat dann in einem Restaurant in der Nähe des Bahnhofs ein paar Glas Wein getrunken und dort mit zwei Metzer Damen gesprochen, die ebenso gut deutsch wie auch französisch sprachen. Die Hauptsprache war aber schon französisch. Von einer Gehässigkeit gegenüber Deutschland hat er nichts feststellen können. Nach ca. 2 Stunden fuhr er weiter nach Süden durch die Nanziger Straße bis Montigny, wo er rechts in eine gerade Straße einbog, die zur Straße nach Gravelotte führte und in Moulins endete, nachdem er die Mosel kurz vorher überquert hatte. Von Moulins ging es nun ziemlich steil in mehreren Kehren weiter hinauf am Schlachtfeld von 1870 vorbei, wobei er beim Schieben des Rades die Gegend mit den Schluchten genau betrachten konnte. Im Gasthof von Gravelotte bekam er auch Nachtquartier sowie Abendbrot und Weißwein. Es kam ihm dort ziemlich ärmlich vor, keine Decken auf den Tischen und die Menschen, die nur französisch sprachen, waren sehr ärmlich angezogen. Es wurde auch nur Landwirtschaft betrieben. Dass hier am 18. August 1870 solche schweren Kämpfe zwischen Deutschen und Franzosen stattgefunden hatten, konnte man nicht erkennen. An diesem Tag hatte er durch den längeren Aufenthalt in Metz nur 83 km zurückgelegt, also 618 km von Wahren aus. Der Wirt riet ihm aber, wenn er nach Verdun fahren wolle, nicht die direkte Chaussee zu nehmen, die teilweise sehr bergig sei, sondern über Etain, welches wohl 4 km weiter wäre, aber bedeutend leichter zu fahren sei.

Der siebte Tag: Sankt Ingbert – Merlebach – Saint-Avold – Metz – Montigny (Metz) – Moulins (Metz) – Gravelotte

Dem Rat folgend, ist er am Sonnabend früh nach dem Kaffeetrinken von Gravelotte über Malmaison, Doncourt, Jarny, Conflans en Jarnisy und weiter der Eisenbahnlinie Metz-Verdun entlang durch die Woevre-Ebene über Jeandelize, St. Jean les Buzy, nach Étain geradelt, einer Stadt, die durch den Krieg ganz zerstört war und nur die Kirche als Ruine übrig geblieben war. Es war die erste größere Ruine, die er auf seiner Fahrt zu sehen bekam, trotzdem der Krieg seit 1918 also vor 10 Jahren beendet war. Er fuhr aber weiter zwischen Fromezey rechts und Hautecourt links die schöne Straße entlang und kam so an Eix vorbei, das direkt vor der Coté laraine liegt und wo die Steigung über die Höhen von Verdun anfangen. Es war für ihn ein schreckliches Bild die ausgebrannten Wälder und verkohlten Baumstämme zu betrachten. Von den vielen Befestigungswerken des Krieges wie z. B. Fort de Tuvannes oder der Redante St. Michel auf einer Höhe von 352 Metern war ebenfalls nichts mehr zu sehen. Und so fuhr er weiter über die Cotes Lorraines hinweg nach Verdun hinein. Hier war noch viel zerstört. In den ersten Straßen gab es richtige Steinhaufen, die nur an der Straße etwas aufgeräumt waren. Sämtliche Kirchen waren ebenfalls zerstört, nur die Ruinen standen noch. In der Mitte der Stadt war dagegen der Aufbau der Stadt in vollem Gange, viele Häuser waren wieder aufgebaut und überall wurde gezimmert und gemauert. Am Rande der Stadt fand er ein kleines Lokal, um etwas zu trinken und zu essen, denn durch die 52 km, die er von Gravelotte zurückgelegt hatte, war der Appetit gekommen. Nach ca. 2 Stunden fuhr er weiter an der alten Zitadelle vorbei, die noch durch Soldaten bewacht wurde, hinaus zu der Straße Richtung Argonnen, die er nun durchfahren musste. Die Maas hatte er schon, als er durch die Stadt radelte, überquert und jetzt ging es wie bei jeder Stadt, die im Tale liegt, bergan nach dem Moulin au bois brulé, wie ihm ein Arbeiter, den er überholte, nachrief. Es ging ziemlich steil hinauf, aber die Straße war gut. Zuerst kam er am Requet vorbei, dann folgte Recicourt, wonach er die Brücke über den Airefluss querte. Durch den aufgeweichten Lehmweg der Brücke kam er leider mit dem Rade ins Rutschen, sodass er sich nicht halten konnte und stürzte. Dadurch wurden er und seine Kleidung ziemlich schmutzig, sodass er zum Fluss gehen musste, um die Hände und die Hose etwas zu reinigen. Dann fuhr er weiter durch den Ort Aroncourt und 26 km durch das Städtchen Clermont en Argone, wo es schon stark steigend zum Argonner Wald hinauf ging. Durch den schönen Wald kam er dann bald an den Ort, Les Islettes genannt, am Tunneleingang der Eisenbahn Verdun-Reims und Chalons sur Marne. Dann ging es bergab durch den 7 km langen Wald an La Grange aux Bois vorbei nach Sainte Menehould, wo er sich entschloss, am Nachmittag Kaffee und irgendein Gebäck zu essen. Es muss 3 oder 4 Uhr nachmittags gewesen sein, als er in Richtung Chalons sur Marne weiter fuhr durch die sogenannte Champagne pouilleuse, auf Deutsch „lausige Champagne“, das hinter dem Ort Dommartin la Planchette anfing und aus Kreidegestein besteht und in der Mitte sehr trocken, waldarm und unfruchtbar ist. Das fiel ihm besonders hinter dem Ort Auve auf, wo die Straße schnurgerade nach Chalons zuging und die weiße Kreide seinen Augen wehtat. Die Leute hier tragen meistens Schutzbrillen, um die schädliche Wirkung zu mildern. Mindestens 20 km lang war der Weg durch diese weiße blendende Landschaft mit wenig Wald, der sich nur in weiterem Abstand von der Straße stellenweise zeigte. Er fuhr nur noch an der Straßenkreuzung „La Romanie“ , an einer Hütte oder Scheune und an dem Ort Courtisols vorbei und kam an einer großen Kirche mit schönem hohem Turm, Notre Dame de l’Epine genannt, vorbei, die scheinbar ganz isoliert dastand, denn Häuser konnte er beim Vorbeifahren nicht entdecken. Nach 8 km traf er in Chalons sur Marne ein. Trotzdem er sich in Verdun und Menehould aufgehalten hatte, hatte er von Gravelotte aus 135 km zurückgelegt. Er fuhr erst in der Stadt herum und fand auf der Place de la République ein nettes Hotel, wo er gut zu Abend essen, sich ausruhen und dann schlafen legen konnte, denn es war 8 Uhr abends geworden. Der Wirt, ein älterer Mann, frug ihn, ob er mit dem Rade von Leipzig gekommen sei und war sehr freundlich zu ihm. Auch die Mädels, die bedienten, waren sehr zuvorkommend. Es war nicht das steife Bedienen wie in Deutschland. Von Wahren aus hatte er also 753 km zurückgelegt.

Der achte Tag: Gravelotte – Malmaison – Doncourt-lès-Conflans – Jarny – Conflans-en-Jarnisy – Jeandelize – Saint-Jean-lès-Buzy – Etain – Fromezey – Hautecourt – Eix – Verdun – Récicourt – Clermont-en-Argonne – Sainte-Menehould – Auve – Châlons-en-Champagne

Am nächsten Tag, einem Sonntag, fuhr er dann weiter über den Kanal von der Marne zum Rhin und über die Marne sowie über die Gleise der Eisenbahn von Chalons nach Troyes auf der Straße zur letzten Stadt vor Paris, wo an der Straße ein Polizist das Zeichen zum Weiterfahren gab und bog dann rechts in die Hauptstraße nach Paris ein. Über Fagnieres, Jálons, Athis, Chouilly ging es hügelig weiter an der Bahn und dem linken Ufer der Marne entlang weiter nach Épernay (33 km), und nachdem er hier ein Brötchen mit Schinken gekauft hatte, weiter über Troissy nach dem größeren Ort Dormans, wo die Deutschen in der Schlacht bei Reims im Juli 1918 versuchten, zum zweiten Male über die Marne zu gelangen, jedoch durch die Artillerie der Franzosen, zwischen Dormans und Chateau Thierry von den gegenüber liegenden Ufern der Marne mit schweren Verlusten zurückgeschlagen wurden und bis hinter den Aisne zurück flüchten mussten. Viele Soldaten haben dabei den Tod in der Marne gefunden, außer sein Freund Walter Lindner, der dabei war und aus dem Getümmel glücklich herausgekommen ist, wie er Franz erzählt hat. Nachdem er sich die Stelle genau angesehen hatte, fuhr er auf der schattigen Straße weiter über Soilly, Reuilli, Fossuy, Étampes usw. und nach Überfahren der Eisenbahnstrecke Paris-Straßburg und der Marnebrücke in die Stadt Chateau Thierry hinein. Dann fuhr er über die rechten Hügel an der Nordseite der Marne über Vaux und Montreuil-aux-Lios nach dem 25 km entfernten La Ferte sous Jouarre, wohin es zuletzt mit starkem Fall hineinging. Hier merkte er schon, dass Paris nicht mehr allzu weit sein konnte, denn die Straße hinter dem Ort war stark mit Autos befahren, deren Besitzer jedenfalls zum Sonntag einen längeren Ausflug unternommen hatten. Er fuhr jedoch wieder über die Marne und am linken Ufer des Flusses weiter über Sammeron, Saint Jean les Deux Jumeaux, Trilport und zuletzt wieder über einen Bogen der Marne und zwei Mal über den Oureykanal nach der großen Stadt Meaux hinein. An dem Dom stieg er ab und kaufte sich einige Ansichtskarten, die er gleich nach Hause schrieb, um seine Ankunft bei Paris zu melden, denn er hatte nur noch 40 km bis zur Hauptstadt zurückzulegen. Es muss gegen 6 Uhr abends gewesen sein. Er fuhr dann gleich weiter und war sehr enttäuscht über das schlechte Pflaster, womit er jetzt fertig werden musste. Es war ein Kopfsteinpflaster, wie man es in Deutschland nicht schlechter finden kann. Glücklicherweise konnte er seitwärts den sandigen Fußweg benutzen, der in Frankreich von den Radfahrern offiziell benutzt werden darf, wobei Fußgänger und Radfahrer aufeinander Rücksicht zu nehmen haben. Es liefen vor ihm auch mehrere Männer auf dem Fußweg, die aber sofort auswichen, wenn er klingelte und ihm sogar gute Fahrt wünschten. Nur in den Ortschaften konnte er den Fußweg nicht benützen und so musste er in Claye-Souilly, Villeparisis und Livry, die er durchfuhr, das schlechte Pflaster benützen. Hier in Livry sah er auch die Dampfstraßenbahn, die wohl von Paris aus bis in diese Gegend fuhr. Inzwischen war es schon finster geworden und so war er gezwungen, die Fahrradlampe anzubrennen. Gegen ½ 10 Uhr abends erreichte er Gargan, das an der Grenze des Departements Seine liegt, schon zum Großraum Paris gehört. In einem kleinen Hotel dicht an der Bahn fand er auch ein schönes Zimmer und hat vorher mit dem Wirt und seinem Sohn ein paar Glas Rotwein getrunken, um seine glückliche Ankunft in Paris zu feiern. Er bekam Spiegeleier mit Schinken als Abendbrot vorgelegt, sodass er auch wunderbar zum Abendbrot speisen konnte. Er hatte an dem Sonntag noch 160 km zurückgelegt nach 8 ½ Tagen. Im Ganzen waren es von Wahren aus 913 km geworden, sodass er in den 8 ½ Tagen  durchschnittlich 1913:8,5=10,74 km einschließlich Unterbrechungen durch Unfall usw. pro Stunde gefahren war. In Wirklichkeit ist er auf offener glatter Straße 16 bis 18 km pro Stunde gefahren bei Steigungen 5 bis 8 km bei fallender Straße zwischen 22 bis 30 km je nach Fall zwischen 5 und 20 %.

Der neunte Tag: Châlons-en-Champagne – Fagnières – Jâlons – Athis – Chouilly – Épernay – Troissy – Dormans – Montreuil-aux-Lions – La Ferté-sous-Jouarre – Sammeron – Saint-Jean-les-Deux-Jumeaux – Trilport – Meaux – Claye-Souilly – Villeparisis – Livry-Gargan – Gargan

Am folgenden Montag fuhr er dann durch die Pariser Vorstädte Pantin usw. immer der Straßenbahn entlang und so kam er in der Rue Jean Jaurés, vor dem Kriege Rue d’Allemagne genannt, und nach 7 km zur alten Grenze von Paris mit den alten Befestigungsmauern, die jetzt schon teilweise abgerissen waren. Auf der Strecke zum Ost-Bahnhof musste er das Rad öfters schieben, da die Straße durch die Männer der Straßenreinigung mit Hilfe des Hydranten unter Wasser unter Wasser gesetzt worden war, um eine schnellere Reinigung zu erzielen. Da die Straße dabei etwas abfiel, lief das Wasser in starken Strömen die Straße hinunter, sodass ein Fahren unmöglich war. Nach 10 km Fahrt kam er endlich zum Ost-Bahnhof, wo er das Rad in der Aufbewahrung abgab. Dann war er frei und konnte in Paris spazieren gehen.

Mit der Untergrundbahn fuhr er zuerst zum Champ de Mars,

Champs du Mars
Champs du Mars

um noch einmal auf den Eiffelturm zu steigen.

Eiffelturm

Mit dem doppelten Fahrstuhl zuerst bis zur ersten Plattform und mit dem zweiten zur zweiten Plattform – war er bald oben nach Bezahlung von 1 Franken. Zur dritten Plattform musste man die paar Stufen gehen, konnte aber weiter nichts beobachten, weil dort oben eine meteorologische Station eingerichtet worden war. Die Aussicht war ziemlich klar, sodass er ganz Paris zu Füßen lag.

Paris vom Eiffelturm aus
Paris vom Eiffelturm aus

Nachdem er etwas getrunken hatte, ging er wieder hinunter und spazierte weiter durch die große Weltstadt. Er lief vom Champs Eliysée bis zum Arc de Triumphe hinunter

Champs d'Elisee mit demArc de Triumph
Champs Eliysée mit dem Arc de Triumphe

und wanderte auch zur Kathedrale Notre Dame, der Hauptkirche von Paris.

Notre Dame vom Schiff aus gesehen
Notre Dame vom Schiff aus gesehen

Die Zeit ist ihm sehr schnell vergangen und er hat in einem Volksrestaurant Mittag á la carte gegessen. Er hatte sich vorgenommen, ebenfalls mit dem Rade mehr südlich von Paris über Sezannes, Bar le Duc, Nancy, Straßburg und Süddeutschland zurückzufahren, aber da die Ferien bald zur Hälfte vorbei waren, überlegte er es sich anders und entschloss sich am Abend mit dem Nachtzug nach Leipzig zurück zu fahren vom Pariser Ostbahnhof aus.

Die Reise nach England: 1929

Im Sommer 1929 hatte Franz sich vorgenommen, mit dem Rade zu seinen englischen Verwandten zu fahren. Allerdings machte ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Er hatte sich gut vorbereitet und eine Reiseroute vorbereitet, die nun leider nicht zum Einsatz kam.

So fuhr er am 29. Juli 1929 kurz nach 6 Uhr mit dem D-Zug nach Brüssel, über Eisenach, wo seine Tochter Lotte an den Zug kam, um ihn kurz zu begrüßen. Dann ging es weiter über Kassel, Warburg, Soest, Dortmund-Süd nach Köln, wo er umsteigen musste in den Zug nach Paris. In Verviers stieg er wieder um, in den belgischen Zug nach Brüssel, wo er unverhofft bei seiner Schwester erschien, die ihn erst für später mit dem Rade erwartet hatte. Nur eine Nacht blieb er in Brüssel, um am anderen Tag, nachdem er mit Leon und seiner Schwester abends in einem Gartenlokal einen Karten gespielt hatte, der sehr lebhaft verlief.

Am anderen Tag, am 30. Juli 1929, ging er zum Nordbahnhof und löste ein Fahrscheinheft III. Klasse nach London über Ostende-Dover. Der Zug, der von Köln kam, hatte aber Verspätung und fuhr erst eine ¾ Stunde später ab, sodass Franz schon befürchtete, den Anschluss in Ostende zum Dampfer nicht mehr zu erreichen. Er fuhr also über Gent und Brügge bis zur Endstation Ostende-Quai, d.h. bis an den Dampfer heran, der auf den Anschluss gewartet hatte. Der Zug hatte von der Verspätung nicht viel eingeholt, im Gegenteil, die Verspätung betrug über eine Stunde. Franz konnte vom Zug aus ohne weiteres auf den Raddampfer steigen, der den Namen „Antwerpen“ trug, und legte sein Gepäck, einen größeren Handkoffer, wie die anderen Passagiere neben sich und den Liegestuhl und beobachtete erst das Leben auf dem Dampfer. Eine Kabine hatte er nicht genommen, da die Fahrt von Ostende nach Dover, ca. 116 km, die 3mal täglich stattfand, nur 3 Stunden dauern sollte. Es war ein schöner Sommertag und er stand bald wieder auf, um auf dem Deck herumzugehen. Die See war ganz ruhig, sodass der Dampfer genauso ruhig fuhr wie die Dampfer auf dem Rhein oder auf der Elbe. Von Seekrankheit war nichts zu verspüren. Auch bei den anderen Passagieren war davon nichts zu merken.

Nach 3 Stunden kam der Dampfer auch mit Verspätung in Dover an, wo sie einzeln zur Pass- und Gepäckrevision durch mehrere Räume gehen mussten. Als er dran kam, fragte ihn der englische Kontrollbeamte, wohin er gehen, wen er besuchen, wie lange er dort bleiben wolle usw. Natürlich alles auf Englisch, sodass sie sich schlecht verstehen konnten. Der Engländer wollte alles ganz genau wissen, um eventuell zu verhindern, dass man in England eine Stellung annehmen könnte. Franz zeigte nun den Brief, den sein Cousin Vincent Booth auf Veranlassung seines Bruders John Booth geschrieben hatte, worin er ihn einlud, nach Crowle zu kommen, um ihn zu besuchen. Der Brief datierte vom 21. Mai 1929 und somit wurde die Angelegenheit schnell und ohne Schwierigkeit erledigt, da sein holländischer Pass außerdem in Ordnung war. Von seinem hohen Sitz vor dem vierbeinigen hohen Schreibpult gab der Passbeamte in Zivil seine Papiere wieder zurück und sagte einfach: well!, sodass er mit seinem Gepäck zur Zollrevision weiter gehen konnte, wo er auch nicht einmal sein Gepäck vorzeigen musste. Er ging einfach mit den anderen Reisenden weiter zum Zuge, der nach London fuhr. Da der Zug über Canterbury gefahren war, ohne auf den späteren Anschluss zu warten, mussten sie den Zug über Folkerstone benützen, der dann auch bald abfuhr. Die Wagen in England sind alle gepolstert, sodass Franz erst dachte falsch eingestiegen zu sein, was nicht der Fall war. Der Zug fuhr erst bis Folkerstone an der Kanalküste entlang, sodass man einen weiten Blick auf das Meer hatte, dann durchstreifte er die Provinz Kent bis London, wo er nach ca. 125 km Fahrt im Bahnhof „Victoria Station“ einfuhr. Die Bahnsteige waren anders als in Leipzig als Straßen umgebildet, sodass die Wagen und Autos zum Abholen der Reisenden bis in den Bahnhof hinein fahren konnten. Bevor er aber in den Bahnhof ging, hat er zuerst etwas Geld umgewechselt, damit er auch in den Besitz von englischem Geld kam. Dann ging er auf die Straße und wollte zuerst ein Zimmer für die Nacht suchen. Die Hotels waren alle besetzt und so suchte er ein privates Zimmer, was ihm jedoch nicht gelang. Da in London statt einer Klingel Klopfhämmer an den Türen angebracht sind, muss man den Klopfhammer bewegen, um sich zu melden. Jedes Privathaus ist gut verschlossen. Es wurde ihm zwei- oder drei Mal nach dem Klopfen aufgemacht, meistens durch eine Dame, die aber immer mit dem Kopf schüttelten, wenn er nach einem Zimmer frug. Nach drei missglückten Versuchen entschloss er sich wieder zu gehen nach der Liverpool Street Station, von wo aus er am nächsten Tag weiterfahren wollte nach Market-Rasen. Er ging am Buckingham Palast vorbei, wo er die Wachposten mit dem Gewehr über der Schulter hin und her marschieren sah, dann weiter am St. James Park links vorbei, immer weiter nach Osten an der St. Pauls Kathedrale vorbei bis zu der Charing Cross Brücke über die Themse, wo er an eine Untergrundbahnation kam und eine Fahrkarte nahm, um mit der nächsten Untergrundbahn bis zum Liverpool Bahnhof zu fahren. Durch die Karte, die er mitgenommen hatte, fand er sich ganz gut zurecht in der 5 Millionenstadt. Am Liverpool-Bahnhof stieg er aus und fand auch gleich den Bahnhof. Da er weiter kein Hotel fand, trat er in das Bahnhofshotel, ein sehr großes Hotel im Bahnhof selbst und ließ sich ein Zimmer geben. Er bekam ein sehr schönes Zimmer in der II. oder III. Etage mit einem großen Bett und ließ seinen Koffer unten im Hotellokal, um zu Abendbrot zu essen, was sehr gut geschmeckt hat, auch das Bier Pale Ale war sehr gut. Als Hotelgast brauchte er auch noch nicht zu zahlen und er entschloss sich, einmal in die Stadt zu gehen, um London etwas anzusehen. Er ging hinaus in Richtung der Themse die mittelbreite Straße hinunter. Es war schon ziemlich dunkel geworden. An der Hauptstraße vor der englischen Bank stand ein Polizist, den er fragte, wo es zur Stadtmitte ging. Der verstand ihn wohl nicht richtig und zeigte mit seinem Knüppel nach links und rechts. Er ging also nach rechts und suchte nach einem Restaurant oder Café ganz umsonst, denn alles war geschlossen und sehr hell war es auch nicht. Er  kam zu einer Brücke wohl die Blackfiars-Brücke über die Themse und überschritt sie und ging bis zur nächsten Querstraße nach Süden. Da es durch die mangelhafte Beleuchtung sehr dunkel war und Franz kein Lokal entdecken konnte, kehrte er um und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war. Er war von der Stadt London richtig enttäuscht, so still und wenig Verkehr gab es. Er  kehrte also einfach ins Hotel zurück, das ebenfalls schon verschlossen war, sodass er klopfen musste. Gegen 12 Uhr ging er dann ins Bett und stand ziemlich früh auf, um nochmals in die Stadt zu gehen. Nach dem Kaffeetrinken ging er zum nächsten Untergrundbahnhof und fuhr in Richtung des Towers, die bekannte Stadtfestung am Themseufer, die im 11. bis 13. Jahrhundert zuerst als Wohnsitz für den König erbaut wurde und später als Staatsgefängnis diente. Unterwegs sprach ihn ein Deutscher an und gab ihm einige Erklärungen, wie er zu gehen hätte. Er hat sich die Burganlage, die vollkommen renoviert war, genau angesehen, und ist dann nach dem Hotel zurück gelaufen, nachdem er auch über die aufklappbare Towerbrücke gegangen war, denn der Zug nach Market-Rasen fuhr nicht vom Liverpool Bahnhof, wie er angenommen hatte, sondern vom Kings Cross Bahnhof ab. Inzwischen hatte es auch angefangen zu regnen, was in London nicht selten ist. Jetzt war der Verkehr in den Straßen gewaltig, besonders in der sogenannten „City“, wo die Straßen nicht sehr breit sind. Dass hier nur links gefahren wird, war ihm ja bekannt, und da hieß es beim Überqueren der Straßen sich doppelt vorzusehen. Die Hotelrechnung zahlt man nicht an den Oberkellner, wie in Deutschland, sondern beim Verlassen des Hotels an einem Schalter vor dem Ausgang, wo ihm eine Dame die Rechnung vorlegte. Für das Zimmer hat er 7 Mark bezahlt, für eine Zigarre zwei Mark, da die Zigarren jedenfalls durch die Steuer sehr teuer waren. Da war es ihm einleuchtend, dass die Engländer schon damals viel Pfeife rauchten. Da es wieder regnete und der Kings-Cross-Bahnhof ca. 3,5 km vom Liverpool-Bahnhof entfernt war, nahm er wieder die Untergrundbahn vom nächsten Bahnhof ab.

Er erhielt ohne weiteres eine Fahrkarte nach Market-Rasen und konnte den Zug nach York benutzen bis Grantham. Da die Bahnstrecke einer anderen Eisenbahngesellschaft gehörte, waren die Eisenbahnwagen ganz anders als im Zuge der London-Doverer Gesellschaft. Zwischen den gepolsterten Sitzen gab es hier ein großer Tisch von ca. 1 Meter Länge und 0,6 Meter Breite, worauf man bequem lesen oder schreiben kann. Auch zum Essen oder Trinken ist es sehr praktisch und bei längeren Reisen durchaus vorteilhaft. Der Zug fuhr auch pünktlich ab. Die Landschaft war durchweg hügelig und Franz machte die Beobachtung, dass es keine Wegübergänge gab, sondern dass der Zug entweder über Brücken oder unter den Straßen und Wegen fuhr, sodass in England keine großen Unglücke vorkommen können. In Grantham 70 km nördlich von London musste er zum ersten Male umsteigen, um nach Lincoln zu kommen. Er hatte auch nach Lincoln bald Anschluss und kam gegen 4.35 Uhr nachmittags in Market-Rasen, einer kleinen Stadt von ca. 2200 Einwohnern, an. Nun hieß es hier die Willingham Road zu finden, wo sein Cousin John Booth wohnte. Unterwegs frug er einen Mann nach dem Weg. Als er den Namen Booth erwähnte, wurde der wild und schnauzte ihn an und war ganz ungehalten über seine Frage. Er ließ ihn laufen und ging einfach weiter. Da kam er auch schon an die Ecke der Willingham Road und fand die Nummer des Hauses, ein nettes Häuschen etwas von der Straße zurückgestellt. Frau Alice Booth war auch zu Hause und hatte ihn schon erwartet. Er wurde herzlichst begrüßt und gleich nach oben in den ersten Stock geführt, damit er sich etwas erfrischen konnte. Es dauerte auch nicht lange, und sein Vetter kam von der Arbeit und sie tranken zusammen Kaffee. Anschließend lud er ihn ein, in sein kleines Auto zu steigen, und so fuhren sie einige Kilometer weiter vom Orte ab nach Legsby, bis vor das Haus, wo seine Mutter geboren worden war. Es war ebenfalls ein nettes Häuschen nach englischen Muster, ebenfalls etwas weiter von der Straße entfernt gebaut. Dann fuhren sie etwas in der Umgebung herum, was man so um das Viertel nennt und dann nach Hause zum Abendessen. Am anderen Tage, wahrscheinlich war es ein Donnerstag, führte ihn Frau Alice durch die kleine Stadt, leider waren aber die Geschäftsläden geschlossen, weil Donnerstag ein Geschäftstag ist. An einem Tage in der Woche hatten die Geschäfte geschlossen, da gibt es eben nichts zu kaufen. An den anderen Tagen waren die Geschäfte von ½ 10 bis 2 und von 7 bis 10 Uhr geöffnet. Zusammen waren es auch 7 ½ Stunden, also weniger als in Deutschland und Europa, wenigstens damals vor dem zweiten Weltkrieg. Die Menschen gönnten sich mehr Ruhe. Am Freitag früh fuhr er dann weiter nach Crowle, wo er in den Zug von Grimsby nach Doncaster umsteigen musste. Crowle liegt ungefähr 35 km nordwestlich von Market-Rasen, sodass die Brüder John und Vincent nicht allzu weit voneinander wohnen. Sein Vetter Vincent Booth war auch am Bahnhof, um ihn abzuholen, und erkannte ihn scheinbar sofort, denn er kam direkt auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Sie gingen dann die Landstraße hinunter und fuhren mit dem Omnibus 1,7 km ins Städtchen, wo der Vetter sein Büro als Rechtsanwalt hatte. Er führte Franz auch gleich in sein Büro, das nach dessen Gefühl etwas liederlich aussah, so unordentlich lagen die Akten und Schriftstücke auf dem Tisch und in den Regalen. Jedenfalls machte seine Arbeitsstätte einen liederlichen Eindruck. Für die Bauern, die er beriet und denen er half, genügte es jedenfalls. Dann führte er ihn in die Wohnung, wo Franz die Frau Katy und die einzige Tochter vorgestellt wurde. Das Mittagessen war sehr gut vorbereitet, wurde aber erst abends eingenommen, da mittags nur gefrühstückt wurde. Vincent zeigte ihm auch die Kirche der Stadt, wo er als Organist tätig war. Die Familie schien sehr fromm zu sein, wie überhaupt die Katholiken in England allgemein frommer sind als die in Belgien, wo die meisten Menschen katholisch sind. Am nächsten Tag nahm er ihn mit nach Doncaster, einer größeren Stadt von 54000 Einwohner, wo hauptsächlich Banknoten gedruckt und mit Kohlen gehandelt wurde. Er traf sich dort mit den Bauern der Umgebung, die sich bei ihm Rat holen wollten, während sie zum Markttag nach Dorcester kamen. Es wurde in der Kneipe öffentlich verhandelt, ich konnte aber nicht viel verstehen. Darauf gingen sie in ein Kaufhaus, wo er allerhand eingekauft hat und mit nach Hause nahm. Die Kaufhäuser sind nicht so groß wie in Leipzig, aber man konnte doch alles bekommen bei ähnlichen Preisen wie in Leipzig. Nur der Tabak und die Zigarren waren  viel teurer. Der Besuch von Dorcester war für Franz sehr lehrreich. Kurz nach Mittag fuhren sie dann die 27 km mit der Bahn zurück. Vincent zeigte ihm gleich am ersten Tag den Friedhof von Crowle, der südlich der Stadt auf einer Höhe lag. Er zeigte ihm das Grab seiner ersten Frau, die dort begraben lag und die weite Aussicht über die Landschaft von Crowle, den Hafen, der 35 km von der Stadt am Humber liegt und von hier aus deutlich zu sehen war, trotz der Entfernung von 12 km. Es gab einen weiteren Aussichtspunkt über die Landschaft von Yorkshire.

Gegessen werden hauptsächlich Eier und Schinken und recht viel Kuchen, Törtchen und Pasteten. Auch Pudding fehlt natürlich nicht. Früh, mittags und abends ist der Tisch voller Süßigkeiten. Nur mittags gab es Braten und Kartoffeln mit Gemüse genau wie in Deutschland. Am Sonntag ist Franz mit zur Kirche gegangen und hat der großen Messe beigewohnt. Sein Cousin spielte die Orgel und der Priester hielt eine Predigt wie in der katholischen Kirche. Leider konnte er nicht viel verstehen, da er nur englisch sprach. Die Zeremonien waren dieselben wie zu Hause in Mecheln oder Brüssel. Am Nachmittag ging er dann mit Vincent spazieren. Die Umgebung von Crowle ist wenig abwechslungsreich, die Landstraßen rechts und links mit Steinplatten über den Gräben versehen. Die Menschen laufen in der Mitte der Straße ohne Rücksicht auf die Fuhrwerke, die hier sehr selten waren. Am Nachmittag kam noch Vetter John aus Market-Rasen in seinem Auto gefahren, um ihn noch einmal zu sehen, und fuhr dann wieder nach Hause zurück. Die Überlandstraßen waren damals noch nicht so ausgebaut wie in Deutschland, sodass nur Gaslicht vorhanden war. Wie sein Vetter erzählte, sollte aber im nächsten Jahr (1930) die elektrischen Leitungen gelegt sein, sodass sie dann auch elektrisches Licht haben würden. Als Öfen hatten sie noch die alten Kamine für Holz- oder Kohlenfeuerung. Berliner Öfen, wie in Deutschland, kannten sie nicht. Der Spaziergang war sehr nett, es fehlte aber an Wald.

Franz ist mit seinem Vetter auch ein zweites Mal nach Dorcester gefahren, um die Stadt und die Geschäfte anzusehen. Dabei hat er, weil die Zigarren zu teuer waren, eine englische Pfeife gekauft und Tabak. Dabei erfuhr er, dass am nächsten Montag Bankfeiertag sei, d.h. alle Banken an dem Tage geschlossen wären und das gelte als Feiertag für alle Betriebe auch für die Schifffahrt. Da er an dem Tage von Grimsby aus nach Antwerpen zurück fahren wollte, wurde seine Reise über Grimsby unmöglich und er besprach darum mit seinem Vetter die Reise über Harwich zu unternehmen, von wo aus die Schiffsverbindung nach Antwerpen möglich war. Weiter besuchten sie ein Kolonialwarengeschäft, wo Vincent für sich und die Kinder etwas einkaufte, was er auch tat, um Frau Katy und Tochter je eine Schachtel Pralinen zu kaufen als Geschenk für ihre Mühe. Im Eisenbahnbüro besorgte er dann auch seine Fahrkarte nach Brüssel über Harwich-Antwerpen. Die Pfeife hat Franz lange gehabt. Sie ist aber auch beim Bombenangriff im Jahre 1945 mit verbrannt worden oder liegt noch (1946) unter den Trümmern des Hauses, sowie die ganzen Bilder der Familie Vincent und John Booth mit den Bildern der Wohnhäuser und des Geburtshauses seiner Mutter.

Am Montag, dem 5. August 1929, nahm er Abschied von Frau Kathy und Tochter und sein Vetter begleitete ihn bis Dorcester, wo er dann in den Schnellzug 4.23 Uhr nach Harwich einstieg. Die Fahrt ging über Lincoln, March, Ely, Ipswich direkt nach Harwich. Zwei Damen, die in Ely aussteigen wollten, fingen kurz vorher an sich zu pudern. Ein Schotte, der mit ihnen fuhr, meinte, dass das Pudern in Schottland nicht Mode wäre und dass solche Damen dort nicht gut angesehen werden würden. Die Damen meinten darauf, dass die Menschen in Schottland noch ziemlich rückständig wären. Nach der Fahrt kam er glücklich in Harwich an, wo es nicht weit zum Quai war, an dem der Dampfer nach Antwerpen abfahren sollte. Das Wetter sah nicht schlecht aus, sodass ein Schiffer meinte, dass sie eine gute Überfahrt haben würden. Hier musste er wieder durch die Pass- und durch die Zollrevision. Genau wie in Dover wurde er ausgefragt und zwar, wo er herkäme und gewohnt habe. Sogar die Straße wollte der Herr genau wissen, die er nicht angeben konnte, da er sich dieselbe in Crowle nicht notiert hatte. Dann durfte er erst auf den Dampfer. Um 10.15 Uhr abends ging das Schiff ab. Nachdem er sich das Schiff genau angesehen und den Rundgang beendet hatte, war es dunkel geworden und er legte sich dann gegen Mitternacht ins Bett der Kabine Nr. 17, die er bekommen hatte. Es schaukelte wohl etwas, aber seekrank wurde es nocht. Um 5 Uhr früh war er wieder auf, um die See und die Wolken zu betrachten. Die See war ganz ruhig und es dauerte nicht lange, bis sich die Küsten von Zeeland und bald die Scheldemündung sich zeigten, erst ganz schwach und dann immer deutlicher. Bald fuhren sie im Hafen hinein, sodass man bald beide Ufer sehen konnte. Sie hatten aber die Seefahrt gut überstanden und nur 80 km bis Antwerpen zurückgelegt, wo sie  gegen 8.30 Uhr vormittags ankamen und am Quai van Dyck ausstiegen.

Hier wurde sein Pass kaum angesehen und die Zollbeamten machten keine Schwierigkeiten, sondern sprachen nur vlamisch, trotzdem er sie auf Französisch angesprochen hatte und erklärte, dass er nichts zu verzollen hatte. Der betreffende Beamte guckte nur oberflächlich in den Koffer ohne seine Wäsche viel zu berühren. Darauf ist er gleich mit der Straßenbahn vom Hafen zum Hauptbahnhof gefahren und mit dem nächsten Zug nach Brüssel. Um 11 Uhr vormittags war er bereits in Brüssel und fuhr mit der Tram Nr. 15 gleich zu seiner Schwester Louise, die ihn gar nicht so schnell zurück erwartet hatte. Mit Léon war er nochmals ein paar Glas Bier trinken gegangen und ist dann um 12.30 Uhr vom Nordbahnhof weiter gefahren. Da er keine direkte Fahrkarte bis Merseburg, wo Helene hingefahren war, vom Nordbahnhof bekommen konnte, nahm er eine Fahrkarte bis Halle an der Saale und fuhr dann über Löwen, Lüttich bis Verviers und von hier nach ein paar Stunden Aufenthalt bis Aachen, von wo aus er den direkten Zug nach Breslau benützte, der über Mönchengladbach, Düsseldorf, Elberfeld, Kassel direkt nach Halle fuhr. Hier nahm er eine Fahrkarte nach Merseburg, wo er gegen 6 Uhr abends ankam. Da er Helene noch antraf, fuhr er gleich weiter nach Leipzig, wo sie dann am anderen Tag auch eintraf.

Mit dem Motorrad nach Paris und über Belgien zurück: 1930

Im Jahre 1930 hatte sich Walter Lindner, ein Kollege von Franz, ein Motorrad angeschafft und beabsichtigte, nun mit diesem nach Paris zu fahren, um unterwegs – wie im Jahre 1927 bereits mit dem Rade versucht – das Grab seines Bruders, der in Frankreich in Lametz begraben liegen sollte, zu besuchen. Da Franz inzwischen die Strecke nach Paris mit dem Rade schon zurückgelegt hatte, sollte er als Sozius mitfahren und den Weg zeigen.

14 Tage vorher fuhren sie an einem Sonnabend nachmittags zur Probe mit dem Motorrade nach Wormstedt, um das Rad auszuprobieren und zwar von der Fabrik in Wahren über Leutzsch, Schönau, Markranstädt, Lützen, Weißenfels, Naumburg und von hier über die bergige Straße nach Eisenberg bis zum Gasthof in Wormstedt, wo sie ein paar Glas Bier tranken und auch Kläre, eine Cousine von Helene in der Brauerei besuchten, in der sie ebenfalls mit Bier traktiert wurden. Nach kurzer Zeit fuhren sie wieder zurück: sehr zufrieden mit ihrer Probetour. Das Rad schien in Ordnung zu sein, denn es passierte unterwegs nichts. Sie konnten also die Tour nach Paris und zurück über Brüssel zur Weltausstellung nach Lüttich ohne Bedenken unternehmen.

Franz fuhr also kurz vor Pfingsten mit dem Fahrrade zur Fabrik nach Wahren, um von hier aus mit Lindner die Parisreise zu starten. Sie fuhren dann früh zwischen 4 und 5 Uhr von der Fabrik aus ab: Lindner an der Lenkstange und Franz auf dem Soziussitz. Sie fuhren gleich durch den Wald am Bahnhof Leutzsch vorbei, durch Leutzsch hindurch und zur Rückmarsdorfer Straße und Merseburger Chaussee dann überquer bis zur Lützener Chaussee in Schönau und diese entlang durch Markranstädt, am Gustav-Adolf-Denkmal vorbei, dann durch Lützen, an Röcken vorbei auf welliger Straße nach Weißenfels ins Saaletal, hinter Weißenfels den steilen Berg zur schönen Aussicht hinauf ohne Aufenthalt, dann weiter bergab und bergauf und wieder hinab durch mehrere Dörfer nach Naumburg, das sie umfuhren, um im schönen Tal über Schulpforta nach Bad Kösen zu gelangen, wo sie an der Saalebrücke den Passierzoll entrichten mussten. Dann ging es weiter über die Bahn, den steilen Berg hinauf nach Eckartsberga und weiter, bis sie kurz vor der Bahn hinter Apolda halten mussten, da ein D-Zug nahte. Dann ging es weiter über Oberroßla und auf der Straße von Jena nach Weimar hinab. In Weimar ging es durch die Stadt und dann die Erfurter Straße entlang am Berkaer Bahnhof vorbei genau wie vor drei Jahren mit dem Rade nach Erfurt, das sie südlich durchfuhren, um die Chaussee nach Gotha zu erreichen. Die Steigung konnten sie diesmal in voller Geschwindigkeit nehmen und fuhren weiter bis Tüttleben am Gasthof, in dem sie vor drei Jahren übernachtet hatten, glatt vorbei, um nach Gotha hinab zu fahren und jenseits der Stadt die Eisenacher Straße wieder hinaus, und über eine wellige Straße kamen sie gegen 10 Uhr in Eisenach an, wo Franz vom Bahnhof aus sofort zum Neulandhaus telefonierte, um Lotte zu benachrichtigen, dass sie angekommen seien und sie zu bitten, ins Gartenrestaurant gegenüber dem Bahnhof hinunter zu kommen, da sie bald weiterfahren wollten. Bei einem Glas Bier haben sie dort gefrühstückt und Lotte kam auch bald angelaufen. Leider hatte Lindner unterwegs schon gemerkt, dass bei ihm eine Sattelfeder gebrochen war und so war es das nächste, dass sie sich nach einer Reparaturwerkstatt erkundigten. In einer Garage in der Nähe des Frauenbergs gab es eine Ersatzfeder, die Lindner sofort einsetzen konnte. Ehe sie aber wieder fortkamen, war es Mittag geworden. Sie nahmen Abschied von Lotte und fuhren durch die Stadt über den Markt der Frankfurter Straße zu und dann die steigende und kurvenreiche Straße hinauf durch den wunderbaren Wald zum Rennsteig, den sie bald erreichten und dann ging es bergab durch Förtha und weiter durch Marksuhl, wo Franz vor zwei Jahren übernachtet hatte. Es ging in flottem Tempo über Dönges, Kieselbach nach Dorndorf, wo sie das Werratal erreichten. Nach Oberzella fuhren sie weiter nach Sünna links am Ulster Berg (476 Meter) vorbei, der bereits zur Rhön gehörte und dann hinab ins Ulstertal kurz hinter dem Eisenbahnübergang Vacha. Da die Frankfurter Straße gesperrt war, mussten sie, um nach Fulda zu kommen, einen Umweg machen und zwar durchs Ulstertal weiter über Geisa, Tann, Lahrbach, Wittges und Petersberg bei schlechter steiniger und zuletzt bergischer Straße. Sie konnten von Glück sagen, dass ihnen bei der schlechten Straße am Rade nichts passiert ist. Die neue Feder, die Lindner in Eisenach eigesetzt hatte, hat wenigstens gehalten.

In Fulda, der Bischofsstadt, kehrten sie in einen Franz von seiner Radtour bekannte Garten einer Wirtschaft ein, um ihren Nachmittagskaffee einzunehmen an der Ausgangsstraße nach Frankfurt, die hier wieder frei zu fahren war über Bronnzell, Kerzell, Neuhof, Flieden, wo sie bald den Distelrasentunnel von 3560 Meter Länge an der Bahnstrecke Fulda-Frankfurt erreichten. Dann ging es weiter ins Kinzigtal abwärts über Niederzell, wo er bei seiner letzten Radtour übernachtet hatte über Salmünster, Aufenau und Wächtersbach und von hier am Vogelsberg entlang über Haitz nach Gelnhausen. Von hier ging es im Kinzigtal weiter über Rothenbergen, Langenselbold nach Hanau Dörnigheim am rechten Mainufer entlang und von der Frankfurter Straße links abbiegend über Fechenheim zur Mainbrücke vor Offenbach am Main. Dann fuhren sie durch die Kaiserstraße direkt zum Bahnhof, wo Franz Helenes Schwager am Gepäckschalter treffen wollte, der aber leider nicht da war. Dann fuhren sie weiter unter der Bahn hindurch zur Senefelder Straße Nr. 25, wo leider auch niemand zu Hause war. Da Lindner es eilig hatte, hielten sie sich nicht weiter auf und fuhren zur Sprendlinger Landstraße und durch den schönen großen Wald 6 km lang nach Sprendlingen und weiter über Langen und Arheilgen nach Darmstadt. Auch hier machten sie nicht halt, sondern fuhren, da es schon spät geworden war, gleich weiter der Heidelberger Straße entlang über Eberstadt, Bickenbach der Bergstraße entlang am westlichen Rand des Odenwaldes durch Zwingenberg am Fuße des waldbedeckten Melibokus (515 Meter) den höchsten Berg der Bergstraße, und weiter durch Auerbach an der Auerbacher Ruine vorbei bis Bensheim, wo sie nach rechts schwenkten, um über Lorsch an der altbekannten Torhalle, den Rest eines alten Klosters aus dem Jahre 164, entlangzufahren. Dann ging es durch den 6,5 km langen Lorscher Wald und über Bürstadt zur Rheinbrücke vor Worms. Da es spät geworden war und auch schon dunkelte, fuhren sie durch Worms durch, um das an der Hauptstraße gelegene Roxheim zu erreichen, wo ein Jugendfreund und Kollege von Lindner wohnte. Bei abbiegender Hauptstraße in Borkenheim verfuhren sie sich, sodass sie erst gegen 11 Uhr in Roxheim ankamen. Endlich waren sie aber am Ziel und der Freund freute sich sehr, dass sie gut angekommen waren.

Sie hatten von Wahren bis Roxheim 433 km zurückgelegt in ca. 19 Stunden, sodass sie durchschnittlich nur 22,8 km in der Stunde gefahren waren, dabei waren sie streckenweise mindestens 70 km gefahren, besonders durch den schönen Wald zwischen Offenbach und Darmstadt und zwischen Lorsch und Worms. Der Aufenthalt in Eisenach und Offenbach sowie der Umweg in der Rhön hatten ihnen die Zeitverluste gebracht. Franz hat auf dieser Fahrt keine Müdigkeit verspürt, trotzdem er zum ersten Mal als Beifahrer auf dem Motorrad saß. Sie wurden zum Abendessen beim Bier eingeladen, was sie  gern annahmen. Franz wurde auf seinen Wunsch in ein Zimmer geführt, während Lindner sich mit seinem Freund wohl bis 3 Uhr früh noch unterhalten hat über die früher zusammen verlebte Zeit.

Am anderen Morgen, es war wohl gerade zu Pfingsten, ging es dann mit dem Motorrad weiter nach Frankenthal, wo frisches Benzin genommen wurde und dann ging es weiter nach Oggersheim, wo sie auf der Straße von Mannheim nach Bad Dürkheim weiter und dann durch das Haardtgebirge nach der alten Pfälzerstadt Kaiserslautern hinabfuhren. In einem Restaurant wurde bei einem Glas Wein gefrühstückt und dann ging es weiter der sogenannten Pariser Straße entlang nach Landstuhl mit der Burg Sickingen und weiter über Hauptstuhl und Vogelbach nach Homburg, wo sie in der französischen Besatzungszone angelangt waren. Durch die deutsche Absperrung kamen sie nach Vorzeigung ihrer Pässe ohne weiteres durch und hatten noch ca. 500 Meter zu fahren, bis sie die französische Grenzstelle erreichten. Da Franz gut französisch sprach, gingen die Zollformalitäten ziemlich schnell vor sich, sodass sie nach Bezahlung des Zollsatzes von 1 RM pro Kilogramm in das durch Frankreich besetzte Gebiet nach Empfang einer Quittung weiter fahren konnten. Sie kehrten gleich in Homburg in einem kleinen Café ein, um sich zu stärken und dann ging es weiter über St. Ingbert nach dem 31 km entfernten Saarbrücken im Saargebiet, wo die Franzosen jetzt waren. Sie durchfuhren zuerst den Stadtteil St. Johann, überbrückten die Saar und gelangten so durch die Hohenzollernstraße im Stadtteil Saarbrücken in die Vorstadtstraße und dann in die Metzerstraße. Hier ging es nun hinaus den Spickarer Berg entlang, das Schlachtfeld von 1870, wo die Preußen am 6. August die Höhen erstürmten. Dann ging die Fahrt weiter über die französische Grenze und dann durch St. Avold, Lübeln, Füllingen, Kunzel, Urville nach Metz, wo sie spät nachmittags ankamen. Da gerade Pfingstsonnabend war, fanden sie kein freies Zimmer mehr, schrieben auf der Post ein paar Ansichtskarten nach Hause und an die näheren Bekannten und sahen von weitem die französischen Soldaten durch die Straßen marschieren in französischem Schritt. Nachdem sie in einem Restaurant etwas eingenommen und getrunken hatten, gaben sie in einer Garage in der Nähe des Bahnhofes das Motorrad  zur Aufbewahrung auf und setzten uns im Bahnhof wartend hin, um den Morgen beim Verzehren einiger Gläser Bier abzuwarten. Viel geschlafen haben sie dabei nicht.

Kurz vor Tagesanbruch haben sie dann das Motorrad wieder abgeholt und sind durch die Stadt über die Moselbrücke und die Pariser Straße bergan nach Gravelotte und von hier gleich weiter über Mars-la-Tour am Denkmal der Schlacht von 1870 vorbei und weiter über Rezonville usw. nach Verdun gefahren, wo sie gegen 9 Uhr anlangten. Hier tranken sie einige Schoppen Wein in einer Weinkneipe, die sein Freund Lindner ausgab. Die Wirtin hatte aber leider nichts Vernünftiges zu essen und so fuhren sie weiter der Straße entlang, um das Fort Douaumont zu besuchen. Oben angekommen, standen sie vor dem Grab der Tranchée de Douaumont, wo eine große Zahl von französischen Soldaten so verschüttet worden sind, dass sie die blanken Bajonette aus der Erde noch hervorragen sahen. Und wirklich nur die Bajonettspitzen standen aus dem großen Hügel hervor und waren mit Blumenkränzen versehen. Der dort stehende Wachtposten ließ sie aber nicht weiter fahren, weil es eine Einbahnstraße war und die Straße oder besser der Weg in ihrer Richtung verboten war, sodass sie nicht weiterfahren durften und auf die Besichtigung des Fort Douaumont verzichten mussten. Sie besichtigten aber den Platz in der Umgebung des Bajonettgrabens, konnten aber nicht weiter gehen, da überall Warnungsschilder angebracht waren, die auf noch nicht gefundene Granaten hinwiesen. Sie fuhren mit dem Motorrade den Weg wieder hinunter nach Bras und von hier auf die Hauptstraße N 64 weiter im Meusetal hinab über Vacherauville, Samogneux, Brabant-sur- Meuse, Consenvoye, Sivry und Liny nach Dun-sur Meuse. Unterwegs stiegen sie einmal vom Rade ab, um nach zu pumpen, denn die Luft hatte im Hinterrad etwas nachgelassen. Während sie da standen, begegnete ihnen ein Motorwagen mit mehreren Franzosen, die sie im Vorbeifahren beschimpften. Sie konnten jedoch nichts verstehen, sahen bloß, dass sie ihnen drohten. Sie fuhren weiter und stiegen in Dun-sur- Meuse ab, um bei einem Schmied, der Räder reparierte, nachzusehen, ob sie weiter fahren könnten. Durch Nachpumpen des Hinterrades konnten sie weiterfahren und so ging es westlich nach Bantheville weiter. Kurz hinter dieser Ortschaft, wo der Weg nach Buzancy durch einen kleinen Wald abzweigte und der Weg mit Teer beschmiert war, platzte der Hinterreifen, sodass das Rad ein gutes Stück geschoben werden musste und Lindner zwischen zwei Ortschaften auf offener Straße den hinteren Schlauch flicken musste. Auf der trockenen Straße kam ihnen ein Franzose entgegen, der mit dem Rade einen kleinen Sitzwagen zog, worin seine Frau saß. Er stieg vom Rade herunter und seine Frau aus dem kleinen Wagen und erkundigte sich, wo sie noch hinwollten. Als sie sagten nach La Metz, zeigten sie ihnen die Richtung, sobald er aber erfuhr, dass sie das Grab von Lindner Bruder besuchen wollten, stieg der Mann wieder auf sein Rad, während seine Frau noch bei ihnen blieb und Lindner bedauerte wegen des Verlustes seines Bruders. Sie wünschte ihnen noch gute Fahrt und musste ihrem Mann folgen, der sicher ein Deutschenhasser war. Nach einer halben Stunde war die Reparatur am Schlauche fertig und so konnte die Fahrt weitergehen über Buzancy, Harricourt, Brieulles und über die Brücke des Kanals des Ardennes nach Le Chesne. In Vouziers trafen sie dann auch kurz nach 1 Uhr ein. Sie kehrten zuerst in einer kleinen Gaststätte ein, die von einer alten Frau geführt wurde, um sich zu orientieren und etwas zu trinken. Sie zeigte ihnen auch den Weg zu der Stelle, wo die Gräber der Deutschen sein mussten. Es war auf dem Grundstück des Bürgermeisters, den sie dann auch gleich aufsuchten. Sie konnten auch mit dem Herrn und seiner Frau sprechen, mussten aber erfahren, dass alle Gräber der Deutschen ausgegraben und die Leichen nach Vouziers geschafft worden waren. Während Lindner die Grabstellen noch ansah, sprach Franz mit dem Bürgermeister, seiner Frau und noch einem Verwandten von ihm, einem einfachen Mann, der genauso wie sie gegen den Krieg sprach und ihm die Hand gab, keinen Krieg mehr zu wollen. Der Bürgermeister war von den Deutschen nach Deutschland abgeführt worden, weil er kein Futter für die Pferde der eingetroffenen Kavalleristen abgeben konnte, dabei soll er ins Gesicht geschlagen worden sein, wie er ihm erzählte. Bis zuletzt ist er in Waldheim in Sachsen festgehalten worden. Auch seine Frau behauptete, ihr Mann wäre ganz unschuldiger Weise fortgeschleppt worden durch die Preußen, die zuerst hier in Metz eingetroffen wären. Nachdem Lindner seine Notizen am Grabe seines Bruders gemacht hatte, bedankten sie sich für die Auskunft und fuhren gleich weiter am Kanal des Ardennes und von hier nach Semois am Kanal entlang und über die Brücke des Kanals nach Voncq, Ferrier, Vandy zur Straße nach Vouziers, wo sie nachmittags gegen 6 Uhr ankamen. Sie suchten gleich ein Hotel mit Garage aus und wurden auch gut untergebracht in der Rue Chanzy, wo sie sich zuerst im Restaurant gut stärkten, bevor sie weiter fuhren, um die Grabstätten zu suchen. Dann ging es zuerst zum allgemeinen Friedhof, wo ihnen der Friedhofswärter die Liste der begrabenen Deutschen zeigte, sie aber den Namen Lindner nicht finden konnten. Der Mann verwies sie dann nach einem anderen Friedhof ca. 5 km östlich von Vouziers in der Nähe von La Croix aux Bois, wohin sie gleich fuhren. Der dort waltende Friedhofswärter zeigte ihnen die langen Listen der dort beerdigten deutschen Soldaten, ohne dass sie den Namen Lindner feststellen konnten. Dann zeigte er uns die aufgestellten einzelnen losen Knochen an der einen Seite der Friedhofsmauer und meinte, das die Knochen des Gesuchten mit darunter liegen konnten. Nachdem Lindner sich die beiden Haufen rechts und links der Mauer näher betrachtet hatte, mussten sie den Friedhof wieder verlassen, ohne die Grabstätte gefunden zu haben und fuhren nach Vouziers zurück, um im Hotel zu übernachten, nachdem sie zu Abend gegessen hatten. Am anderen Tag holten sie das Rad aus der Garage und verließen Vouziers, um über Blaise, Bourcq, Machault, Cauroy, Hauviné, Betheniville, Pontfaverger, Époye, Berru und Cernay-les-Reims nach der Stadt Reims zu gelangen, eine Stadt, die vor dem Kriege 150 bis 160000 Einwohner hatte und durch die schöne Kathedrale und die Geschichte der Jungfrau von Orléans bekannt war. Reims lag schon 113 km von Verdun und 55 km von Vouziers entfernt durch den Umweg über La Metz Vouziers hatten sie von Verdun schon 150 km zurückgelegt von Metz aus waren es 215 km geworden. Von Nordosten kommend, durchfuhren sie die belebte Stadt, die Kathedrale links lassend bis zum Südwestende, wo sie die Vesle und den Kanal der Aisne zur Marne über die in Reparatur befindliche Brücke überfuhren, um weiter über Jouy les Reims, Bligny, Chambrecy, Ville-en-Tardenois, Romigny und Verneuil nach Dormans an der Marne zu gelangen, d.h. an der Stelle der Marne, wo im Monat Juni 1918 die Deutschen versuchten, in der Schlacht zwischen Soissons und Reims die Marne zwischen Dormans und Chateau-Thierry zu überschreiten, aber durch die Franzosen gezwungen wurden, bis zur Aisne zurückzugehen. In der Schlacht war Lindner dabei gewesen und wurde ebenfalls von den Höhen südlich der Marne durch die französische Artillerie so beschossen, dass an ein Überschreiten des Flusses nicht zu denken war und viele deutsche Soldaten den Tod dabei fanden. Lindner hatte aber das Glück noch heil davon zu kommen. Die betreffende Stelle haben sie nur von der Straße aus zwischen Dormans und Suilly genau angesehen. Dann fuhren sie an der Straße parallel zur Marne weiter nach Reuilly, Crezancy, Blesmes und Chierry und über die Marne nach Chateau-Thierry, wo sie sich nur kurz aufhielten, um über Montreuil-aux-Lions in La Ferte-sous-Jouarre die Marne wieder zu erreichen, von wo aus sie am linken Marneufer, wie Franz vor 6 oder 7 Monaten mit dem Rade die Stadt Meaux zu erreichen. Hier wurde es bald dunkel, sodass sie sich eilen mussten, die Außengrenze von Paris noch zu erreichen, die immer noch einige Kilometer von Meaux entfernt war. Bald kamen sie aber durch Villeparisis und Livry, wo sie die Dampfstraßenbahn erkannten, die bis hier raus fuhr. Bald kamen sie auch an die Eisenbahnbarriere in Gargan, wo Franz im Herbst 1928 übernachtet hatte. Der Wirt erkannte ihn nicht sofort, jedoch nach einer Weile sagte er zu seinem Sohne „c’est lui“ – „er ist es“, und so war die Begrüßung umso herzlicher. Sie setzten sich sofort hin und tranken zusammen auf das gute Gelingen der Fahrt bis Gargan. Gargan gehört nicht zur Stadt Paris und liegt im Departement de la Seine direkt an der Grenze von Großparis und ist mit der Eisenbahn und der elektrischen Straßenbahn mit der Hauptstadt verbunden. Nachdem sie sich etwas erholt hatten, gingen sie mit dem Rade über die Eisenbahngleise in die Vorstadt Les Pavillons in eine Garage zur Aufbewahrung des Motorrades. Dabei benutzte Lindner die Gelegenheit, 2 neue Radreifen mit Schlauch zu bestellen und zwar die Marke Michelin, damit sie die Rückfahrt sicher antreten konnten. Er hatte sowieso die Absicht gehabt, in Paris ein Paar neue Radreifen zu bestellen, die er hier viel billiger erstehen konnte als in Leipzig. Der Besitzer der Garage versprach auch die Reifen zu liefern und bis zum nächsten Tage aufzuziehen. Dann kehrten sie zum Gasthof zurück und, nachdem sie zu Abendbrot gegessen hatten, Spiegeleier mit Schinken, legten sie sich schlafen. Franz konnte feststellen, dass sich die Klosettverhältnisse seit seinem letzten Besuch sehr verbessert hatten. Anstatt des alten Klosetts aus Holz, bestand dasselbe jetzt aus einem großen 1 ½ Meter im Quadrat Auffangbecken mit einem 1 ½ cm runden Rost in der Mitte zum Auffangen der Ausscheidungen. Das Spülen erfolgte dann nach Ziehen der Kette gleichzeitig von allen vier Seiten. Da der Wein in Frankreich sehr billig war ungefähr 2 Franc die Literflasche, haben sie immer viel Weißwein, sogenannten Landwein, getrunken bereits von Metz an. Der Wein hat ihnen auch immer gut geschmeckt. Rotwein haben sie seltener getrunken, trotzdem er auch nicht teurer war als 2 Franc oder 20 Pfennige die Flasche. Am anderen Tag fuhren sie von Les Pavillons mit der elektrischen Straßenbahn nach Paris durch die Vorstädte Noisy bis zur Porte des Lilas, wo sie die Untergrundbahn bestiegen bis zum Gare de Lyon. Nicht weit davon fanden sie die Rue Ledry-Rollin, wo ihr Vertreter für Frankreich, Herr Raymond Roux, sein Büro hatte. Herr Lindner hatte von der Direktion der Pittlerwerke in Wahren den Auftrag erhalten, in Saunt-Denis eine Fabrik aufzusuchen, die wegen einer aus Leipzig bezogenen Pittler-Revolverdrehbank Modell FRA oder GRA eine Reklamation wegen des Antriebes geschickt hatte. Er sollte wenn möglich die Maschine dort wieder in Ordnung bringen. Herrn Roux war es sehr angenehm und wollte am nächsten Tag selbst hinauskommen, um der Reparatur beizuwohnen. Sie besprachen, sich in St. Denis in der Fabrik zu treffen und gingen dann zu Fuß zurück nach Gargan über den Place de la Bastille über die Seine nach der Insel Saint Louis durch das ganze alte Paris, die Rue St. Louis zur Kathedrale Notre Dame, welche sie von vorn besichtigen konnten.

Notre Dame vom Schiff aus gesehen
Notre Dame vom Schiff aus gesehen

Dann gingen sie über eine der südlichen Brücken der Seine in das Viertel Saint Germain und weiter in die Richtung des Eiffelturmes, der von weitem zu sehen war. Am Hotel des Invalides vorbei kamen sie zum Champ du Mars

Champs du Mars
Champs du Mars

und zum 300 Meter hohen Eiffelturm, der zur Weltausstellung im Jahre 1889 errichtet worden war, und den Franz bereits im Jahre 1900 mit Elsa und seinem Freund Wommer bestiegen hatte.

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Auch dieses Mal wurde der untere rechte Fahrstuhl benützt, und sie fuhren zuerst bis zum Restaurant in der ersten Etage. Hier stiegen sie aus und fuhren mit dem oberen Fahrstuhl senkrecht zum 2. Stock, wo nur Ansichtskarten zu kaufen waren und andere Andenken. Die Aussicht war von hier oben sehr schön über die ganze Stadt Paris, obwohl das Wetter etwas trübe war.  Nachdem sie Paris genügend bewundert hatten von oben, gingen es mit dem Fahrstuhl wieder hinunter, um im Restaurant ein Glas Bier zu trinken. Dann verließen sie den Eiffelturm, nachdem sie ein paar Ansichtskarten nach Hause geschrieben und oben in den Briefkasten gesteckt hatten. In einem Volksrestaurant nahmen sie dann das Mittagessen ein und gingen anschließend durch den Boulevard St. Michel und den Boulevard Sebastopul ca. 7 km zu dem Bahnhof de l’Est, wo sie die Straßenbahn nahmen, um zurück nach Gargan zu gelangen, das 9 km von den alten Befestigungen von Paris, die jetzt abgebrochen wurden, entfernt war. Sie wollten sich auch noch einmal nach dem Motorrad umsehen, um nach Versailles fahren zu können. Leider waren die Ersatzreifen noch nicht eingetroffen und so mussten sie noch 1 bis 2 Tage warten. Am Bahnhof Gargan kaufte Franz einen kleinen Fahrplan der Vorortzüge und konnte feststellen, dass man, von Gargan mit der Ringbahn bis zur Straße von Paris nach St. Denis bequem fahren konnte. Sie fuhren also am anderen Morgen gegen 8 Uhr von Gargan ab mit der nördlichen Ringbahn in Begleitung von Männern und Mädchen, die in Paris zur Arbeit gingen. Die Unterhaltung zwischen den Leuten war sehr lebhaft. An der Haltestelle St. Denis stiegen sie aus und nahmen die Straßenbahn nach der Vorstadt, wo sie  glücklich ankamen. In St. Denis kaufte Franz sich ein paar Zigarren und Lindner einige Päckchen Zigaretten, bevor sie zu der Fabrik gingen, wo die Pittler-Drehbank repariert werden sollte. Dort angekommen, konnten sahen sie die betreffende Revolverdrehbank gleich in Betrieb. Es war eine moderne Fabrik mit großen Arbeitssälen. Lindner stellte gleich fest, dass die Antriebsscheibe nicht durchzog. Herr Roux war inzwischen mit einem Auto eingetroffen und sollte gleich nach Leipzig berichten, dass die Firma Pittler einen Satz Reibklötze für den Reibantrieb schicken sollte, um die Sache zu beheben. Damit war die Sache erledigt und sie  fuhren mit Herrn Roux im Auto zurück nach Paris bis zum Befestigungsgürtel bis zur Porte de Clignancourt, wo sie von Herrn Roux Abschied nahmen. Sie waren eigentlich enttäuscht, dass er sie nicht zu einem Schoppen eingeladen hatte, was er auf Kosten der Firma gut hätte machen können. Sie gingen die nächste Straße hinunter in Richtung des Viertels Montmartre und kehrten zum Mittagessen in ein gutes Lokal ein, wo sie sich stärken konnten. Dann ging es weiter zur Kirche Sacre-Coeur, die moderne Basilika in romanisch-byzantinischem Stil auf dem Montmartre.

Sacreceur
Sacrecoeur

Der weiße Bau ist auf dem höchsten Punkt von Paris gelegen und ist weithin sichtbar, sie ist erst 1919 vollendet worden. Sie stiegen dann die winkligen Straßen von Montmartre

Montmartre

weiter hinab und kamen auf den äußeren Boulevard, wo sie in einem Weinrestaurant eine Flasche Rotwein bestellten und dabei den starken Verkehr auf dem Boulevard gut beobachten konnten. Dann ging es weiter zum Bahnhof St. Lazare, dem größten Bahnhof von Paris, wo sie sich in der Nähe rasieren ließen. Nachdem sie sich in einem Bankgeschäft etwas Geld umwechseln ließen, lösten sie  Fahrkarten nach Versailles. Der Zug war ziemlich stark besetzt. Sie fanden aber noch je einen Sitzplatz in dem modernen Eisenbahnwagen III. Klasse, der bereits damals mit II. Klasse-Garnitur versehen war. Sie fuhren aber über Clichy-Lavallon-Neuilly, St. Eland, Ville d’Anincy nach Versailles (20 km), wo sie am Bahnhof sine droite ankamen. Sie kehrten in einem Restaurant an einer der großen Straßen, die zum Schloss führten, ein und tranken erst einen Schoppen Wein, um dann zum Schlosspark zu gehen.

Versailles

Versailles

lm Zug fuhr nicht zum Bahnhof St. Lazare, sondern nach dem Bahnhof Montparnasse am linken Seine-Ufer. Der Zug war schwach besetzt, sodass sie ziemlich allein waren in dem Wagen, wo außer in den Innenabteilen auf dem Dache Sitzbänke waren, wo sie auch nochmals aufstiegen während der Fahrt. Leider war von der schönen Gegend nichts zu sehen, weil es inzwischen ganz dunkel geworden war. In Paris angekommen, waren sie  enttäuscht die Straßen so leer und ohne Verkehr zu finden und gingen den Boulevard La Montparnasse entlang mit Blick auf den von vielen elektrischen Lampen erleuchteten Eiffelturm, der ihnen die richtige Richtung zeigte. Es waren in dieser Gegend auch keine Lokale zu entdecken, denn sie wären gern noch einmal im Quartier Montparnasse eingekehrt und so wanderten sie weiter in die Richtung des Viertels Grenelle, wo sie in der Nähe des Place Cambonne ein großes Restaurant betraten, das sehr besucht war und sie etwas essen und trinken konnten. Gegen 10 Uhr begaben sie sich zum nahen Untergrundbahnbahnhof und fuhren mit der Untergrundbahn nach Montmartre, wo sie am Place de Clichy ausstiegen. Hier war schon mehr Leben und so wanderten sie auf dem Boulevard de Clichy weiter, wo sie von zwei Damen angesprochen wurden. Mit den Damen tranken wir zuerst ein paar Glas Bier an der Ecke der Rue Lepic, wo die Stühle und Tische auf dem Fußweg standen genauso wie in Brüssel. Hintereinander kamen Künstler vorbei, komisch angezogen, die ihnen auf verschiedenen Musikinstrumenten etwas vorspielten. Auch Künstler, als altes Weib angezogen, kamen vorbei und spielten ihnen etwas vor. Nach einiger Zeit gingen sie weiter und haben noch einige Weinlokale besucht, wo eine Musikkapelle, sowie sie mitbekam, dass sie Deutsche waren, deutsche Weisen spielen wollten. Franz hat es abgelehnt und bat darum, französische Weisen weiter zu spielen, da sie  deutsche Lieder in Deutschland genug hören konnten. Es muss wohl 4 Uhr früh gewesen sein, als er sich entschloss, dem Weintrinken ein Ende zu machen, da die Damen teure Weine, z.B. Sauternes (ein weißer Bordeauxwein) oder Champagner trinken wollten. Kurz entschlossen stand Franz auf und sagte gute Nacht und ging einfach hinaus, denn sonst wäre es noch bis weiter gegangen, da die Kneipen auf dem Montmartre die ganze Nacht auf haben. Er bat Lindner, bald nachzukommen und ging hinaus auf den Boulevard de Rochechanard, wo sie  zuletzt angelangt waren. Dann kam der Boulevard de Magenta, der zu den Bahnhöfen führte. Es dauerte aber nicht lange, da hörte er Lindner „Franz“ rufen. Er hatte sich von den Damen ebenfalls losgelöst und kam ihm  nach. Sie gingen dann zusammen am Nordbahnhof vorbei zum Ostbahnhof, wo sie zuerst wieder wechseln mussten, denn das französische Geld war bei der Tour ziemlich alle geworden, trotzdem der Wein doch sehr preiswert war 2 bis 3 Francs die Flasche. Da die Wechselstuben geschlossen waren, es war inzwischen gegen 5 Uhr früh geworden, so bot sich ein Eisenbahnangestellter an, ihnen das Geld preiswert wie am Schalter zu wechseln. Mit geringem Verlust erhielten sie von dem Mann 50 Mark gewechselt und konnten eine Fahrkarte nach Gargan lösen. Es ging auch bald ein Zug und so kamen sie gegen 7 Uhr früh in Gargan im Hotel wieder an. Der Wirt wunderte sich nicht, dass sie so frühzeitig zurückkamen. Als Pariser war er das von seinen Gästen wohl gewohnt. Sie tranken Kaffee und legten sich schlafen bis zum Mittag. Als sie zum Autohändler in Les Pavillons kamen, war das Motorrad noch nicht in Ordnung, gegen 2 Uhr jedoch würden die Reifen aufmontiert sein, die er erst vor kurzem erhalten hätte. Als sie gegen 2 Uhr nach dem Mittagessen herüber kamen, waren die neuen Michelinreifen aufmontiert, sodass sie sofort abfahren konnten, nachdem Lindner die Rechnung beglichen hatte. Die Hotelrechnung hatten sie  bereits bezahlt, die nicht allzu teuer war.

Sie verabschiedeten sich von ihrem freundlichen Wirt und seinem Sohn und fuhren von Les Pavillons nach Compiegne. Sie kamen an dem Flugplatz von Le Bourget vorbei und fuhren weiter auf der Nationalstraße Nr. 2, die nach Brüssel führen sollte. Sie kamen zuerst durch Louvres, La Chapelle, Pontarmé, dann durch das schwer zerstörte Senlis, das aber teilweise schon wieder aufgebaut war, dann weiter durch Chamant, Villeneuve sur Verberie und durch den schönen Wald von Compiegne und durch die Stadt Compiegne, wo sie sich zu sehr links hielten und ca. 6 km zu weit nach Westen fuhren, die sie wieder zurückfahren mussten. Dann fanden sie wieder die richtige Straße und fuhren im Tal der Oise weiter durch Clairoix, Janville und Thourotte, wo sie aber ein neues Gewitter überraschte, sodass sie auf der Weiterfahrt ziemlich nass wurden. Bei Ribécourt mussten sie einkehren, weil der Regen immer stärker wurde. Die Kneipe war von Arbeitern besetzt, die auch das Wetter vorübergehen lassen wollten. An einem Grenzstein, nicht weit von der Kneipe, konnten sie lesen, dass hier hinter Ribécourt die Stelle war, an der die deutsche Armee am weitesten in Frankreich vorgedrungen war und dieselbe von den Franzosen aufgehalten worden war bei der großen Schlacht in Frankreich im Jahre 1918. Nachdem es aufgehört hatte zu regnen, fuhren sie weiter in Richtung Noyon, wo sie  feststellen mussten, dass der Motor nicht mehr richtig durchzog und zu streiken anfing. Sie hielten vor einer Radfahrhandlung und der Besitzer stand gerade in der Tür. Franz frug ihn, ob er einmal sehen wolle, was dem Motor fehle. Er antwortete einfach, es wäre 6 Uhr durch und er mache Feierabend. Sie sollten versuchen, den Fehler selbst zu finden. Er wolle ihnen gerne das Werkzeug dazu geben. Leider fand Lindner nicht gleich, woran es lag, dass der Motor aussetzte. Nach Abschrauben des Deckels am Vergaser fanden sie aber, dass bei dem Regen Wasser in den Vergaser eingedrungen und die Ursache für das Versagen der Benzinzuführung war. Nachdem das Wasser entfernt worden war und der Vergaser wieder zugeschraubt, ging der Motor wieder an. Der Ladenbesitzer nahm jedoch nichts, da er meinte, er hätte doch nicht geholfen. Sie fuhren also weiter über Guiscard, Golancourt und Muille-Villette nach Ham, wo sie gleich hinter dem Eisenbahnübergang ein kleines Hotel entdeckten, wo sie übernachten konnten. Die Wirtin, eine älter Frau, war sehr freundlich und setzte ihnen gleich auf Verlangen eine Karaffe Weißwein und Mineralwasser sowie Brot und etwas zu essen vor. Auf ihe Frage, wie es ihr während des Krieges ergangen sei, sagte sie, dass bei der Besetzung durch die Deutschen das Geschäft gut gegangen sei. Die Soldaten hatten 1917 das Bier gut bezahlt. Als später die Franzosen, ihre Landsleute, 1918 wieder gekommen seien, sei es ihr schlechter gegangen, denn die nahmen alles ohne weiteres weg unter der Bemerkung „c’est la guerre“. Erst am 6. September 1928 wurde das Städtchen von den Deutschen wieder eingenommen. Auch hier haben sie gut geschlafen, nur die Klosettanlage war sehr primitiv. Das Fallloch einfach aus Holz und vollkommen frei ohne Wasserspülung, sodass Franz froh war aus dem engen Raum wieder ins Freie zu kommen. Sie fuhren weiter über St. Salpice, Fluquiéres nach der größeren Stadt Saint-Quentin mit 56000 Einwohnern, welche sie von Südwesten nach Osten durchfuhren, um über Homblieres, Süd Chigny und Guise nach La Capelle zu gelangen und von hier in südliche Richtung nach Maubeuge, wo sie gegen Mittag ankamen. Hier wurde eingekehrt und etwas zu Mittag eingenommen. Da die Straße gesperrt war, mussten sie einen kleinen Umweg machen, um die Straße nach Belgien zu erreichen. In Battignies war das französische Zollamt, wo die Grenzformalitäten reibungslos erledigt wurden. Lindner erhielt das bezahlte Geld für den französischen Zoll ohne weiteres zurück und so konnten sie 2 km die belgische Zollstelle erreichen, wo wiederum der Zoll für das Rad hinterlegt werden musste. Nun ging es weiter auf gepflasterter Straße direkt nach Mons, der Hauptstadt der belgischen Provinz Hennegau, die sie durch die Hauptstraße und am Rathaus auf dem Markt vorbei glatt durchfuhren, um die Hauptstraße nach Brüssel zu erreichen, die nur noch 55 km von Mons entfernt war. Es ging also weiter über Nimy, Maisieres durch Wald und Wiesen bis Soignies, wo sie abstiegen, um in einer Arbeiterkneipe etwas einzunehmen. Das Gastzimmer war vollbesetzt, denn die Arbeiter hatten, weil Sonnabend war, gerade Feierabend gemacht und tranken ihren Schnaps, bevor sie nach Hause gingen. Soignies ist berühmt für seine Steinkirche. Es wurde wohl etwas gemurmelt, als sie eintraten, da Franz sich als Brüsseler ausgab, beruhigten sich die Leute sofort und ließen sie in Ruhe, denn die Wallonen sind Deutschen schlechter gesinnt als die Franzosen. Von einigen jungen Leuten wurde das Rad in Augenschein genommen. Sie fuhren aber bald weiter über Braine-le-Comte, Tubize und Halle, für Franz gut bekannte Ortschaften, nach Brüssel zu seiner Schwester in die Rue Moretus 5. Sie fuhren bis zum Boulevard du Midi, wo die Straße seiner Schwester einmündete.

Franz ging zuerst zu seinem Schwager hinauf, um sich zu erkundigen, wo die nächste Garage zu finden sei. Die Freude seiner Schwester war groß, wie sich denken lässt. Sie fuhren also in eine Garage an der anderen Seite des Boulevards und lieferten dort das Rad gegen eine Quittung ab. Da bei seiner Schwester für zwei Mann nicht genügend Platz zum Übernachten war, fuhren sie mit Louise mit der Straßenbahn nach Walmere St. Lambert, wo seine Cousine Emma Wynyander wohnte, um dort zu logieren. Es war im Osten der Stadt, also gerade in entgegengesetzter Richtung. Als sie ankamen, war Emma nicht da, sodass sie gleich zurückgefahren sind. Louise richtete sich so ein, dass auch Lindner bei ihr  übernachten konnte. Léon schlief die Nacht mit Louise eine Treppe höher. Am anderen Morgen, es war wohl gerade an einem Sonntag, nahmen sie Abschied von Léon und Louise und holten das Rad aus der Garage, um weiter zu fahren.

Sie fuhren über die Boulevards und das Hallesche Tor um die Altstadt herum bis zur Rue de la Loi und durch diese lange gerade Straße, um den Parc du Cinquarantenaire, wo im Jahre 1880 die erste von Franz mit seiner Mutter besuchte belgische Nationalausstellung stattfand, hindurch, zur Avenue de Tervueren und hier durch die schöne Brüsseler Landschaft nach Tervueren am Ausstellungspark und am Palais du Congo mit dem Musée Colonial von 1897 vorbei und weiter über Berthem durch die im Jahre 1914 viel geprüfte Stadt Löwen mit dem berühmten gotischen Rathaus aus dem XV. Jahrhundert ohne Aufenthalt hindurch zur Straße nach Piemonte, welche Stadt sie auch bald erreichten, um über Sint Truiden auf die gerade nach Lüttich führende Straße zu fahren. Zwischen Sint Truiden und Lüttich stiegen sie  einmal ab, um etwas auszuruhen und betrachteten das schöne fruchtbare Land der Herbage (Haspangen), das so frei vor Ihnen lag. Bald fuhren sie jedoch weiter, um in Loncin, die Trümmer des Forts von Loncin, zu besichtigen, das am 15. August 1914 durch eine Pulverexplosion zerstört worden war. Bei der Katastrophe wurden 550 belgische Soldaten verschüttet. Ein Denkmal war an der betreffenden Stelle errichtet worden. Nachdem sie die schrecklichen Ruinen des Forts besichtigt hatten, gingen sie wieder zur Straße und fuhren gleich weiter, um über Ans bergab nach Lüttich, 98 km von Brüssel zu gelangen. Sie fuhren durch die Vorstadt Sainte Margarite und dann durch die Rue Leopold bis an das Maasufer und dem Quai St. Leonard entlang bis zum Eingang der Weltausstellung, die sich an der Maas befand. Das Motorrad konnten sie gut zur Aufbewahrung geben und lösten sich je eine Eintrittskarte. Zuerst besuchten sie den Stand ihres Vertreters Herrn van Hoff, der ihre Revolverdrehbänke ausgestellt hatte. Van Hoff selbst war ja nicht anwesend, sondern nur der Vertreter, der ihnen die ausgestellten Maschinen gern zeigte. Nachdem sie eine kurze Runde durch die Maschinenhalle gemacht und die übrige Ausstellung schnell besichtigt hatten, dachten sie, da es schon 4 Uhr geworden war an das Weiterfahren, weil sie noch bis Opladen zwischen Köln am Rhein und Düsseldorf kommen wollten, um einen Freund des Herrn Lindner zu besuchen, wo sie auch übernachten wollten. Die Ausstellung in Lüttich, die gleichzeitig eine flämische Ausstellung über Kolonien, Schifffahrt, Verkehrswesen usw. bis 1830 umfasste, fand aus Anlass der Jahrhundertfeier der belgischen Unabhängigkeit statt. In Lüttich waren die Abteilungen Großindustrie, Wissenschaft wie auch die wallonische Kunst vertreten.

Nach Angaben der Bewachung am Radstand war der beste Weg nach Aachen der Maas entlang bis Herstal und dann über die Maasbrücke nach Wandré, wo der Weg am rechten Ufer der Maas weiter ging nach Visé-Maton. Sie folgten dem angegebenen Weg Richtung Wandré, bei Argenteau rechts einen Serpentinenweg hinauf und wären oben in dem Ort Dalhem in einer Kurve bald mit einem Radfahrer zusammengeprallt, wenn Lindner nicht schnell seitwärts gelenkt hätte. Dann kamen sie auf der Straße von Visé nach Henri-Chapelle, die leider neu gepflastert wurde, sodass sie mindestens 10 Minuten lang das Rad schieben mussten. Dann ging es lustig weiter den Gebirgskamm entlang, um bei Hagelstein auf guter Straße hinabzufahren nach Henri-Chapelle und so auf die Hauptstraße von Lüttich nach Aachen zu gelangen. Von Henri-Chapelle aus kamen sie bald an die alte belgisch-deutsche Grenze, der sie bis Moresnet folgten, um hier an der Endstation der Aachener Straßenbahn einzukehren. Die Gastwirtschaft war durch Bewohner aus Aachen sehr besucht, da hier doch alles viel billiger war als in Aachen selbst. Sie nützten die billige Gelegenheit noch einmal aus und aßen und tranken für billiges Geld. Lindner kaufte sich mehrere Pakete belgische Zigaretten, wobei der Gastwirt auf die belgischen Verhältnisse tüchtig schimpfte infolge von Steuern, Lebensverhältnissen usw. Nach kurzer Zeit fuhren sie weiter, um zuerst die belgische Kontrolle zu passieren und das Zollgeld für das Rad zurückzuerhalten und dann ca. 500 Meter die deutsche Kontrolle zum Vorlegen der Pässe. Dann waren sie wieder auf deutschem Boden und fuhren von Tulje die Straße hinunter durch den schönen Aachener Wald in die Lütticher Straße und durch die Jacobstraße über den Hansemann Platz der Jülicher Straße nach Haaren, Weiden, Aldenhoven ohne Aufenthalt durch Jülich und weiter durch Bergheim, Ichendorf und Müngersdorf direkt nach Köln am Rhein, wo sie von der Aachener Straße links im Hohenzollernring einbogen und den weiteren Ring nach Norden folgend den Kaiser Wilhelm Ring, den Hansaring und der Richterstraße entlang bis zur Mühlheimer Brücke über den Rhein, die sie bei eintretender Dunkelheit überfuhren, um dann durch die Düsseldorfer Straße nach Opladen zu gelangen. Da es inzwischen dunkel geworden war, dauerte es eine längere Zeit, bis wir die Wohnung des Freundes gegen 11 Uhr abends fanden. Die Freude zwischen Lindner und dem Freunde war natürlich groß. Da es nun so spät geworden war, war für Franz nicht daran zu denken noch nach Benrath zu kommen und so blieb er diese Nacht in Opladen, wo er bis zum anderen Morgen gut geschlafen hat. Da Lindner am nächsten Tag in Opladen bleiben wollte, so fuhr er früh gegen 6 Uhr mit der Eisenbahn nach dem Ort Benrath (15 km) um seinen Sohn Herbert zu besuchen, wo Lindner ihn am anderen Tag früh um 5 Uhr abholen sollte. Er kam auch gut in Benrath an und fand die Wohnung ohne weiteres. Herbert und Hilde freuten sich sehr, ihn einmal wieder zu sehen. Mit Herbert besuchte er dann den Schlossgarten aus dem XVII. Jahrhundert und die Hauptstraße des Städtchens, das 2200 Einwohner zählte.

Wer am anderen Tag nicht pünktlich kam, war sein Freund Lindner, der mit seinem Freund die Stadt Köln besucht hatte und nicht Zurzeit zurückgekommen war. Mit mehr als einer Stunde Verspätung kam er endlich mit dem Motorrad, um Franz abzuholen. Sie fuhren auch gleich ab gegen 6 Uhr früh oder etwas später und nahmen gleich die direkte Straße nach Elberfeld über Hilden, Haan und waren bald in Vohwinkel, wo die Endstelle der Elberfelder Schwebebahn mit dem Bahnhof zu sehen war. Durch die Hauptstraße waren sie bald in Elberfeld, wo die Straßen gerade gesprengt wurden, sodass das Durchfahren durch die Königsstraße für Lindner nicht so einfach war. Nach Elberfeld kam die Wupperstadt Barmen und dann die Gemeinde Langerfeld und das Nachbarstädtchen Schwelm dauerte es sehr lange bis sie  durch die Wuppertalstädte hindurch kamen und wieder eine freie Straße fanden. Ohne Aufenthalt ging es dann weiter über Milspe, Gevelsberg und Haspe nach Hagen, wo sie sich nicht aufhielten, sondern gleich weiter fuhren nach Hohenlimburg und weiter über Letmathe nach Iserlohn kamen und über Hemer nach Menden gelangten, um rechts im Hönnetal, wo die Straße nach Kassel rechts weiter führte und sie über Neheim und Hüsten zur großen Ruhrkehre in Arnsberg gelangten, wo sie frühstückten in einer kleinen Weinkneipe und die Leute noch nicht ganz munter waren. Es war wohl zwischen 7 und 8 Uhr vormittags geworden und das Frühstück tat ihnen gut. Nachdem sie sich genügend ausgeruht hatten, fuhren sie im Ruhrtal weiter über Oventrop, Freiensohl, Wennemen, Laer, Meschede, Nuttlar, Altenbüren, Brilon, an den Briloner Bergen vorbei über Niedermarsberg, Westheim und Wrexen nach Scherfede an der Straße von Paderborn nach Kassel, um dann in Richtung Kassel auf immer schöner Straße weiter zu fahren und über Rimbeck, Ossendorf und Warburg nach Kassel zu gelangen. Dann fuhren sie auf der Kasseler Straße über Niederlistingen, Obermeiser, Westuffeln bis Calden, wo sie, um die Stadt Kassel zu vermeiden, links nach Immenhausen abgebogen sind, um von hier über Holzhausen und dann weiter bergab über Wilhelmshausen ins Fuldatal zu gelangen. Leider war der Weg von hier nicht zu befahren, weil er bis hinunter zur Fulda neu geschüttelt wurde. Sie mussten das Rad einige hundert Meter schieben, bis sie ins Tal der Fulda gelangten. Dann ging es glatt weiter, teilweise an der Fulda entlang bis Neu-Münden, wo sie über die Brücke die Fulda überfuhren und nach Hann. Münden gelangten. Durch die Lange Straße fuhren sie am Rathaus vorbei und dann über die Werrabrücke in die Vorstadt Blume, wo sie sich in einem Gasthof niederließen, um etwas zu essen und zu trinken. Münden hat 12500 Einwohner und ist rings von Bergen und Wäldern umgeben am Zusammenfluss von Werra und Fulda, die hier den Namen Weser erhielten. Münden ist eine der schönst gelegenen Städte der Welt nach Alexander von Humboldt eine der 7 schönst gelegenen Städte der Welt. Die Stadt zeichnet sich durch eine große Zahl prachtvoller Fachwerkbauten mit schönen Holzschnitzereien aus. Südlich von Münden verläuft die Sprachgrenze zwischen hoch- und niederdeutsch. Nachdem sie sich genügend gestärkt hatten, mussten sie den Ort verlassen, denn sie  hatten bis Leipzig-Wahren noch 215 km zurückzulegen und wollten doch gern den Tag nach Hause kommen. Dabei war es schon 5 Uhr nachmittags geworden. Es ging also bald weiter der Werra entlang in Richtung Witzenhausen. Dann kamen sie durch Heiligenstadt, Worbis, Bleicherode und die größere Stadt Nordhausen, welche sie glatt durchfuhren, um noch vor der Dunkelheit nach Sangerhausen zu gelangen, wo sie eine kurze Rast nahmen, um die Lampe in Ordnung zu bringen, denn bis Wahren waren es immer noch 81 km. Nachdem sie ein Glas Bier genommen hatten, ging es dann mit Licht weiter durch Eisleben und durch die letzte große Stadt Halle an der Saale, wo sie versuchten, um die Stadt zu fahren, weil das Schlusslicht am Rade nicht in Ordnung war und sie  vermeiden mussten, von der Polizei bemerkt zu werden. Es gelang ihnen auch, unbemerkt durch die Stadt zu kommen und die Leipziger Straße zu erreichen, sodass sie über Gröbers und Schkeuditz zwischen 1 und 2 Uhr morgens glücklich in Wahren in der Fabrik anlangten. Der Nachtwächter ließ sie auch gleich hinein, sodass sie sich ihre Fahrräder nehmen und gleich weiter nach Hause fahren konnten.

Leider war das bei Franz nicht so leicht gesagt wie getan, denn als er vor der Fabrik auf das Rad steigen wollte, versagte das Gleichgewichtsgefühl, sodass er das Rad nicht lenken konnte und gegen die Trottoirkante fuhr. Durch das lange Sitzen auf dem Soziussattel des Motorrades waren seine Arm- und Fußmuskeln steif geworden und versagten den normalen Dienst. Er musste mehrmals versuchen aufzusteigen und zu lenken, bis es ihm gelang, endlich die Gewalt über das Rad wieder zu gewinnen und er die Pittlerstraße hinunter fahren konnte. Er fuhr dann weiter wie gewöhnlich über Möckern durch das Rosenthal und war froh, als er in Leipzig in die Schützenstraße einbiegen konnte, ohne einen Unfall erlitten zu haben. Die Fahrt nach Paris und zurück war beendet und am nächsten Tag fanden sich die beiden in ihrem Büro ein.

Die 10. Reise nach Belgien: 1930

Ende Juni des Jahres 1933 unternahm Franz wieder eine Reise nach Brüssel zu seiner Schwester Louise mit der Absicht, viele Städte in Belgien zu besuchen, die er noch nicht gesehen hatte, und er versprach Helene, das Grab ihres Mannes in Waterloo zu besuchen, um den jetzigen Zustand festzustellen. Er nahm wie immer ein 15 Tage-Abonnement für die belgischen Staatsbahnen, das über das Leipziger Messamt leicht zu bekommen war, und fuhr dann über Magdeburg nach Hannover, um von hier in den Zug von Berlin nach Köln umzusteigen. In Köln nahm er den Zug nach Paris und wunderte sich über die schönen französischen Eisenbahnwagen III. Klasse mit Plüschsitzen, die viel schöner waren als die  deutschen Wagen. Die belgische Grenze und die Passkontrolle wurde ohne Schwierigkeiten passiert und statt in Lüttich in den belgischen Zug nach Brüssel zu steigen, blieb er sitzen und fuhr weiter durch das Maastal über Huy, Andenne, Namur bis Charleroi, wo er in den direkten Zug nach Brüssel Midi umstieg, um bei Waterloo den Löwenhügel (Butte du Lion) von 60 Metern Höhe zu bewundern, wo Napoleon I. im Jahre 1815 die Schlacht verloren hatte. Er kam glücklich nach 2 Uhr nachmittags im Südbahnhof von Brüssel an und traf dort seine Schwester, die ihn wie immer abholte. Nach dem Mittagessen ging er dann mit Leon in die Stadt, um die gewöhnliche Tour durch dessen Kneipen zu absolvieren. Während der 14 Tage seines Aufenthaltes besuchte er vormittags mehrere belgische Städte, die von Brüssel leicht mit den schnellen Durchgangszügen zu erreichen waren, so z.B. Antwerpen, wo er vor allen Dingen den im Jahre 1933 eröffneten Fußgängertunnel unter der Schelde besuchte und bis zum entgegengesetzten Ende in St. Änneken durchgelaufen ist.

Fußgängertunnel unter der Schelde in Antwerpen
Fußgängertunnel unter der Schelde in Antwerpen

Nachdem er dort eingekehrt war, ging er den Weg durch den Tunnel wieder zurück, um die schönen Marmor- oder Porzellanwände genauer anzusehen. Auch hat er den östlichen Eingang des Autotunnels weiter nördlich angesehen, der aber nur mit Verkehrsmitteln durchfahren werden konnte und, da hier beiderseits keine Aufzüge vorgesehen waren, entsprechend länger ist. Die Länge der Tunnel beträgt wohl zwischen 580 und 600 Meter, da die Schelde allein 400 bis 600 Meter breit ist vor der Stadt.

In Brügge besuchte er wieder den altertümlichen Markt mit den Hallen und dem Belfried aus dem 13. Jahrhundert mit seinen 85 Metern Höhe und dem schönen Glockenspiel.

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Der Belfried in Brügge

Auch in Ostende war er, um nochmals das Badeleben zu genießen und bis Westende den Damm entlang zu gehen. In Ypern besichtigte er ebenfalls die Hallen-Ruinen, die teilweise wieder aufgebaut worden waren, und das Ehrendenkmal für die bei Ypern gefallenen englischen Soldaten und Offiziere in Gestalt eines mächtigen Triumphbogens, auf dessen Innenwänden die Namen der Gefallenen verzeichnet sind.

Mit Louise und Leon war er auch in Hofstade, einem Dorf nicht weit von Mecheln, das er früher nie besucht hatte, und wo nun – jedenfalls seit der Weltausstellung im Jahre 1930 in Lüttich und Antwerpen – ein großes Freiluftbad und ein künstliches Dorf mit vielen Gaststätten – in Häusern im flämischen Stil bunt bemalt – errichtet worden war. Von Weerde aus eine Station vor Mecheln war extra eine Umgehungsbahn gebaut worden, die über Hofstade um Mecheln herumführt. Sie stiegen aber in Hofstade aus und haben sich das künstliche Dorf eingehend angesehen. Mit einem Omnibus sind sie dann nach Mecheln gefahren, die alte Stadt, wo Franz von 1886 bis 1888 mit seinen Eltern in der Rue de l’Arsenal Nr. 34 gewohnt und 2 Schulen sowie die Kunstakademie besucht hat. Geradewegs ging es anschließend nach Brüssel (Nord) zurück.

Um sein Versprechen, was er Helene gegeben hatte, zu erfüllen, fuhr er dann eines Tages früh über Löwen nach Aerschot, um mit der Vicinalbahn von hier nach Waterloo zu gelangen. In Waterloo war aber das Grab der drei Deutschen nicht mehr zu finden und er erfuhr dann in dem ihm bekannten Gasthof, dass die Deutschen ausgegraben und nach Bourg-Leopold auf einem deutschen Friedhof bestattet worden waren. Es blieb ihm nichts weiter übrig als nach Brüssel zurückzufahren, wobei er in Löwen noch einmal in die Stadt ging, um dieselbe anzusehen und erst am nächsten Tag von Brüssel nach Antwerpen fuhr, um von hier mit Umstieg in Herentals nach Mol zu gelangen und mit der Nebenbahn nach Bourg Leopold, wo er glücklich gegen 11 Uhr ankam. Zwischen Antwerpen und Mol sprach ihn ein Reisender im Wagen an und bat ihn ein Heft zu kaufen über den Kampf gegen die jetzigen Verhältnisse in Belgien – ähnlich propagandistisch wie von den Nationalsozialisten in Deutschland. Franz hat sich das Heft angeschafft, das aber ebenfalls durch den Bombenangriff in Leipzig verloren gegangen ist.

In Bourg-Leopold angekommen, ging er gleich zum deutschen Friedhof und traf auch den flämischen Friedhofswächter, der sehr entgegenkommend war und ihm auch das Grab zeigte, in dem die drei Deutschen lagen. Es war derselbe Stein aus Waterloo mit den Namen der drei Gefallenen. Der Wächter war auch bereit, ihm  das Grab zu öffnen, wobei er ihm erklärte, dass die Nägel gewachst seien. Franz verzichtete aber darauf und ging mit ihm zum Bahnhof zurück, um ihm und sich selbst ein paar Glas Bier und eine Zigarre zu genehmigen. Der Wächter erzählte ihm, dass er von der deutschen Gräberunterhaltungs-Gesellschaft bezahlt werde und dabei sehr zufrieden sei. Er wollte auch Kränze für die Gräber besorgen, worauf Franz, da er das nicht kontrollieren konnte, verzichtete. Kurz nach 13 Uhr fuhr er mit der Bahn über Hasselt, wo er ausstieg, um die Stadt kurz anzusehen, um dann weiter über Landen und Löwen zurück nach Brüssel zu fahren, wo er etwas später mittags eintraf.

Es war ein Versäumnis der deutschen Gräberunterhaltungs-Gesellschaft, den Verwandten der Gefallenen nicht mitzuteilen, dass die Gefallenen von der Provinz Antwerpen nach Bourg Leopold überführt worden waren. Die Gesellschaft hätte die Hinterbliebenen auch anfragen können, ob sie möglicherweise die Überführung der Leichen nach Deutschland wünschten. Jedenfalls war Helene sehr aufgebracht, als sie davon erfuhr.

Bevor Franz nach Deutschland zurück fuhr, besuchte er mit seinem Abonnement noch Luxemburg. Hinter der Grenzstation Bettingen kam der belgische Schaffner und kassierte das Fahrgeld von Bettingen bis Luxemburg. Vom Bahnhof ging er direkt über den großen Viadukt. Die gleichzeitig auf der Höhe erbaute und sich im Tal ausgebreitende Stadt, die riesigen Viadukte über den engen tiefen Taleinschnitten, die zwischen den Häusern hervortretenden Sandsteinfelsen – das alles gewährt einen in seiner Eigenart überraschend schönen Anblick. Nachdem er durch das Azette-Tal bis zu Ende gewandert war, ging er zur Stadt zurück und kehrte in einer Gastwirtschaft in der Grand Rue ein, wo es ein Bier und Würstchen mit Brötchen gab. Die Wirtin sprach Französisch und Deutsch, schien aber nicht gern über die letzten Kriegsereignisse zu sprechen.  Nachdem er die Stadt noch näher besichtigt hatte, ging es wieder zum Bahnhof und über die Grenze zurück nach Arlon, wo er in die Stadt ging bis zum Markt, um zu hören, ob in diesem Gebiet viel Deutsch gesprochen wurde, denn Arlon war zwar belgisch, es wurde aber fast nur deutsch gesprochen. Hochdeutsch konnte er jedoch nicht hören und nach einem kleinen Rundgang durch die 10000 Einwohner zählende Stadt, fuhr er durch die schönen Ardennen über Libramont, Ciney und Namur zurück nach Brüssel, wo er diesmal ziemlich spät eintraf, um gleich Leon und Louise in einer bekannten Kneipe am Boulevard d’Anvers, in der Léon viel verkehrte, bei einem Glas Bier zu treffen.

Dann besuchte er auch nochmals Dinant an der Maas, das ihm von früher, als er mit den Kollegen des Instituts antrographique militaire Felsbildungen aufnahm, bekannt war, und hat sich die Kriegsdenkmäler, die mit Schimpfwörtern gegen die Barbaren beschmiert waren, angesehen, weil viele Einwohner der Stadt hier erschossen worden waren.

Andere belgische Städte hat er dann noch später in den Jahren 1935, 1937 und 1938 besucht, sodass er genug Gelegenheit hatte, die verschiedenen Städte des Königreichs kennenzulernen. Zuletzt fiel ihm noch ein, auch einmal seine Geburtsstadt Tilburg in Holland zu besuchen. Und so fuhr er vom Nordbahnhof gegen 8 Uhr mit einem direkten Zug nach Turnhout ab über Mecheln, Lier, Herentals. In Turnhout bestieg er einen Omnibus, der in Baarle-Hertog Anschluss hatte an den holländischen Bus nach Tilburg. In Brüssel hatte Franz am Bahnhof einige Franken in Gulden umgewechselt, um unterwegs zahlen zu können. In Baarle Hertog, das zusammen mit Baarle-Nassau, eine belgische Exklave auf holländischen Gebiet bildet, herrschen eigentümliche Verhältnisse. Während in Baarle-Hertog das Bier sehr billig war, musste man es in Baarle-Nassau, das wohl mehr zu Holland gehört, sehr teuer bezahlen. Auch mit den Lebensmitteln war es dasselbe. Er musste wohl eine halbe Stunde warten, um mit dem holländischen Omnibus weiter fahren zu können. Gegen 11 Uhr kam er in Tilburg an und begab sich auf einen Rundgang durch die Stadt. Gegen Mittag waren die Fabriken der Stadt aus und da konnte er beobachten, wie alle Arbeiter und Arbeiterinnen mit dem Rade nach Hause fuhren, gelaufen sind wohl die wenigsten, und so kam er in den Nordwesten der Stadt in einen Park mit Bänken, wo er sich neben zwei Holländerinnen setzte, um ein Gespräch zu beginnen. So erfuhr er, dass sie aus Breda kamen und geschäftlich mit dem Rade nach Tilburg gefahren waren, um Stoffe oder Wollsachen zu verkaufen und ruhten hier im Wilhelmina-Park zum Mittag aus. Sie gingen aber bald weiter und Franz kehrte in die Stadt zurück. In einem Zigarrenladen kaufte er sich noch ein paar Zigarren, nachdem er in einer Bank 5 Mark gewechselt hatte, und behielt zuletzt gerade noch 70 Cent, um seine Rückfahrt mit dem Omnibus nach Turnhout zu zahlen. Es ging wieder nach Baarle-Nassau und Baarle-Hertog durch die belgische Exklave mit den zweierlei Verkaufspreisen für alle Gegenstände des Lebens, um dann mit dem belgischen Omnibus weiter zu fahren nach Turnhout, wo der direkte Zug nach Brüssel schon bereit stand, um ihn ohne Umsteigen über Lier nach Brüssel zu bringen, wo er Léon am Nordbahnhof in der bekannten Kneipe wieder traf.

Ein paar Tage danach trat Franz die Rückfahrt nach Deutschland an und fuhr diesmal von Brüssel-Nord nach Löwen, wo er in den Personenzug über Aerschot und Hasselt nach Maastricht fuhr. Hier fand die holländische Zollrevision statt, die wie allgemein in Holland ziemlich scharf war. Reden hatte keinen Zweck, es wurde eben bis unter die Wäsche gefühlt, ob etwa zollpflichtige Gegenstände versteckt wären. Dann ging er zum Ausgang des Bahnhofs und besichtigte kurz die Stadt von damals 35000 Einwohnern. Dann ging er zum belgischen Schalter, um seine Abonnementskarte abzuliefern und die 5 fr. Hinterlegung entgegenzunehmen. Am nächsten Schalter nahm er dann eine Fahrkarte nach Aachen Hauptbahnhof und fuhr mit dem holländischen Zug, der von Roermond kam durch das Göhltal aufwärts über Wijlre-Gulpen, Valkenburg und Simpelveld nach Aachen-Templergraben und weiter bis zum Hauptbahnhof, wo er den Pariser Zug nach Köln erreichte, nachdem er erst im Bahnhofrestaurant etwas zu sich genommen hatte und das Leben zwischen der belgischen Besatzung und dem deutschen Bahnhofspersonal beobachten konnte, die anscheinend ganz gut miteinander zurechtkamen.

Die 11. Reise nach Belgien: 1935

Ende Juli fuhr Franz im Jahre 1935 nach Brüssel, um seine Schwester und die Weltausstellung zum 100jährigen Bestehen der belgischen Eisenbahnen zu besuchen. Er fuhr also mit dem Schnellzug zuerst bis Eisenach, um seine Tochter Lotte zu besuchen, wo er gegen 11 Uhr vormittags pünktlich anlangte und mit Lotte zum Neulandhaus hinaufstieg, um das Mittagbrot einzunehmen. Erst mit dem Nachtzug nach 2 Uhr früh fuhr er dann weiter über Kassel, Warburg, Hagen und Elberfeld nach Köln. Nach 8 Uhr früh fuhr er mit dem Pariser Zug weiter über Aachen und Herbesthal, wo die Grenzrevision stattfand und er gleich einen Eisenbahnfahrplan für die belgischen Eisenbahnen kaufte, da er die Absicht hatte, mit seinem belgischen Abonnement, das er in Leipzig beim Messamt bestellt hatte, möglichst viele belgische Städte zu besuchen, die noch nicht gesehen hatte. In Verviers stieg er wieder aus, um mit dem vollbesetzten belgischen Zug direkt nach Brüssel zu fahren, wo er dann auch pünktlich am Nordbahnhof eintraf und von seinem Schwager Léon, der bereits am Ausgang stand, abgeholt wurde. Mit der Straßenbahn ging es dann gleich um die westlichen Boulevards herum bis zum Porte d’Anderlecht und nach Hause, wo Louise das Mittagessen bereits zurecht gestellt hatte.

Mit Léon ging es dann gleich zum Kanal, um die Verbreiterungsarbeiten zu besichtigen,

Kanal Charleroi
Kanal von Charleroi

denn der Kanal von Charleroy wurde mit den Schleusen an der Porte de Flandre verbreitert und teilweise verlegt, um größere Schiffe aufnehmen zu können.

Am nächsten Tag fuhr er mit seiner Abonnementskarte nach dem 4 km entfernten Bahnhof Jette, um die in der Nähe errichtete Weltausstellung zu besuchen. Vom Bahnhof Jette wanderte er dann am neuen Krankenhaus Brugmann vorbei zum Gelände der Weltausstellung, wo er am Haupteingang eine Eintrittskarte zu 1 Franken nahm. Die Zahl der Besucher wurde durch eine elektrische Photozelle und besondere Apparate registriert beim Passieren des Drehkreuzes. Die Ausstellung lag am Hang eines Hügels hinter dem Park von Laeken, hinter dem Monument des Königs Leopold I. auf dem Gebiet von Heysel und war sehr umfangreich mit vielen schönen Alleen durchzogen, die sämtlich sternförmig zu dem Hauptgebäude der Ausstellung, wo auch die Eisenbahnausstellung sich befand, hinführten. Er besuchte sofort die Gebäude der ausstellenden Hauptstaaten wie Frankreich, Holland, Schweiz, Schweden, Norwegen, Italien, die sehr reichlich vertreten waren und die Errichtungen von Mussolini, der, wie Hitler, Italien auch einer besseren Zukunft entgegenführen wollte, woran damals auch geglaubt wurde. Auch die lehrreichen Ausstellungen der Städte Brüssel, Antwerpen, Paris, die Zukunftspläne und Veränderungen in den letzten Jahren waren für ihn sehr lehrreich. Zuletzt besuchte er die Haupthalle, wo die belgische Industrie und Zeitungsdruckereien vertreten waren sowie die Entwicklung der belgischen Eisenbahnen, wobei eine Wiederherstellung der ersten Eisenbahn zwischen Brüssel und Mecheln im Jahre 1835 sehr interessant war, ebenso die neuesten Ausführungen der modernsten belgischen, französischen und anderen Lokomotiven und Eisenbahnwagen. Da Deutschland durch die Vernachlässigung der nationalsozialistischen Regierung und die hitlersche Politik nicht ausgestellt hatte, fand er nur einen Stand des deutschen Verkehrsvereins, wo er sich einige Prospekte über Reisen nach Deutschland geben ließ, und hat außerdem mit einem Zeitungsmann aus Eupen gesprochen über die Lieferung von belgischen illustrierten Zeitschriften, der Franz aber keine befriedigende Auskunft geben konnte. Nach Rücksprache mit einem Vertreter der Firma van Hoff, der die Pitlerwerke in Belgien vertrat und der so gut wie nichts ausgestellt hatte, ging er zum Straßenbahnhof, der sich in der Mitte der Ausstellung befand und kehrte wohlbehalten zu seiner Schwester wieder zurück. In der Ausstellung war er mit Louise und Léon wohl noch zwei Mal, um die besondere Ausstellung von Alt-Brüssel anzusehen, die mehr dem Vergnügen diente, denn dort waren hauptsächlich nur nachgebaute alte Kneipen und Gastwirtschaften aus dem 16. Jahrhundert zu sehen, wo fleißig Bier getrunken wurde.

zwei der vielen belgischen Biere
zwei der vielen belgischen Biere

So war es auch im Vergnügungsviertel, wo große Zelte und Belustigungen genauso wie zur Leipziger Messe zu sehen waren. Bei einem der Besuche trafen sie auch Herrn Pierre Flamand mit Frau Anna und den Schwägerinnen Suzanne Bomhals und Louise de Roy, die sie später in Brüssel im Restaurant Old Tom ein paar Mal wieder getroffen haben beim Trinken einiger Gläser „Lumbie“ und mit denen Franz sich nach und nach sehr befreundet hat, sodass sie sich bis nach dem zweiten Weltkrieg noch zu den Geburtstagen gegenseitig beglückwünschten.

Nach der Besichtigung verschiedener Ausstellungshallen gingen sie zum Abschluss in ein bestimmtes Lokal, wo es ein gutes Glas Bier und eine Kleinigkeit zu essen gab bei nicht zu teuren Preisen. Nach Brüssel zurückgekommen, ging es regelmäßig in der Nähe der Börse in der Rue Arg Orts im Restaurant Old Tom zur weiteren Unterhaltung, wobei er sich besonders mit Frau Louise de Roy enger befreundete. Sie wohnte auch in der Nähe, sodass Léon und Louise sie regelmäßig nach Hause brachten.

Fast jeden Vormittag benützte er sein Abonnement, um eine belgische Stadt zu besuchen und so fuhr er vom Südbahnhof mit der neuen Eisenbahnlinie nach Ostende, wobei er auch die alte Stadt Brügge besuchte. Einmal ging es auch direkt nach Adinkerke an der französischen Grenze kurz vor Dunkerque, um das Seebad La Panne zu besuchen, wo er sich fast in den bergigen Dünen verlaufen hätte. Auf der Rückfahrt besuchte er auch Veurne, wo er den mittelalterlichen Markt besuchte sowie die Stadt Diksmuide, die während des Weltkrieges ganz vernichtet worden war durch die Kämpfe zwischen Belgiern und Franzosen einerseits und Deutschen andererseits, aber inzwischen wieder aufgebaut worden ist. Auch hier war der Markt sehr interessant anzusehen. Dann fuhr er mit einem direkten Zug über Tielt und Gent zurück nach Brüssel.

Ein anderes Mal ging es ebenfalls vom Midi-Bahnhof nach Gent, um von der Gare St. Pierre durch die Stadt Gent zu laufen und die alten Bauten aus dem Mittelalter zu bewundern,

Gent
Ansicht von Gent

wobei ihn die alten Kanonen die „dulle Griete“, ein altes Kanonenrohr mit dem Wappen Philipps des Guten aus dem 15. Jahrhundert, besonders interessierte. Dann ging es vorbei an der Abtei St. Bavo, am Belfried und weiter an den Kanalbassins zum Bahnhof Porte d’Avers, wo er den Zug nach Antwerpen bestieg und über Lokeren und Sint Niklaas durch das Waasland nach Antwerpen fuhr und gegenüber der Stadt, wo der Waas-Bahnhof im Umbau war, im freien Felde auf provisorischen Bahnsteigen ausstieg. Das alte Fort de en Téte de Flandre bei Sainte Anne war abgebrochen und die ganze Gegend diesseits der Schelde geebnet. Auf einer im Bau begriffenen Straße kam er zum Eingang des Fußgängertunnels diesseits der Schelde, wo er im Jahre 1933 schon gewesen war. Jedenfalls ist er durch die Stadt am Dom und am Place Veste vorbei nach dem Zentralbahnhof gegangen,

Zentralbahnhof Antwerpen
Zentralbahnhof Antwerpen

um mit der elektrischen Schnellbahn an Mecheln vorbei wieder nach Brüssel zu gelangen.

Mit seinem Abonnement kam er auch einmal wieder nach Ostende, um von hier nach Besichtigung der Meeresküste nach Ypern zu fahren, wobei er, da der betreffende Zug nur bis Thourout fuhr, hier ausstieg, um sich die alte flämische Stadt anzusehen, wo er die alte Kirche besuchte. Nachdem er etwas gegessen hatte in einer Gastwirtschaft am Bahnhof, fuhr er weiter bis Ypern, um die Stadt und das Denkmal der Engländer am Porte de Menin noch einmal anzusehen. Auf dem Rückweg nach Brüssel besuchte er auch Kortriijk, wo er den schönen Marktplatz mit dem Belfried aus dem 14. Jahrhundert und die Reste der alten Stadtbefestigungen besuchte.

Die 12. Reise nach Belgien: 1936

Gegen Mitte Juli 1936 fuhr Franz also wieder einmal mit der Einladung seiner Schwester in der Tasche nach Brüssel. In Brüssel am Nordbahnhof angekommen, war nur Frau Louise le Ruy am Bahnhof und lud ihn ein, bei ihr eine Tasse Kaffee zu trinken, was er dann auch ohne weiteres tat. Erst am Nachmittag gegen 16 Uhr traf er seine Schwester mit Léon, Herrn und Frau Flamand sowie seine Cousine Emma am Nordbahnhof, um zusammen im Old Tom ein Glas Bier zu trinken, dem bekannten Lokal, wo sie schon so oft waren.

Mit Léon und Louise besuchte er in den nächsten Tagen die ihm bekannte Gegend der vorjährigen Weltausstellung hinter Laeken, wo ziemlich alles bereits abgebrochen worden war außer der großen Halle, in der die Eisenbahnausstellung zu sehen gewesen war. In der bekannten Kneipe, in der sie im Jahr zuvor öfters ein Glas Bier getrunken hatten, trafen sie auch einige Freunde von Léon, unter denen sich einer befand, der als Sozialdemokrat bekannt war, Franz mit dem Finger drohte, da Hitler nicht sein Freund war und in ihm einen Nationalisten vermutete, worin er sich aber absolut irrte. So wurden auch alle Deutschen im Ausland angesehen, da doch allgemein angenommen wurde, dass Deutschland allein schuld an dem letzten Weltkrieg war und jetzt wieder auf den Krieg zusteuerte, worin sie auch nicht ganz Unrecht hatten. Er ließ sich aber mit dem Mann nicht weiter ein und kam so ohne Streit mit Léon und Louise wieder heil nach Hause an.

Vormittags besuchte er alle Tage eine belgische Stadt, die ihm noch unbekannt war, um dann am Nachmittag mit Léon und Louise und auch den Flamands in der Umgebung von Brüssel einen Ausflug zu machen, so z.B. nach Boitsfort in der Nähe von Auderghem, wo die Flamands wohnten. Einmal waren sie auch bei Herrn und Frau Flamand mit Frau Suzanne Bomhals und Frau le Roy, der Schwester der Anna Flamand, zum Nachmittagskaffee eingeladen in der Wohnung in Auderghem, die ca. 6 km vom Stadtzentrum enfernt lag. Mit der elektrischen Straßenbahn konnte man es aber bequem erreichen .

Gegen Ende des Monats Juli 1936 dachte Franz daran, sein Versprechen, nach Le Coq zu kommen, einzulösen, und fuhr vom Südbahnhof mit dem direkten Zug nach Blankenberge ab, wo er ausstieg und gleich mit dem nächsten Kleinbahnzug, der am Bahnhofsplatz vorbeikam, weiter fuhr über Wenduine nach dem 9 km entfernten Badeort Le Coq. Durch die parkartigen Anlagen fand er auch bald die Villa, wo sein Kollege Grauel mit Frau und 2 Kindern bei seinem Schwager wohnte. Es war eine schön eingerichtete Pension, wo sie alle wie zu Hause wohnten und eine eigene Küche hatten. Mit Grauel ging er sofort durch den Ort, zur Post usw., um dann den Strand entlang zu den Dünen zu gehen, die direkt am Strand liegen, während die vielen Hotels und Pensionshäuser weiter zurückgesetzt waren. Der Strand war sehr feinsandig und das Baden überall gestattet. Die Verwandten von Grauel hatten sich eine Badekarre gemietet und lagen alle im Sande oder in Liegestühlen und so konnte er sich auch in einem Liegestuhl hinstrecken, wobei er von Grauel photographiert wurde mit einem Buch in den Händen. Dabei hatte er den Blick auf das grenzenlose Meer gerichtet. Leider ist das Bild durch die Luftangriffe im Jahre 1945 verloren gegangen. Zu Mittag wurde Franz durch die Frau des Hauses zu Tische geladen, wo es außer einer Suppe, einen fetten Braten mit Kartoffeln und Gemüse und einem guten Glas Wein gab. Erst am Nachmittag kam der Herr Schwager aus London zurück, wo er geschäftlich zu tun gehabt hatte. Er war, soviel ich mich erinnere, bei einer Schiffsgesellschaft in Bremen angestellt und hatte auch noch geschäftliche Sachen zu erledigen von Antwerpen aus. Am Nachmittag ging es wieder an den Strand, wo die Badekarren standen und erst gegen Abend, nachdem sie den Kaffee eingenommen hatten, brachte Grauel Franz zu der Kleinbahnstation und so fuhr er zurück nach Blankenberge, von wo aus ein direkter Zug ihn über Brügge und Gent wieder nach Brüssel zurückbrachte. Für ihn war es ein schöner Sommertag gewesen.

Etwa 8 bis 10 Tage später erhielt er von Grauel die Nachricht, dass er mit seinem Auto nach Brüssel käme, um ihn auf der Durchfahrt zu besuchen. Und so kam er gerade an einem Sonntag mit dem Auto, um ihn in der Rue Moretus bei seiner Schwester abzuholen und die Stadt Brüssel zu besichtigen unter seiner Führung und so fuhren sie zuerst zum Mittagessen am Nordbahnhof ins Hotel des Boulevards, wo man gut speisen konnte. Da Franz schon Mittag gegessen hatte, trank er nur ein Glas Wein und führte dann Grauel mit Frau und 2 Kindern auf den schönen Marktplatz, wo er mit Frau Grauel und den Kindern noch einmal photographiert wurde, dann ging es zum Denkmal des Männeken-Piss, der originellen Bronzefigur aus dem Jahre 1614, die in naivster Weise Wasser spendet. Auch hier wurden sie gemeinsam vor dem Gitter stehend von Grauel photographiert. Dann fuhren sie weiter am Justin-Palast vorbei den äußeren Boulevard entlang, am Arande du Cinquentenaire (die Museen der Ausstellungen 1880 und 1897) vorbei zur Chaussee de Tanneren Richtung Löwen, wo er von der Familie Grauel Abschied nahm und jedem Kind 5 Franc auf den Weg mitgab, die sie, wie er später erfuhr, an der Grenze bei Maastricht gut gebrauchen konnten, da am Sonntag die belgisch-holländische Grenze geschlossen war und sie bis zum Montag warten mussten, um weiterfahren zu können.

Nach herzlichem Abschied trennten sie sich und Franz ging, wie mit seiner Schwester besprochen, die ganz äußerlichen Boulevards zu Fuß weiter, um zur Wohnung seiner Cousine Emma Wyngarden zu gehen, die etwas auswärts in Volume St. Lumbert bei einer alten Dame wohnte und wohin Schwester und  Schwager Léon zum Kaffee eingeladen worden waren. Er traf sie dort auch an und so gingen sie mit der Cousine weiter durch die Felder spazieren bis zum Volumefluss, wo sie in einem Gartenlokal beim Bier und einem Weißkäsebrot saßen und die anderen Bekannten aus Antwerpen und die Damen aus Brüssel trafen und dort den Sonntag zu Ende führten. Mit der Straßenbahn ging es dann nach der Stadt zurück.

Eine weitere Fahrt, die er unternahm, war die Fahrt nach Givet im Departement des Ardennes gleich hinter der französischen Grenze, hinter Dinant, das ihm von früher schon bekannt war. Er fuhr also vom Nordbahnhof über Weingarten bei Hoeglaert bis Namur, wo er die Nord-Belge Bahn benützte, um im schönen Maastal über Dinant bis Givet in Frankreich zu fahren, da seine Abonnement-Karte bis dorthin gültig war. An der Passkontrolle kam er mit seinem holländischen Pass ganz glatt vorbei und marschierte sogleich in die Stadt, wo nichts Besonderes zu sehen war. Bald fuhr er wieder zurück, wobei die belgische Passkontrolle im Zug selbst während der Fahrt stattfand. In Namur angekommen, ging er in die Stadt und kam bis dahin, wo sich der Fluss, die Sumbre, in die Maas ergibt. Mit dem nächsten Zug kam er dann glücklich in Brüssel wieder an.

Bald musste er wieder an die Rückfahrt denken und fuhr einige Tage später nach 20 Uhr vom Nordbahnhof ab, nachdem sie im Wartesaal zusammen mit Léon, Louise, Familie Flamand, Suzanne und Louise de Roy auf seine Kosten noch einige Glas Bier getrunken hatten. Der Zug fuhr pünktlich ab und war sehr besetzt. Kaum waren sie aus der Bahnhofshalle, so musste er das Water-Closet besuchen, das durch eine Dame aus Lüttich besetzt war. Beim Heraustreten warf sie aber die Türe des Klosetts so plötzlich und stark zu, dass er keine Zeit hatte, seine Hand richtig zurückzuziehen, sodass er mit dem linken Zeigefinger in dem Türspalt hängen blieb und furchtbar gequetscht wurde. Zurück an seinem Platz, bemerkte er erst den Schaden und wurde von den Mitreisenden sehr bedauert. Die Leute waren sehr besorgt um ihn und irgend jemand holte gleich den Schaffner herbei, der ihn ausfragte, wie es passiert sei und zu der Dame aus Lüttich ging, die natürlich gleich in Tränen ausbrach. Der Schaffner bat ihn nach hinten in den Gepäckwagen mit ihm zu kommen, wo dann der anwesende Sanitäter die Wunde auswusch, desinfizierte und mit Watte und Mullband umwickelte. Er saß im letzten Abteil des Gepäckwagens in der oberen Kammer und beobachtete, wie der Schnellzug die Bahnstrecke zwischen Brüssel oder Löwen und Lüttich durchsauste, indem die Gleise mit großer Geschwindigkeit nach hinten hinwegrasten. Nachdem der Finger gut umwickelt war, führte der Schaffner ihn wieder nach vorn zu seinem Platz mit der Anweisung, sich in Herbesthal beim Stationsvorsteher zu melden, um den Verband zu erneuern, da sie hier nur provisorisch eingerichtet seien. Inzwischen war es ganz dunkel geworden. Bei der Ankunft in Herbesthal meldete er sich mit dem Schaffner beim Stationsvorsteher, der ihm einen Eisenbahnarbeiter mitgab, um ihn bis zum nächsten Arzt zu begleiten. Es ging mit ihm durch mehrere dunkle Straßen bis Welkenradt, wo der Arzt wohnte, der sofort anfing, seinen Finger zu untersuchen. Der Arzt war sehr freundlich und hat auch sofort einen neuen Verband angelegt, wobei er frug woher und wohin. Als er erfuhr, dass er in Brüssel in der Schule gewesen war, sagte er zu seinem Begleiter: Ja, er gehört zu uns, woraus zu merken war, dass er mit den Deutschen nicht einig war. Als Franz bezahlen wollte, nahm er nichts an, da, wie er sagte, werde von der Eisenbahnverwaltung die Angelegenheit geregelt, da der Unfall sich während der Reise ereignet habe. Er riet ihm jedoch, sich in Offenbach, wo er hinfuhr, den Verband wieder nachprüfen zu lassen. So führte ihn sein Begleiter wieder zum Bahnhof Herbesthal, wo er mit dem nächsten D-Zug nach Aachen und Köln fuhr. In Köln hatte er bald wieder Anschluss nach Frankfurt am Main und hier mit dem gleichen Zug, der nur aus belgischen Wagen bestand, nach Offenbach am Main zu fahren, wo er auf dem Bahnsteig August, den Schwager von Frau Henkel traf, der ihn gleich in die Senefelder Straße in die Wohnung führte zu Rose, seiner Frau, die sich sehr freute, ihn wiederzusehen. Sofort ließ er sich zum Krankenhaus führen, um den Finger wieder frisch verbinden zu lassen. 2 Mark wurden von der Schwester für die Behandlung verlangt, die er auch gern bezahlt habe.

Die 13. Reise nach Belgien und über Holland zurück: 1937

1937 kam wieder die Ferienzeit heran und Franz entschloss sich, wie so oft nach Belgien zu fahren, um seine Schwester Louise zu besuchen. Wie immer fuhr er durch Thüringen über Eisenach, um seine Tochter Lotte zu besuchen. Gegen 11 Uhr kam er in Eisenach an und blieb im Neulandhaus bis zum Abend, um mit dem Nachtzug 2.12 Uhr früh weiter zu fahren über Bebra, Kassel, Soest, Dortmund Süd nach Köln, wo er Anschluss an den Pariser Zug früh nach 8 Uhr hatte und nach Überschreitung der neuen Grenze hinter Aachen in Herbesthal ausstieg, um sein Gepäck der Zollrevision vorzulegen. Dann ging es weiter bis Verviers, wo er in einen Durchgangszug einstieg und dann direkt bis Brüssel Nordbahnhof durchfuhr. Hinter Lüttich konnte er feststellen, dass der Zug auf der stark ansteigenden Strecke nach Ans jetzt ohne Schiebelokomotive durch schwere Maschinen hinaufgezogen wurde, wohingegen er früher 6 km lang durch eine besondere Lokomotive hinaufgeschoben werden musste. Oben angelangt, ging es durch die Herbage weiter über Landen, Foilemont und Löwen, um gegen 14 Uhr wie auch früher in Brüssel anzukommen, wo seine Schwester und Léon mit der ganzen Familie Flamand auf dem Bahnhof mit einem Rosenbukett auf ihn schon wartete, um ihn feierlich zu empfangen.

Es ging dann sofort mit Léon und Louise nach der Rue Moretus, um sich dann später wieder zu treffen. Auch Emma, seine Cousine, war natürlich dabei. Am anderen Tag, dem 31. Juli, ging es mit Léon durch die Stadt zum Frühschoppen in das Stammlokal in der Rue des Visitandines, einem altbrüsseler Lokal, wo die Wirtin sich freute, ihn wieder begrüßen zu können. Im Garten trainierten am Mast der Armbrustschützen gerade mehrere Männer. Nachdem sie ihr Glas Bier ausgetrunken hatten, ging es in Richtung des Place und Kirche de la Chapelle weiter, wo er den Bau der unterirdischen Eisenbahnverbindung vom Süd- zum Nordbahnhof besichtigen konnte. Die Arbeiten waren schon ziemlich weit fortgeschritten, mussten aber später durch den Hitlerkrieg unterbrochen werden. Dann ging es weiter durch die mittleren Straßen der Stadt nach der Börse zu, um in der Rue d’Artevelde noch einmal einzukehren und dann nach Hause zu gelangen, um das Mittagessen mit Louise einzunehmen. Am Nachmittag trafen sie sich mit seinem Freund Pierre Flamand und Frau Anna und Schwägerinnen Suzanne und Louise, um gemeinsam einen Ausflug nach Boitsfort, dem Ort, den Franz von früher her kannte, als er noch in La Cambre als Landkartenzeichner arbeitete, zu unternehmen und sich bei einem Glas Lumbie und Plattenkaes (Weißkäseschnitt) gemütlich zu unterhalten. Er hatte sich in Leipzig wieder ein Eisenbahn-Abonnement für die Dauer von 15 Tagen, gültig für alle belgischen Eisenbahnstrecken für ca. 20 Mark beim Leipziger Messeamt bestellt, wieder in der Absicht, verschiedene Städte in Belgien, die er noch nicht kannte, zu besuchen.

Als Frau Louise le Roy erfuhr, dass er mit seinem Eisenbahn-Abonnement wieder in Belgien verschiedene Gegenden besuchen wollte, entschloss sie sich, ebenfalls ein Abonnement zu nehmen, allerdings nur eines für 5 Tage, um mit Franz während ihrer Ferien auch im Lande herumzureisen und alle Tage nach der Hauptstadt zurückzukehren. Er konnte ihr den Wunsch nicht gut abschlagen und so erklärte er sich damit einverstanden und sie holte ihn am anderen Tag bei Léon ab, um das Abonnement am Südbahnhof zu bestellen. Da Franz sich vorgenommen hatte, das naturhistorische Museum im Park Leopold im Osten der Stadt zu besichtigen, fuhren sie  gleich weiter mit der Straßenbahn dorthin. Der schöne Park liegt im Osten der Stadt und war früher, als er noch klein war (1880) Zoologischer Garten.

Das naturhistorische Museum war das bedeutendste in Belgien und zeigte ihnen eine schöne Sammlung von Fossilien und eine vollständige Sammlung der Säugetiere. Besonders bemerkenswert waren 13 Iguandons, die vollständig erhalten sind. Auch die Geräte, die der Mensch in der Steinzeit benützte, waren ausgestellt. Jedenfalls war die Besichtigung des Museums sehr lehrreich, wie die Skelette von Tieren, die bei Antwerpen, Liedekerke, Lier usw. gefunden worden waren. Zum Besuch der Museen Wiertz in der Nähe hatten sie keine Zeit mehr und so kehrte er zum Mittagessen zurück, wobei Louise unterwegs ihr Abonnement von 5 Tagen am Südbahnhof abholte.

Am anderen Tag fuhren sie dann zuerst vom Nordbahnhof mit der elektrischen Schnellbahn nach Antwerpen. Nach einem Gang vom Zentralbahnhof in Antwerpen durch die innere Stadt zur Börse und an der Kathedrale vorbei zur Schelde, wo sie von den erhöhten Schelde-Quais eine prächtigen Blick auf die 600 Meter breite Schelde mit den verschiedenen Schiffen hatten. Direkt am Quai landen die großen Dampfer und werden hier mittels einer Reihe von großen Kränen gelöscht und beladen. Nachdem sie den Eingang zum Steen, den letzten Rest der alten Burg von Antwerpen durchlaufen hatten, ging es zurück zum Fußgängertunnel unter der Schelde, um zu Fuß das andere Ufer zu erreichen. Den Tunnel mit seinen Rolltreppen kannte Franz schon aus dem Jahre 1933. Am anderen Ende angekommen, kamen sie zu der Tete de Flandre, wo früher das Dorf Sint Anneke und heute nur noch ein paar Gastwirtschaften übrig geblieben sind. Nachdem sie die Rolltreppe nach oben wieder benützt hatten, gingen sie an den Resten von Sint Anneke vorbei nach dem Waes-Bahnhof, um durch das Waesland nach Gent zu gelangen.

Die Straßen waren noch im Umbau und vom alten Fort de Flandre war nichts mehr zu sehen. Das Gebiet links der Schelde, das zur Provinz Ost-Flandern gehörte, war der Provinz und Stadt Antwerpen zugesprochen worden und zählte nun zum Gebiet der Stadt Antwerpen. Vom Bahnhof Pays de Waes fuhren sie mit dem nächsten Zug nach Gent, wobei sich herausstellte, dass der Lokalzug in Sankt Nikolaus eine Stunde Aufenthalt hatte. Sie fuhren also durch das sogenannte Waasland, von der Schule aus als fruchtbares Ackerbauland bekannt. Um in Sankt Nikolaus nicht so lange im Zug sitzen zu müssen, stieg Franz aus, während Frau de Roy im Bahnhof blieb, um die kleine flandrische Stadt von 38000 Einwohnern näher zu betrachten. Außer dem weiträumigen Marktplatz mit dem neogotischen Rathaus und der Kirche St. Nikolaus aus dem 16. Jahrhundert war nichts Besonderes zu sehen. Nach einer Stunde ging es dann weiter über Lokeren nach Gent, wo sie bis zum Hauptbahnhof St. Pierre durch fuhren, um mit dem nächsten Schnellzug, der von Brüssel kam, nach Brügge weiter zu fahren. In Brügge blieben sie, da es schon später geworden war, sitzen und fuhren weiter nach Ostende, wo sie am Stadtbahnhof aussteigen mussten. Es ging sofort über die Hafenbassins weiter durch die innere Stadt bergan nach dem Strand (Dique de Mer), wo Franz wieder einmal das offene Meer zu sehen bekam. Sie gingen erst die Strandstraße entlang zum Kursaal und dann im Dünensand weiter bis zum äußersten Westende der Bäder mit ihren vielen Badekarren. Nachdem sie ihre Brote bei einem Glas Bier gegessen und die innere Stadt und den Hafen noch einmal besichtigt hatten, fuhren sie mit dem Schnellzug nach Brüssel zurück, wo sie am Südbahnhof nach ihrem ersten Ausflug glücklich und zufrieden wieder ankamen, wobei sie sich am Abend mit Léon und Louise im Restaurant Old Tom wieder trafen.

Am anderen Tag unternahmen sie ihren zweiten Bahnausflug Richtung Osten und zwar vom Nordbahnhof über Löwen-Lüttich und Verviers nach Herbesthal, von wo aus sie mit der Nebenbahn, die früher vor 1918 der Deutschen Reichsbahn gehörte, nach Eupen fuhren. Franz wollte die Dame des Restaurants, in dem er im Jahre 1924 eingekehrt war, wieder besuchen, die sich damals nicht entschließen konnte, französisch zu lernen und mit der belgischen Besatzung nicht zufrieden war. Jetzt nach 17 Jahren war sie mit den Verhältnissen scheinbar zufrieden, denn als sie nach dem Weg fragten, antwortete sie ganz schön auf Französisch und konnte sich mit den Belgiern sehr gut unterhalten. Sie besichtigten darauf die kleine Stadt von ca. 14000 Einwohnern, in der sogar die deutschen Tafeln am Bahnhof noch vorhanden waren, und gingen dann in der inneren Stadt zum Mittagessen, wo der Wirt ihnen erzählte, dass er nicht klagen könne, man müsse sich eben an die Verhältnisse gewöhnen. Es gab zu Mittag einen guten Braten mit Kartoffeln und Gemüse, gar nicht teuer nach der belgischen Geldwährung. Nachdem sie die alten Patrizierhäuser betrachtet hatten, ging es zurück zum Bahnhof, um über Herbesthal, wo wieder umgestiegen werden musste, und Verviers nach Brüssel zu gelangen.

Am anderen Tag fuhren sie vom Südbahnhof direkt nach Brügge, wo sie den altertümlichen Markt mit den Hallen besichtigten, einen düsteren rechteckigen Bau aus dem 13. Jahrhundert mit dem 85 Meter hohen Belfried, den er nun wohl zum 4. Male zu sehen bekam und der mit seinen aus 409 Glocken bestehenden Glockenspiel, genauso wie in Mecheln und Antwerpen auf den Domen sich mindestens alle ¼ Stunde hören ließ. Vom Marktplatz gingen sie dann durch den südlichen alten Teil der Stadt nach der Beguinage (Beginenhof), wo sie Frauen bei der Herstellung von Spitzen beobachten konnten. Auf dem Platz mit den Grünanlagen und der schönen Aussicht auf die alte Stadt sind sie lange geblieben, denn hier war eine große Ruhe, und sind dann durch eine Seitenstraße zurück zu dem in mittelalterlicher Art gebauten Bahnhof, um nach Knocke an der Nordsee weiter zu fahren, wo sie kurz nach Mittag ankamen. Hier in Knocke ging es gleich durch die Hauptstraße zum Strand, nachdem sie in einem Gasthof ein Glas Bier getrunken hatten. Der Strand war einfacher und nicht so belebt wie in Ostende, dafür viel breiter und ungenierter. Knocke mit dem benachbarten Le Zoute ist zu einem einzigen Ort zusammengewachsen und hat einen herrlichen breiten Strand von feinstem Sand. Es ist mit Le Zoute das nördlichste der belgischen Seebäder. Der prächtige Damm ist 30 Meter breit und 5 km lang und besteht an seiner Landseite aus einer einzigen Reihe von Hotels und Pensionen. Der Blick über das Meer ist unbegrenzt, bei klarem Wetter sieht man die Insel Wachereu, die zu Zeeland in Holland gehört. Die hatte Franz im Jahre 1902 mit seiner Frau Elsa und den Kindern Lotte und Herbert besucht. Die Dünen erreichten hier eine Breite von über 1 km und eine Höhe bis zu 25 Metern. Aus der Zeit des I. Weltkrieges konnten sie hier in der Nähe nicht weit vom Bahnhof die deutsche Batterie „Wilhelm II“ besichtigen, deren 4 Riesengeschütze den Hafen von Zeebrügge gegen die Engländer zu verteidigen hatten. Nachdem sie auf der Düne hin- und her gewandert waren, auch in einem Gasthof etwas ausgeruht hatten, kehrten sie zum Bahnhof zurück, um mit einem direkten Zug wieder zum Brüsseler Südbahnhof zurückzugelangen.

Am 4. Tage fuhren sie dann früh morgens vom Nordbahnhof wieder in östliche Richtung über Löwen und Lüttich nach Pepinster, von wo aus sie mit dem Anschlusszug nach Spa fuhren, das am Fuße eines Hügels liegt und ringsherum von waldigen Höhen umgeben ist. Spa ist durch seine heilkräftigen Mineralquellen und sein kräftiges Klima berühmt und hat sich zu einem vielbesuchten und eleganten kleinen Badeort entwickelt. Vom Bahnhof gelangten sie zur Avenue du Martenu, die zum Mittelpunkt der Stadt führte, rechts war das Kasino mit seinen vielen Säulen und einem Musikrondell und links die Galeries Leopold II mit den Spielsälen. Schräg gegenüber umschließt ein Rundbau mit Wandelhalle und Wintergarten die vorzüglichste und kräftigste der 16 Mineralquellen den sogenannten „Pouhon“, sicher ein wallonischer Ausdruck für Quelle. Das Wasser hat eine Temperatur von etwa 10° C und liefert 21000 Liter in 24 Stunden, es ist besonders reich an Eisen und mineralischen Salzen. Von Spa aus schrieb Franz verschiedene Ansichtskarten. Sie fuhren dann weiter nach Stavelot, wo sie mit der von den Belgiern neu gebauten Anschlussstrecke über die alte deutsche Grenze nach Malmedy, einem Ort mit 5300 Einwohnern – hauptsächlich Wallonen, gelangten. Auch als die Stadt vor 1918 zu Preußen gehörte, waren die Firmenbezeichnungen meistens in französischer Sprache. Sie gingen vom Bahnhof aus durch die Straßen der Stadt einer Höhe entgegen, wo sie sich oben auf eine Bank setzten, auf der sich gerade eine wallonische Frau auch ausruhen wollte. Im Gespräch erzählte sie ihnen, dass sie mit den Deutschen ganz gut ausgekommen wäre und den Krieg gut überstanden hätte. Nachdem sie sich das Denkmal zur Erinnerung an die Heimattreuen des Ortes angesehen hatten, fuhren sie nach Stavelot zurück und von hier nach Pepinster, dessen Name von Pippin hergeleitet wird. Hier mussten sie auf den Zug von Verviers nach Brüssel warten und haben eine Flasche Spa getrunken.

Am 5. Und letzten Tag von Frau de Roys Abonnements fuhren sie von Brüssel aus dieselbe Strecke bis Dolhain, 7 km hinter Verviers, um die Barrage de la Gileppe, die älteste Talsperre in Europa, zu besichtigen. Da die Tram gerade nicht fuhr, nahmen sie ein Auto, dessen Fahrer ihnen erzählte, dass die deutsche Grenze von hier bis zur französischen Grenze mit Wachposten versehen sei, was ihnen in der Nähe der Grenze auch aufgefallen war, da von Zeit zu Zeit ein Soldat mit Gewehr zu beobachten war. Die Kriegsgefahr war also 1936 schon spürbar. An der Gileppe Talsperre angelangt, stiegen sie aus, um über die Absperrungsstraße, die bereits 1867-68 gebaut wurde, spazieren zu gehen, während der Autochauffeur bis zu ihrer Rückkehr warten wollte. Es waren noch mehrere Autodroschken da, die auf Reisende warteten. Die Sperre wurde von 1867 bis 1878 gebaut. Das Wasserbecken ist 2 km lang, 400 Meter breit und 45 Meter tief und fasst 13500000 km3 Wasser. Auf der Sperrmauer ist ein kolossaler Löwe aus Sandstein von 13 ½ Meter Höhe zu bewundern. Das Wasser aus der Gileppe-Sperre dient als Trinkwasser und wird auch in die Tuchfabriken von Verviers geleitet. Dann fuhren sie mit dem Auto nach Dolhain am Fuße der Stadt Limburg, bekannt für die Käsefabrikation, zurück, wo sie leider auf den Zug nach Brüssel länger warten mussten.

Die 5 Tage von Frau de Roys Abonnement waren vorüber und nun konnte Franz mit seinem Abonnement für 15 Tage in Belgien allein weiter fahren. Da er seine Biopastillen des chemischen Vereins mitgenommen hatte zum Herunterdrücken seines hohen Blutdrucks, erinnerte Frau de Roy alle Stunden daran, dass er  eine Pille einnehmen sollte und trug die 4 oder 5 Schachteln in ihrer Handtasche, die sie ihm nun zurückgab.

Während der folgenden 9 Tage fuhr Franz bald täglich allein in Belgien herum, um bereits bekannte aber auch unbekannte Städte zu besichtigen und so fuhr er sogar bei Regenwetter nach Antwerpen mit der bekannten Schnellbahn, um den Hafen und den Tunnel noch einmal zu besuchen, einen Vormittag dann bei schönem Wetter nach Oudenaarde, um das berühmte Rathaus, das zu den schönsten gotischen Profanbauten Belgiens gehört und in den Jahren 1526-31 erbaut wurde, mit dem zierlichen Belfried zu besichtigen. Er ging durch das Städtchen weiter über den Markt bis hinter die Walpurgiskirche und die Brücken über die Schelde, um dann zum Bahnhof zurückzukehren und nach Brüssel-Nord zurück zu fahren. Das Angenehme war ja in Belgien, dass außer den Personalzügen eine größere Zahl durchgehender direkter Züge verkehrten, sodass man immer schnell von einer größeren Stadt zur anderen zu fahren konnte, ohne die langsameren Personenzüge, die an jeder Station haltmachten, benutzen zu müssen. So fuhren direkte Züge nach Adinkerke an der französischen Grenze vor Dünkerque, nach Ostende, nach Heyst an der Nordsee, nach Herbesthal bzw. Verviers, nach Malmedy, nach Arlon bis zur Luxemburger Grenze, nach Turnhout an der holländischen Grenze, nach Ypern zur Besichtigung der Schlachtfelder, nach Charleroy, nach Mons, die er selbst öfters benutzt hat, sooft er in Belgien auf Urlaub war unter Benützung seiner Abonnementskarte, die nicht teurer war als die Reise hin- und zurück von der deutschen Grenze über Brüssel nach Ostende.

Mit der Eisenbahn ist er dann mehrere Male vom Gare du Midi aus in Charleroi im Steinkohlengebiet gewesen, um gegen Mittag wieder zurück zu sein. Auch fuhr er einmal über Charleroi durch Umsteigen mit dem Paris-Kölner Zug über Namur durch das schöne Maastal nach Lüttich zum Bahnhof von Londoz, um die Stadt Lüttich genauer kennenzulernen. Nachdem er von der Station de Londoz über die Maas-Brücken und die innere Stadt mit den schönen Boulevards und dem Parc d’Avroy zum Hauptbahnhof des Guillemins gekommen war, nahm er einen Zug nach Tongres und fuhr durch den langen Tunnel unter den Vorstädten St. Gilles und St. Laurent über Herstal und Liers über die belgische Sprachgrenze hinaus, wo er feststellen konnte, dass vor Glons alle Aufschriften der Bahnhöfe nur in französischer und nach Nederheim nur in flämischer Sprache verfasst waren, eine Folge des Sprachkrieges zwischen Wallonen und Flamen. Die Aufschriften „hommes“ und „dames“ in der Wallonie, waren in Limburg nur durch „Heeren“ und „Vrouwen“ oder Dames ersetzt. Die Doppelsprachaufschriften, die sich früher gut bewährt hatten, waren also durch jeweils eine Sprache, entweder Französisch oder Flämisch, je nachdem, in welchen Sprachgebiet sich die Station befand, ersetzt worden. Das war also der Erfolg, den die Flamen nach dem Krieg erreicht hatten. So kam er bald nach Tongeren, die interessante alte gallische Siedlung. Interessiert hat ihn auf dem Marktplatz das Standbild des Ambionix, eines Eburonenfürsten, der den Aufstand, wie er schon in der Brüsseler Schule gelernt hatte, gegen die römische Herrschaft im Jahre 54 von Cäsar vollführt hatte, aber durch die Römer niedergeschlagen wurde. Er ist dann über Bilsen, Hasselt, Diest, Aerschot und Löwen nach Brüssel zurückgefahren.

So fuhr er auch in diesem Jahr vom Südbahnhof mit einem direkten Zug nach Tournai auf der Linie, die nach Lille führt. Er hatte zwar die Absicht, über die französische Grenze nach Lille zu fahren, um die nordfranzösische Stadt von über 200000 Einwohnern kennenzulernen, hat aber davon abgesehen, weil er zu lange in Tournai geblieben war. Über Halle, Enghien und Ath in Tournai angekommen, ging er gleich durch die Straßen einer der ältesten Städte des Landes, die schon im zweiten Jahrhundert nach Christus erwähnt wurde und früher Residenz der merowingischen Könige war. Vom Bahnhof ging er durch die Rue Royale, die direkt zur Schelde führt und über den Fluss zur berühmten Kathedrale (Notre Dame) führte. Die Kirche ist eine kreuzförmige Basilika mit Chorumgang und Kapellenkranz und einer mächtigen eindrucksvollen Turmgruppe (Mittelturm und vier Seitentürme) über der Vieumy. Dann ging es über den alten Töpfermarkt zum Belfried, den er aus vielen Abbildungen schon kannte, einem viereckigen 72 Meter hohen Turm aus dem 13. Jahrhundert, zwei von den Glocken des Glockenspiels sollen noch aus dem 14. Jahrhundert stammen, von weitem sah er den alten Pont des Trois aus dem 13. Jahrhundert mit den beiden massiven Türmen aus dem 14. Jahrhundert. Auf dem Rückweg zum Bahnhof sah er auch das Grab eines merowingischen Königs, irgendeines Chlodewig, konnte aber nur die Tafel an der Wand entdecken.

Eine der letzten Fahrten, die Franz in Belgien unternahm, war die Fahrt nach Mons, der Hauptstadt der Provinz Hennegau, die er im Jahre 1930 mit dem Motorrad zusammen mit Lindner schnell durchfahren hatte. Jetzt hatte er Gelegenheit die Stadt näher zu besichtigen und ging vom Bahnhof aufwärts zur Kollegialkirche Ste Wandra, einem spätgotischer Bau aus dem 15.-17. Jahrhundert. Der Turm ist unvollendet geblieben. Am Belfried vorbei, der von den Spaniern im Jahre 1662 erbaut wurde, ging er zum Markt am Rathaus mit dem Turm von 1718. Durch die Hauptstraße, wo er mit Lindner im Jahre 1930 von Maubeuge kommend weiter nach Brüssel fuhr, ging er ein Stück zurück, um dann rechts abweichend, wieder an der Hauptkirche vorbeigehend, zum Bahnhof zu gelangen und nach Brüssel zurückzufahren.

Am 13. August 1938 begleiteten ihn Léon, Louise und die Familie Flamand zum Nordbahnhof, wo sie einen letzten Trunk vor der Abfahrt nach Holland einnahmen. Das übriggebliebene Geld gab er seiner Schwester zur weiteren Verwendung. Frau Louise le Roy begleitete ihn dann zum elektrischen Zug nach Antwerpen, der dann auch bald abfuhr. Der schnelle Zug fuhr zum letzten Mal an Mecheln vorbei und am Friedhof, wo seine Mutter seit 1903 begraben ist. Dann war er bald in Antwerpen. Hier stieg er in den Personenzug nach Roermond, den er über Lier, Herenthout, Geel und Mol bis Neerpelt benutzte. Hier musste er in den Zug, der von Hasselt kam und nach Eindhoven fuhr, umsteigen. In Achel war die belgische Grenzstation, wo er seine Abonnementkarte gegen Zurückgabe der 5 Franken Garantie wieder abliefern konnte. Nachdem er eine Fahrkarte nach Eindhoven gelöst hatte, fuhr er weiter bis Valkenswaard, wo die holländische Zollrevision stattfand. Da Franz weder Zigarren, die in Holland frei eingeführt werden können, noch Schokolade, die zollpflichtig sind, hatte, ging die Revision schnell vor sich. Nach ein oder zwei kleineren Stationen kam er gut in Eindhoven an. Am Bahnhof stand schon sein Vetter Herman, der ihn hinausführte. Am Stationsplatz kaufte er sich einige Ansichtskarten und fuhr dann mit dem Omnibus Nr. 11 der Hauptstraße entlang in die Zeelsterstraat, wo er von Frau van Himbergen freundlich empfangen wurde. Sie kannten sich ja schon, seit sie mit ihrem Mann mit dem Motorrad in Leipzig übernachtet hatten, als sie zusammen im Ribecksbräu zum Konzert waren. Nach dem Abendbrot führten sie Franz in ein oberes Zimmer, wo er sehr gut geschlafen hat. Trotzdem die Frau nicht deutsch sprechen konnte und er schlecht holländisch, haben sie sich doch gut verstanden.

Am anderen Tag kamen dann mit dem Auto sein Vetter aus Veghel mit seiner Frau sowie sein Onkel aus Berlicum, die dort beide ein Radiogeschäft in Veghel bzw. in Berlicum betrieben. Sein Onkel war in seinem Alter und war der Halbbruder seines Vaters und sah noch ganz kräftig und gesund aus. Er lud Franz auch ein, ihn sowie seine Frau in Berlicum zu besuchen, was er, da er nach Bremen wollte, vorläufig ablehnte. Er wurde ja auch von seiner Cousine in Vught erwartet, wo er am nächsten Tag mit der Bahn hinfahren wollte. Er löste in Achel eine Fahrkarte bis Vught oder ‘s-Hertogenbosch. Mit dem Auto seines Vetters wurde er dann bei regnerischem Wetter durch Eindhoven gefahren an der weltbekannten großen Glühlampen- und Radiofabrik von Philips vorbei, wo sein Vetter Herman angestellt war. Bei starkem Regen kamen sie wieder nach Hause. Nach dem Mittagessen und dem Nachmittagskaffee konnte er mit seinem Vetter und seiner Frau mit dem Auto nach Vught fahren bei wechselndem Regenwetter, bevor er nun nach Veghel zurückfuhr. Es war für ihn nur ein kurzer Umweg, wie er sagte. Spät nachmittags kamen sie auch glücklich in Vught an, wo sie erst nach der Elisabethstraat fragen mussten. Kurz vor dem Eisenbahnübergang Tillburg oder Eindhoven ‘s-Hertogenbosch war der kleine Laden, den die Mutter van der Vahl führte und wo auch seine Cousine wohnte, wenn sie als Krankenschwester im Dienst war. Sie wurden alle freundlich empfangen und Franz wurde gleich auf sein Zimmer in der ersten Etage geführt, um sich etwas waschen. Inzwischen fuhr aber sein Cousin mit seiner Frau weiter nach Veghel, da der Regen inzwischen ganz aufgehört hatte. Außer seiner Cousine wohnte noch eine Bekannte dort mit ihrem Bräutigam im Haus, die mit Abendbrot aßen. Auch 2 Kinder waren noch da, zu wem sie gehörten, hat Franz nicht genau feststellen können. Brot, Butter, Käse und Melone waren die Hauptspeisen des Abends. Anna hatte sich, wie es schien, ein paar Tage Urlaub genommen, denn am anderen Tag gingen sie zusammen mit der Freundin durch die Stadt Vught, wo er das neue Rathaus bewundern konnte und die übrige kleine Stadt durchwanderte, wobei er seine holländischen Sprachkenntnisse gut erweitern konnte. Am nächsten Tag fuhren sie dann mit dem Autobus nach ‘s-Hertogenbosch, wo sie im Kellergewölbe des Rathauses waren, um ein Glas Bier zu trinken. Es waren die Überreste des älteren gotischen Baus. An der Hauptkirche vorbei ging es dann mit Anna und ihrer Schwester am Kanaldeich, wo die Schwester wohnte, zum Kaffeetrinken, um dann etwas später nach Vught zurückzukehren.

Am anderen Tag fuhr Franz dann, nachdem er von der Mutter, den Kindern und Anna Abschied genommen hatte, wobei er die ihm noch verbliebenen holländischen Münzen unter die 2 Kinder verteilte, mit dem Omnibus nach ‘s-Hertogenbosch (5 km), wo er direkt am Bahnhof aussteigen und eine Fahrkarte nach Bremen lösen konnte.

Die 14. Reise nach Belgien, die nicht mehr stattfand

Durch die Unterzeichnung des deutsch-sowjetrussischen Nichtangriffspaktes am 22. August 1939 schien die Kriegsgefahr für Franz etwas vermindert, sodass er sich entschloss, noch einmal nach Brüssel zu fahren, um Schwester und Freunde zu besuchen. Beim Messamt bestellte er wieder ein 15tägiges Abonnement für die belgischen Staatsbahnen und so fuhr er Ende August vom Hauptbahnhof zuerst bis Eisenach, wo ihn Lotte, seine Tochter, schon erwartete. Der Geburtstag von Lotte war wohl schon vorbei, er hatte aber noch Gelegenheit, die vielen Blumen und Geschenke, die sie erhalten hatte, zu bewundern. Er kam vormittags nach 11 Uhr in Eisenach an und hat sich bis gegen Mitternacht gut unterhalten und reichlich erholt. Er wollte mit dem Nachtzug nach 2 Uhr weiter nach Brüssel fahren, aber da inzwischen die allgemeine Mobilmachung erfolgt war und der Einfall der Wehrmacht in Polen bevorstand, wurde Franz etwas unsicher, beschloss aber doch, die Reise fortzusetzen, da die Züge alle noch fuhren und sich die Sache im Osten abwickelte, während er doch Richtung Westen fahren wollte. Lotte begleitete ihren Vater zum Bahnhof, wo der Zug mit etwas Verspätung eintraf. Derselbe war so besetzt, sodass er nur mit Mühe hineinkam mit seinem Gepäck Da man sich im Gang kaum bewegen konnte und er wohl bis Köln keinen Sitzplatz bekommen würde und außerdem an den bevorstehenden Krieg dachte, stieg er, fest entschlossen die Reise aufzugeben, wieder aus dem Wagen. Da bald darauf ein D-Zug nach Leipzig fahren würde, nahm er eine neue Fahrkarte nach Dessau, wo Frau Henkel hingefahren war und fuhr zurück bis Weißenfels, von wo aus er mit dem Personenzug über Halle nach Bitterfeld gelangte und von hier nach Dessau, wo er gegen 8 Uhr vormittags glücklich ankam.

Seine Schwester Louise, zu der er augenscheinlich ein sehr enges Verhältnis hatte – denkt man an die vielen Reisen nach Brüssel – hat er nicht mehr wieder gesehen.