Franz van Himbergen und Julius Wilhelm von Pittler

Julius Wilhelm von Pittler wurde als Sohn eines gräflichen Oberförsters am 21. Juni 1854 in Kirschitten, Ostpreußen geboren. Er war noch keine sieben Jahre alt, als sein Vater starb. Es ist anzunehmen, dass seine Kindheit dadurch reich an Entbehrungen war. Nach der Konfirmation sorgte der Gutsherr von Tolks für seine weitere Ausbildung. Und so kam Wilhelm zu einem Gärtner in die Lehre.

Als Zwanzigjähriger ging er zunächst nach Elbing, wo er sich als Kunstgärtner weiterbildete. Aber schon ein Jahr darauf verschlug es ihn nach Hamburg und er wurde in Harburg als Gärtner angestellt. Pittler hatte sich im Freihandzeichnen weiter ausgebildet und zunehmend entdeckte er seine Leidenschaft für das Zeichnen.

1876 kam er schließlich nach Leipzig. Hier fand er eine Stellung bei einer Fahnenfabrik und hatte dort Stickmuster, Ornamente, Blumen, Girlanden, Monogramme usw. zu zeichnen, die man für das Besticken von Vereinsfahnen, Tischdecken u.a. benötigte.

Er lernte die Kurbelstickmaschine kennen, eine Abart der Nähmaschine, die zum Verzieren von Stoffen diente. Bald konnte er selbst genauso gut mit der Maschine sticken wie die geübten Stickerinnen. Mehr und mehr reizten ihn die technischen Details und er versuchte, die Arbeit durch Verbesserungen an der vorhandenen Maschine zu erleichtern. Um seine Erfindung auszunutzen und mehr Geld verdienen zu können, entschloss er sich, sich selbständig zu machen. 1878 schaffte er sich eine Kurbelstickmaschine an, um auf Bestellung Tischdecken und Tändelschürzen, die damals sehr beliebt waren, zu besticken. In „Quandts Hof“, zwischen Nikolai- und Ritterstraße gelegen, wohnte und arbeitete er. Bald hatte er so viel zu tun, dass er zwei weitere Stickmaschinen anschaffen und Hilfskräfte einstellen musste.

Seine erste Erfindung, eine Verbesserung an der Stickmaschine, ließ er in einer größeren Nähmaschinenhandlung und Reparaturwerkstatt ausführen. Der Händler meldete die Neuerung umgehend auf seinen Namen als Patent an. Die Enttäuschung war für den jungen Erfinder so groß, dass er zukünftig seine neuen Ideen erst zum Patent anmeldete, ehe er damit an die Öffentlichkeit ging.

Durch sein technisches Interesse beschäftigte sich Pittler immer mehr mit Maschinen, die mit seiner eigentlichen Arbeit wenig zu tun hatte. Seine erste Leistung war 1878 eine selbsttätige Tüten-, Falz und Klebemaschine, die im Jahr darauf auf der Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Altona mit viel Erfolg ausgestellt wurde. Pittler selbst führte sie im Betrieb vor und stellte in einer Stunde mehrere tausend Beutel von einem abrollenden Papierband her.

Pittler hatte ein ausgezeichnetes Vorstellungsvermögen und ganz gleich, wo er sich gerade befand, er hatte immer sein Skizzenbuch zur Hand, um seine Ideen aufzuschreiben. Trotz seiner vielfachen und oft sprunghaften Beschäftigung mit allen möglichen technischen Problemen blieb Pittler bodenständig. In diesen Jahren kam er zu einem gewissen Wohlstand, zumal er selbst bedürfnislos und sparsam war.

Seine Lebensmittel kaufte er im nächstgelegenen Feinkostladen, wo er eine Leipzigerin kennenlernte, die ihm gut gefiel. Wie Pittler später selbst erzählt hat, war es zunächst nicht möglich, ein Treffen mit ihr zu vereinbaren, sodass er erst einmal damit vorlieb nehmen musste, mit dem Bruder spazieren zu gehen. Nach drei Jahren, 1879, heiratete er dann die Leipzigerin Martha Albrecht, eine ruhige Frau, die es verstand, auf seine Eigenheiten einzugehen. Nach der Hochzeit zog Pittler in eine Villa nach Gohlis in die Böttcherstraße, die heutige Lindenthaler Straße.

1880 befasste sich Pittler mit dem Bau eines Dampfmotors mit Einspritzkessel. Es gelang ihm, eine betriebsfähige Maschine zu entwickeln. Der Motor war vorn in einem Omnibus eingebaut und wurde von einem Arbeiter stehend gesteuert. Pittler stand neben dem Fahrer und beobachtete ihn bei seiner Arbeit. Durch die Steinkohlenbrikettfeuerung und den hohen Dampfdruck wurde die Wandung des Feuerraumes so heiß, dass nach der Fahrt die Hosen des Busfahrers durchgebrannt waren. Pittler musste ihm eine neue Hose zur Verfügung stellen. Während der Fahrt sprang Pittler des Öfteren ab um nachzusehen, ob die Übertragung vom Motor zur Hinterachse gut arbeitete; dabei lief er längere Strecken neben dem Wagen her, um dann wieder aufzuspringen. Die Geschwindigkeit kann also nicht sehr groß gewesen sein. Die Leipziger Polizei verbot jedoch weitere Fahrten, da das Pflaster unter den schweren Eisenreifen zu sehr litt.

In den folgenden Jahren beschäftigte er sich mit verschiedenen Erfindungen, z.B. den Kohlefaden der elektrischen Glühbirne auswechselbar zu machen. Er entwickelte ein Verfahren für den Druck großer Plakate von präparierten Zinkplatten an Stelle der bisher benutzten Steinplatten. Dadurch konnten große Formate unmittelbar auf einen Bogen gedruckt werden, während sie bis dahin in einzelnen Teilen gedruckt und anschließend zusammengeklebt werden mussten. Er konstruierte ein selbsttätiges Feuerzeug, verbesserte eine Fadenheftmaschine für die Buchbinderei und versuchte sich am Bau eines selbsttätigen Klaviers. Aber immer wieder kam Pittler zur Näh- und Stickmaschine zurück und meldete einige Patente an.

Pittler war sehr reiselustig und bereiste zunächst Deutschland, später dann besuchte er London, Brüssel und Paris. Überall knüpfte er Verbindungen zur Auswertung seiner Erfindungen an. Die Verwertung der Patente im Ausland brachte ihm gute Einnahmen, sodass er 1886 eine Villa in Gohlis kaufen und ganz nach seinem Geschmack einrichten konnte.

Für die Wohnräume und die Werkstatt wählte er trotz der hohen Kosten die zu dieser Zeit noch seltene Zentralheizung. Mit dieser Heizung wurde auch das Palmenhaus mit Wärme versorgt. Auch ein Bad wurde eingebaut – damals noch selten – ebenso eine Wassertoilette. Sogar eine Pumpe für die Wasserversorgung des Springbrunnens im Garten und des Wasserfalls im Palmenhaus baute er.

Ende Juli 1888 lernte Franz van Himbergen Wilhelm von Pittler in Brüssel kennen. Der war unterwegs, um seine Erfindung, eine kleine Strick- und Nähmaschine, vorzuführen und um seine belgischen, französischen und englischen Patente der Näh- und Strickmaschine und deren Pantographen zu verkaufen. Herr Huysmann, bei dem Franz als Durchpauser zum Punzieren von Kurbelstickmustern auf Decken, Taschentücher usw. gearbeitet hatte, stellte den Sechzehnjährigen Herrn von Pittler vor. Herr Huysmann hat wohl mit Pittler über Franz gesprochen, denn etwas später, nachdem er einige Stickmusterzeichnungen von ihm gesehen hatte, wurde Franz gefragt, ob er Lust hätte, mit ihm nach Deutschland zu fahren, er würde Franz gern als Lehrling der Mechanik ausbilden bei freier Kost und Logis. Der Vater erklärte sich damit einverstanden, dass sein Sohn in Deutschland sein Glück versuchte, zumal er in seiner Jugend ja selbst auch von Holland nach Belgien ausgewandert war.

Die Vorbereitungen für die Reise wurden getroffen. Franz kaufte ein deutsch-französisches Wörterbuch und einen Stadtplan von Leipzig. Auch einige seiner wichtigsten Bücher nahm er mit. Der Tante Dominika passte es natürlich gar nicht, dass Franz nach Deutschland in die Lehre gehen wollte, auch den katholischen Lehrern an der Schule war es nicht recht, da er doch in ein protestantisches Land, nach Sachsen, zog. Tanta Dominika gab ihm natürlich gute Lehren mit auf dem Weg. Er sollte nur fleißig zur katholischen Kirche und zur Beichte gehen usw. Zum Schluss gab sie ihm noch ein schönes neues Gebetbuch und einen flämischen Katechismus mit.

Im Büro des Cartographique militaire waren seine Kollegen anderer Meinung, sie lobten seinen Entschluss und wünschten Franz alles Gute, ausgenommen der Franzose, der nicht begreifen wollte, dass man nach Deutschland gehen konnte, um dort zu arbeiten. Das Land wäre doch schlecht organisiert usw.

Am 3. September 1888 fuhr Franz zum letzten Mal mit seinen Eltern und seiner Schwester Louise nach Brüssel, um Wilhelm von Pittler am Nord-Bahnhof zu treffen, der auch bald mit Huysmanns im Wartesaal erschien. Sie nahmen Abschied und fuhren um 9.47 Uhr abends in der II. Klasse mit dem Schnellzug bis Herbesthal, der damaligen belgischen Grenzstation. Die Reise nach Leipzig hat er sehr ausführlich in dem Artikel „Wie ich Pittler kennenlernte“ (s.u.), erschienen in der Werkzeitung der Werkzeugmaschinenfabrik Aktiengesellschaft „Gefolgschaft Pittler“, geschildert.

Nach seiner ersten Nacht in der Fremde war er am anderen Morgen zeitig munter und stand vor dem Kaffeetrinken gegen 7 Uhr vor der Haustüre mit seinem Wörterbuch und verglich die französischen und deutschen Wörter. Vor dem Eingang war ein großer freier Kiesplatz und hinter dem Staket ein schöner großer Garten mit geschwungenen Wegen, einem großen Rasenplatz und mehreren Büschen mit Sitzbänken. Links waren das Eingangstor und rechts die kleine Werkstatt, wo Pittler mit seinem Meister Paul Martin und fünf Arbeitern seine Erfindungen praktisch durchführte. Neben der Werkstatt befand sich die Stickerei, wo mehrere Stick- und Nähmädchen die schönsten Monogramme und Blumenbuketts nach 6fach vergrößerten Stickzeichnungen mittels eines Pantographen auf Taschentücher, Decken usw. mit bunten Seidenfäden bestickten.

Am nächsten Tag zeigte Pittler ihm seine Werkstatt mit dem Gasmotor und den Werkzeugmaschinen (Drehbank, Fräsmaschine, Hobelmaschine, Wandbohrmaschine, Schleifmaschine und Schleifstein) und stellte ihn seinem Meister und seinen Arbeitern vor. Den ersten Tag konnte er sich noch von der Reise ausruhen und sich den vorderen und hinteren Garten ansehen. Der vordere Garten an der Ecke der Garten- und Böttcherstraße war als englischer Blumengarten mit Blumenrabatten und einem Springbrunnen eingerichtet und mit einem Weinlaubengang gegen das Nachbargrundstück abgegrenzt. Am Hause war ein Palmenhaus angebaut, in dem exotische Pflanzen wuchsen und in einer lauschigen Grotte konnte man sich ausruhen. In der Mitte des durch Dampf beheizten Palmenhauses floss ein kleiner Bach, der mit einer gewölbten Bohlenbrücke versehen war. Die Versorgung der seltenen Pflanzen besorgte ein besonderer Gärtner, der mit einer Handspritze die Pflanzen täglich wässerte.

Der hintere Garten mit gewundenen Wegen und Sitzbänken war als Bauerngarten ausgebildet und bot mehr Schatten als der vordere Garten, der nur einen Rundweg hatte und vorn an der Straßenecke einen erhöhten Ruheplatz mit Tisch und Stühlen zum Beobachten des geringen Straßenverkehrs besaß.

Mit den Töchtern Meta und Dora und einem Neffen der Familie von Pittler, Rudolf Albrecht, ging es am Nachmittag des ersten Tages in die Stadt, da Franz auch Leipzig besichtigen sollte und so führten ihn die Kinder über den Exerzierplatz und die Blücherstraße zur inneren Stadt an den Bahnhöfen vorbei und über den großen Augustusplatz zu ihrer Tante Tekla Müller in die Dufourstraße und dann zurück nach Gohlis durch das schöne Rosenthal am zoologischen Garten vorbei: Unterwegs fielen ihm die älteren hohen Häuser an der Westpromenade in der Nähe der Mathäuskirche auf. An Stelle des neuen Rathauses mit dem hohen Turm stand damals noch die alte Pleissenburg als Kaserne. Die Mädchen und Rudolf hatten ihren Spaß daran, dass Franz nicht deutsch sprechen konnte und er sich nur in vlämisch ausdrückte und z.B. statt der Mond, die Mond sagte, da auf Französisch „la lune“ weiblich ist.

Franz bekam in der Pittler-Villa eine größere Dachkammer mit zwei Fenstern zur Straße hin zugewiesen. In der Woche wurde ihm das Mittagessen, der Kaffee und das Abendbrot in einem kleinen Raum hinter der Küche von der Köchin Minna serviert, während er sonntags, als zur Familie gehörend, mit Herrn und Frau von Pittler, den Kindern und dem Hausfreund und Kaufmann, Herrn Richard Voigtländer, im Wohnzimmer das Mittagessen einnahm. Auch eine Nichte der Frau von Pittler, Elsa Müller, die etwas später das Kochen lernen sollte, war anwesend, die Franz später auch schätzen und lieben lernte durch den täglichen Verkehr und durch Spielen und Necken im Garten. Da er doch auch gern ab und zu zur Stadt wollte, ging er zunächst sonntags zur katholischen Kirche, um die große Messe gegen 10 Uhr anzuhören, denn der Sonntag war frei und er wollte doch auch das Versprechen, das er seiner Tante Dominica in Mecheln gegeben hatte, möglichst einhalten. Das schien aber der Frau von Pittler nicht zu gefallen oder dachte sie, Franz ginge nicht zur Kirche, jedenfalls, nachdem er ein bis zwei Monate regelmäßig zur Kirche gegangen war, sagte sie, es sei nicht nötig, alle Sonntage zur Kirche zu laufen, man könne auch sonntags etwas arbeiten. Darüber hat Franz sich dann doch so geärgert, dass er den Kirchgang überstürzt ganz unterließ und sonntags zu Hause blieb. Es fiel ihm auch nicht schwer, da er durch seine astronomischen Lektüre und seine Ansichten über das Weltall sowieso ziemlich frei denken gelernt hatte.

Zwei Tage nach seiner Ankunft in Leipzig wurde in der Gohliser Villa der Sohn, Bruno von Pittler, geboren. Es war eine große Freude, dass es endlich – nach 3 Mädchen – ein Junge war.

Mit dem Stadtplan bewaffnet machte Franz nach einigen Monaten mit Meta, Dora und Elsa Müller, seiner späteren Frau, die erste größere Fußtour. An einem Wintersonntag des Jahres 1888 ging er mit ihnen von Gohlis und durch das Rosenthal an der Mühle vorbei, den Pleissendamm entlang, über die Elsterbrücke dem alten Schützenhaus zu, und dann durch die Hauptstraße nach Leutzsch, und von hier über die Bahn am Bahnhof vorbei durch den Wald nach Wahren, am Gutshof vorbei und von dort zurück nach Gohlis, wo sie alle verwundert waren, dass er als Fremder die Kinder so gut geführt hatte. Das war sein erster Ausflug in Leipzig. Vorher, es muss im Monat Oktober 1888 gewesen sein, als das damals neue Reichsgerichtsgebäude an der Harkortstraße durch den neuen Kaiser Wilhelm II eingeweiht wurde, ist er mit Meta von Gohlis extra ins Zentrum gelaufen, um der Feier beizuwohnen. Es war eine große Feier, woran sich viele Vereine mit ihren Fahnen und Schildern beteiligten. Von der eigentlichen Feier haben die beiden sehr wenig gesehen, nur die vielen Fahnen und Standarten konnten sie am großen Platz vor dem Reichstagsgebäude beobachten unter dem Klang der vielen Musikkapellen.

Näh-, Stick- und Stopfvorlagen

Am 6. September führte Pittler Franz in die Stickerei über der Werkstatt in  einen Nebenraum der Stickerei, wo er nun zuerst Stickmuster für die Stick- und Nähmaschine zeichnen sollte. Das Zeichnen der Monogramme zeigte ihm einige Tage später ein Lithograph aus Leipzig, der bisher wohl die meisten Zeichnungen für Pittler gezeichnet und lithographiert hatte. Das war leicht für Franz zu begreifen und so dauerte es nicht lange und er konnte die schwierigen Zeichnungen für die Stickmaschine in sechsfacher Größe anfertigen. Mit den Stickmädchen ist er dann auch ganz gut fertig geworden, da sie ohne Schwierigkeiten wie bisher nach seinen Zeichnungen sticken konnten. Auch Pittler war wohl mit seiner Arbeit zufrieden. Während Franz oben zeichnete, war er meistens unten in der Werkstatt und führte Modelle seiner Näh- und Stickmaschine aus, die er zum Vorführen im Auslande und zum Vertreiben seiner Patente in Frankreich, Belgien England usw. brauchte. Er war sehr oft verreist, um Geschäfte mit seinen Erfindungen zu machen.

Es dauerte aber ziemlich lange, bis er bei Pittler anfangen konnte, in der mechanischen Werkstatt zu arbeiten, denn er war mit dem Zeichnen der Stickmuster immer vollauf beschäftigt.

Inzwischen hatte Pittler eine kleine Metallbearbeitungsmaschine, eine Art Drehbank, entworfen, worauf durch Anbringen von kleinen Nebenvorrichtungen auch gebohrt, gefräst und geteilt werden konnte. Außer Hobeln konnte man alle vorkommenden Arbeiten mit der Maschine ausführen. Das erste Modell war schon fertig, bevor Franz nach Mecheln zum Begräbnis seines Vaters fuhr, und er wurde an der kleinen Drehbank

Pittler Metallverarbeitungsmaschine Modell B mit patentiertem Schnurenantrieb, Franz als Lehrling 1889
Pittler Metallverarbeitungsmaschine Modell B mit patentiertem Schnurenantrieb, Franz als Lehrling 1889

in der Stellung eines Drehers, der einen Gegenstand zwischen den Spitzen dreht, photographiert. Die Drehbank hatte eine Spitzenhöhe von 75 mm und eine Spitzenweite von 200 mm. Der Antrieb der Drehspindel erfolgte wie bei der Pittler-Nähmaschine durch Niedertreten einer Schiene, die durch eine kleine Federwelle selbsttätig zurückgezogen wurde. Die kleine Drehbank war auf einen Holztisch geschraubt und wog nur 20 kg. Damals im Jahre 1888 bzw. 1889 wurde ein Prospektblatt gedruckt mit der gleichen Abbildung auf der ersten Seite und weiteren Abbildungen einer größeren Maschine und der Näh- und Stickmaschine, die die Stellung einer Dame beim Sticken mit dem Pantographen darstellt (Abb. siehe Beitrag “Wie ich zu Pittler kam”). Die Dame ist Fräulein Hoffmann, die Herrn von Pittler auf seinen Reisen nach Paris, Brüssel und London begleitete, um das Sticken praktisch vorzuführen.

Maschinenfabrik Invention
Die Maschinenfabrik Invention

Durch den Verkauf seiner Patente in Belgien, Frankreich und England war Pittler in die Lage gekommen, die Fabrikation der Stick- und Nähmaschine und der neuen Drehbank in großem Maßstabe durchzuführen und er kaufte das Fabrikgebäude der Ehrlicher Musikwerke in der Möckernschen Straße Nr. 6 in Gohlis und so wurde im Herbst 1889 der Umzug der kleinen Werkstatt zu der Fabrik in die Möckernsche Straße bewerkstelligt, wobei Franz zusammen mit dem Dienstmädchen Marie und den Arbeitern mitgeholfen hat. Die Entfernung von der alten Werkstatt zu der neuen Fabrik war nicht sehr groß. Nachdem sie schon mehrere Male gefahren waren und verschiedene Kisten mit Maschinenteilen transportiert hatten, geriet Franz beim Eingreifen in die Speichen des Wagenrades mit dem rechten Zeigefinger zwischen eine Speiche und das Wagengestell, wodurch er sich den Fingernagel quetschte. Er musste zum Doktor und mit dem Weiterhelfen war es vorbei. Er wurde krank gemeldet und es hat wohl 8 bis 10 Wochen gedauert, bis er die rechte Hand wieder benutzen konnte. In der Fabrik, die als Maschinenfabrik „Invention“ W. von Pittler am 11. Juli 1889 im Handelsregister eingetragen worden war, kam Franz schon Ende des Jahres 1889 in die Stickerei. Die Werkzeugmaschinen der alten Werkstatt in der Böttcherstraße 10 sowie einige neue Maschinen und mehrere Fräs- und Hobelmaschinen, die Pittler für seine ausländischen Patente aus Paris und Brüssel hatte kommen lassen, waren inzwischen aufgestellt und in Betrieb genommen worden. Hinten im Quergebäude war eine Schmiede eingerichtet und weiter rechts befanden sich die Tischlerei und die Wohnung des Kutschers sowie der Pferdestall. An der Längsseite der Fabrik hinter dem Dampfmaschinenraum und dem Fabrikschornstein hatte Pittler oder Voigtländer einen Hühnerstall einrichten lassen, und Franz bekam den Auftrag, alle Tage die gelegten Eier aus dem Stall zu nehmen und mittags in der Küche der Villa abzuliefern.

Am Anfang des Jahres 1890 wurde Franz dann endlich durch Pittler als Lehrling der Mechanik eingestellt. Zuerst kam er an eine kleine Drehbank, um das Drehen zu erlernen sowie das Gewindeschneiden, danach an eine Shapingmaschine, bei der er, als er beauftragt wurde, einen Weg zu erledigen, vergaß, den Sperrriegel zum Längsvorschub beim Fortgehen auszuschalten, wodurch die Sperrklinke und das Vorschubband auf der Vorschubspindel zerbrachen. Im Parterre-Saal des Hauptgebäudes waren die größeren Maschinen wie Drehbänke und Fräsmaschinen untergebracht, die letzteren teilweise aus Brüssel geliefert als Zahlung der Pittler-Patente. Im ersten Stock waren die kleineren Maschinen, wie Werkzeugdrehbänke, Schleifmaschinen, Spezialmaschinen usw. und im zweiten Stock zwei lange Werkbänke, mit je einer größeren Anzahl von Pittlers Drehbänken versehen. Jede Drehbank hatte eine Fest- und eine Losscheibe zum Antreiben der Drehspindel. Und auf jeder Drehbank konnte eine Langdreharbeit ausgeführt werden, eine kürzere Welle oder ein Bolzen, sodass sämtliche Pittler-Drehbänke zur gleichen Zeit ein Arbeitsstück in der Längsrichtung bearbeitete und am Ende der Arbeit durch die selbsttätige Ausrückvorrichtung die Längsbewegung des Supportschlittens ausgeschaltet wurde. Nach der Fertigstellung der automatischen Drehanlage gab es für ca. 20 Arbeiter, worunter sich auch Franz befand, eine Flasche Bier und Brötchen mit Wurst, Schinken oder Käse, die von der Villa durch das Dienstmädchen Marie herübergebracht wurden. Sie haben alle auf der Werkbank gegessen und es sich schmecken lassen. Das war die Einweihungsfeier des Drehsaales in der zweiten Etage.

Die dritte Etage wurde erst später eingeweiht, als die Fabrikation soweit fortgeschritten war, dass die Nähmaschine zusammengebaut werden konnte. Durch den späteren Bau der Pittler-Drehbank mit pneumatischer Wange kam die Sache jedoch nicht richtig in Gang, sodass die Etage nie richtig ausgenutzt wurde. Da Pittler seine Nähmaschinen-Patente wie z.B. den Sperrkegelantrieb das Rundschiffchen, den Puntographen usw. an Herrn Rumpf in Paris verkauft hatte, schickte Herr Rumpf zwei französische Mechaniker, die Gebrüder Braun, nach Leipzig, um die kleine Nähmaschine mit dem Stickapparat praktisch auszuführen. Mit diesen beiden Herren hat Franz sich in der Werkstatt gut französisch unterhalten und hat sie auch an einem Abend ins Varieté des Kristallpalastes begleitet, wo er zum ersten Mal die elektrische Glühlampen-Beleuchtung des Varieté-Saales bewundern konnte. In der Fabrik war damals an elektrische Beleuchtung noch nicht zu denken. Als Beleuchtung hatten sie in den Jahren 1890 bis 1899 nur die einfache offene Gasbeleuchtung. Zur Erhöhung der Lichtstärke beim Arbeiten z.B. beim Bohren und Nachprüfen von gedrehten oder gebohrten Teilen behalf man sich mit Spiegeln verschiedener Formen. Versuche mit Gasglühlicht gab es schon, besonders im Büro beim Zeichnen am Reißbrett. In Paris und Brüssel wurde die Stick- und Nähmaschine nach den Pittler-Patenten früher gebaut und geliefert als von Leipzig aus. Nach etwa zwei Monaten zogen die beiden Herren wieder nach Paris zurück.

Nach Ostern 1889 meldete Pittler Franz endlich in der Städtischen Gewerbeschule der Stadt Leipzig am Johannisplatz an, wo er im Maschinenbau theoretisch ausgebildet wurde. Zusammen mit der praktischen Ausbildung in der Fabrik kam er schnell vorwärts. Außer darstellender Geometrie mit den Aufgaben über Körperprojektionen, Körperschnitte, Durchdringungen, Schattenkonstruktionen usw. hatten sie auch Unterricht in Mechanik und Mathematik. Im Maschinenzeichnen lernten sie die wichtigsten Maschinenteile kennen und übten sich im selbständigen Entwerfen und Konstruieren. So konstruierte er eine Bauwinde und führte alle dazu nötigen Berechnungen durch. Zuletzt hat er einige Werkzeugmaschinen beurteilt und zwar besonders eine geknöpfte Drehbank mit Leitspindel und Rädervorgelege. Im Entwerfen von Maschinen hatte er es nach dem Zeugnis, was ihm ausgestellt wurde, zu einer gewissen Selbständigkeit und Fertigkeit in der zeichnerischen Darstellung gebracht, sodass unter sachverständigen Oberleitung er einen Platz als Maschinentechniker schon damals mit bestem Erfolge ausfüllen konnte.

Als Direktor hatte v. Pittler im Jahre 1890 Herrn Georg Stolzenberg aus Berlin engagiert, der dann etwas später mit Herrn Ing. Flamm aus Aachen die Fabrik leitete und die ersten Zeichnungen der Nähmaschine und besonders der Drehbänke nach den Pittler-Patenten ausführte, die unter der Modellbezeichnung B und B II von 90 mm bekannt wurden. Später wurden dann die größeren Modelle C und C II 120 mm Spitzenhöhe gebaut.

Es war vielleicht im Sommer des Jahres 1890 als Herr Voigtländer, der kaufmännische Direktor und Freund des Herrn von Pittler, Franz fragte, ob er denn nicht die Arbeitszeichnungen in der Fabrik ausführen könnte, nachdem er die Schulzeichnungen, die er zu Hause in der Villa immer fertigstellen musste, gesehen hatte. Franz sagte natürlich zu und so trat er als technischer Zeichner in das technische Büro des Herrn Stolzenberg ein. Mit dem praktischen Arbeiten war es nun vorbei und ebenso mit dem Zeichnen von Stickmustern für die Stickerei, die nach und nach auch aufgegeben wurde. Die Nachfrage in Deutschland war wirklich sehr gering und es lohnte sich nicht, die Sache weiterzuführen, trotzdem hunderte von Nähmaschinenkörpern im Rohguss noch vorhanden waren. Nur die Pittler’sche Metallbearbeitungsmaschine wurde in mehreren Modellen weitergeführt und er hatte mit dem Zeichnen nach den schon ausgeführten Teilen und Abgüssen vollauf zu tun. Nachdem er einige Arbeitszeichnungen für die Werkstatt ausgeführt hatte, zeichnete er für den Katalog die Durchschnittzeichnungen der Drehbank Modell B II sowie die Drehbank Modell C II und C III, dann die Zeichnungen der Zubehörteile wie Fräsapparat, Spannfutter, Wechselruder usw. in Schattendarstellung sowie die Darstellungen von Teilen, die auf der Maschine hergestellt werden können. All diese Zeichnungen wurden dann später in den Pittler-Katalogen bis zum Jahre 1900 aufgenommen.

Im Jahre 1891 oder 1892 war Franz eine Zeit lang allein im Büro und beschäftigte einige junge Techniker und Zeichner, so z.B. Herrn Hoffmann, der ihm sehr geholfen hat (1894), und Herrn Lucke, der ihm später im Jahre 1894 das Radfahren im Rosenthal beibrachte.

Es muss auch im Jahre 1892 gewesen sein, als der Sohn des Fabrikanten Herrn Rumpf aus Paris bei Franz eine Zeit lang im Büro war, um das technische Zeichnen zu erlernen. Er sollte eine Zeit lang bei Pittler die Pittler’sche Universal-Drehbank studieren, die auch in Brüssel in der Rumpf’schen Fabrik gebaut werden sollte. Er hat unter seiner Leitung eine Universal-Planschule mit vier Kloben aufgezeichnet, die als Werkstattzeichnung Verwendung finden konnte. Bevor er wieder nach Paris fuhr, hat er Franz in das Weinlokal „Püyl“ in der Hainstraße eingeladen, nicht weit vom Markt, einen Abschiedsschoppen mit ihm zu nehmen. Als er gegen 7 Uhr abends ankam, waren aber schon mindestens 10 bis 15 Herren dort, die alle französisch sprachen. Herr Rumpf musste also einem französischen Club angehört haben. Es wurde auch ein Imbiss zu den verschiedenen Rot- und Weißweinen serviert, wovon er unglücklicherweise etwas zu viel genossen hatte. Durch das immerwährende Zutrinken der Herren stieg ihm der Wein zu Kopf, sodass ihm, als er dann an die frische Luft kam, so schlecht wurde, dass er nicht mehr allein nach Gohlis zurück gehen konnte, denn es drehte sich alles, und so haben die Herren ihn in eine Droschke gesetzt und nach Gohlis in die Böttcherstraße Nr. 10 fahren lassen. Er weiß nur noch, dass die Gartentür aufgemacht wurde und der Gärtner ihn die Treppe hinauf in sein Zimmer führte, wo er seinen Rausch ausschlafen konnte. Herr v. Pittler machte ihm am anderen Morgen wohl Vorwürfe über sein Benehmen, aber Frau von Pittler und Herr Voigtländer schoben die Schuld nur auf Herrn Rumpf Junior, der ihn eingeladen hatte. Es ist wohl auch das einzige Mal gewesen, dass er als junger Mensch, er war erst 20 Jahre alt, richtig betrunken war. Selbst in der TVL, dem Verein, dem er beigetreten war, ist es später nicht vorgekommen.

Im Jahre 1892 im September waren seine 4 Lehrjahre um und da musste er, da die Mädels älter wurden, aus der Villa ausziehen und mietete sich auf Vorschlag der Frau von Pittler, ein Zimmer für 15 Mark, beim Schwager des Herrn von Pittler, Hermann Grundmann, in der Schmiedstraße, Ecke Günterstraße, und zog auch später mit diesem zweimal um, zuerst in die Möckernsche Straße gegenüber der Fabrik und dann in derselben Straße in die Nr. 4 zwei Häuser von der Fabrik entfernt, sodass der Weg zur Fabrik immer kürzer wurde. Mittags ging er zum Essen in die „Weintraube“ ebenfalls in der Möckernschen Straße, gegenüber der der Breitenfelder Straße, wo es immer ein gutes Mittagessen gab für 50 Pfennige mit einem Glas Bier zu 13 Pfennigen. Das technische Büro führte er aber allein weiter unter der Leitung von Herrn v. Pittler selbst, für den er in der Zeit von 1891 bis 1899 hauptsächlich außer den Werkstattzeichnungen noch die Patentzeichnungen für Deutschland, England, die Schweiz, Belgien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika auszuführen hatte.

Im Jahre 1893 hat er auch nach Angaben des Herrn von Pittler eine Pittler-Fräsmaschine in vertikaler Ausführung entworfen, die als Universale Vertikalfräsmaschine Verwendung finden sollte. Auch diese Maschine wurde patentiert,ist allerdings nur einmal ausgeführt worden. Durch Verstellen des Supportringes und des Frästisches konnten außer Stein-, Kegel-, Spiralzahn-, Plan-, Schneckenrädern hohe Gewindesteigungen mit Leichtigkeit gefräst und geteilt werden. 1894 ließ Herr von Pittler den anstelle des Herrn Georg Stoltenberg engagierten Herrn Laurick, der bekannt war durch seine Erfindung „Laurick Oil“, im Jahre 1905 zum ersten Mal im Schillerschlösschen in der heutigen Menckestraße im Saal und Garten ein Sommerfest für die Arbeiter und Angestellten ausrichten mit Spielen und arrangierten Tanz, das zum ersten Mal, abgesehen von geringen Streitigkeiten, ganz schön verlief. Bei der Wiederholung eines solchen Festes im Jahre 1896 jedoch kam es durch Betreiben der organisierten Arbeiter, denen ein solches Fest wegen der harmonischen Zusammenarbeit von Leitung und Arbeitern ein Dorn im Auge war, zu Streitigkeiten, die sogar in eine Schlägerei ausarteten, sodass darauf beschlossen wurde, von weiteren Sommerfesten oder ähnlichen Veranstaltungen später abzusehen. Solche Störungen kamen aber immer erst vor, nachdem sich die Leitung der Fabrik, in diesem Falle Herr von Pittler mit Herrn R. Voigtländer nach 11 Uhr abends, bereits zurückgezogen hatten.

Trommelrevolverkopf

Während Herr Laurick Betriebsleiter war, übernahm Herr Ingenieur Streif, ein Schweizer, die Leitung des technischen Büros, während Franz sich hauptsächlich mit der Einstellung der Werkzeuge und mit Pittlers erfundenen Revolverkopf und den Patentzeichnungen fürs Ausland beschäftigte. Während die erste Ausführung des Revolverkopfs mit nur 10 Werkzeuglöchern versehen war, hatte Pittler die Anzahl der Werkzeuge auf 16 erhöht. Das Patent wurde, trotzdem die Anmeldung schon am 7. Januar 1896 von Franz eingereicht worden war, erst am 11. August 1898 bekannt gegeben. Wie aus der Patentschrift ersichtlich, wurde von der bekannten prismatischen Wange der Pittler-Drehbank abgesehen und die Maschine als eigene Revolverdrehbank ohne durchgehendes Bett auch zum Bearbeiten von Werkstücken von größerem Durchmesser vorgesehen. Die Maschinen mit dem prismatischen Bett kaufte hauptsächlich der Fahrradfabrikant Hans Sachs aus Schweinfurth, der damals mit der Fabrikation von Freilaufnaben für Fahrräder anfing, zuerst im Waschhaus seiner Wohnung, woraus dann später die große Fabrik von Fichtel und Sachs in Schweinfurth entstand.

In Verbindung mit Herrn Hans Sachs entwarf Pittler aufgrund seiner Drehbank mit prismatischer Wange eine Maschine mit schwingendem Doppelsupport und zwar ganz besonders zum Herstellen von Fahrradnaben. Das war bereits im Jahre 1893. Mittels breiter Formstühle wurde mit den vorderen Teil des schwingenden Supports die Form der Nabe vorgestochen und durch Gegenschwenken mit dem Formstuhl des hinteren Supports die Nabe fertig gedreht. Gleichzeitig wurde, durch einen Spiralbohrer der im Reitstock der Drehbank eingespannt war, das Loch der Nabe vorgebohrt, sodass die 3 Arbeitsgänge ziemlich zu gleicher Zeit erfolgten. Dadurch war es möglich geworden, eine Nabe in kürzester Zeit von der gezogenen Stahlstange vorzuarbeiten, vorzubohren und von der Stange anzustecken. Die Schwenkbewegung des schwenkbaren Supportes wurde durch Verdrehen einer Schnecke, welche in einem am Support befestigten Zahnsegment eingriff, bewerkstelligt. Genau einstellbare Anschlagschrauben begrenzten die Schwenkbewegungen des Schwenksupportes. Im Jahre 1894 wurde die Maschine in einer verstärkten Ausführung angefertigt und im Jahre 1896 als besondere Spezialmaschine mit zylindrischer Wange ohne Prisma aber mit verstärktem Reitstock für den Spezialbohrer mit Kühlölzuführung ausgeführt. Bevor die amerikanische Automutter in Deutschland eingeführt wurde war diese Pittler-Spezialmaschine die leistungsfähigste Maschine zum Herstellen von Fahrradnaben. Die meisten dieser Maschinen, die kleinere wie auch größere Ausführung hat wohl die Firma Fichtel und Sachs in Schweinfurth von Pittler bezogen, um ihre bekannten sogenannten Torpedo-Freilaufnaben herzustellen.

Während nun Pittler in England geschäftlich zu tun hatte, erhielt Ingenieur Streif den Auftrag nach der Patent-Anmeldung vom 7. Januar 1896 die Maschine auszuführen. Es war keine leichte Aufgabe, denn die Zeichnungen der Patentschrift zeigten drei verschiedene Ausführungen und zwar zwei Ausführungen mit durchgehendem Bett oder Führungsprismen für den Revolverschlitten und eine Ausführung mit Zwischenbock für den Revolverschlitten also ohne durchgehendes Bett. Leider wählte Ingenieur Streif die bisher übliche Ausführung, die zwar mit den bekannten Revolverdrehbänken übereinstimmte, aber nicht gerade die stabilste war. Jedenfalls war Pittler mit der Ausführung nicht zufrieden und beauftragte Franz bei seiner Rückkehr aus England, die Sache in Ordnung zu bringen, indem der Zwischenbock für den Revolverschlitten weggenommen werden sollte und der Revolverschlitten direkt mit der Bettführung verbunden wurde. Franz führte also die Konstruktion so aus, wodurch ein Sinken des Revolverkopfes beim weiteren Vorschieben des Kopfes aus dem Führungsbock vermieden wurde. Diese Ausführung, die sich sehr gut bewährt hat, ist bis zuletzt eingehalten worden.

Im Jahre 1895 war das Betriebskapital von Pittler bei der Bank aufgebraucht und, um seine Maschinen weiter herstellen zu können, war Pittler gezwungen, die Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, wobei er als Direktor die Fabrik unter dem neuen Namen „Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik, vormals W. v .Pittler“ weiter führen sollte. Herr Voigtländer sein treuer Mitarbeiter, wurde als kaufmännischer Direktor eingestellt.

Geschäftskarte

Da Franz die verschiedenen Sondervorrichtungen der Pittler’schen Drehbank genau kannte und auch die Einstellung derselben auf der Maschine gut verstanden hatte, fertigte er im Jahre 1894, um Pittler einen Gefallen zu tun, eine größere Geschäftskarte für die Maschinenfabrik „Invention“ in Leipzig-Gohlis an, aus welcher ringsherum die verschiedenen Einstellungen der Maschine beim Drehen, Gewindeschneiden, Kugeldrehen, selbsttätigen Handräderdrehen, Drehen mit Handvorlage, Drehen von der Stange, Drehen mit Revolverkopf, sowie beim Fräsen von Kegelrädern, Sturmrädern, Schraubenrädern, Schneckenrädern dargestellt war, wobei in der Mitte die Schrift mit der Maschine selbst und das Patentamt-Wappen und ringsherum außer den Einstellungen, allerhand Teile, die mit der Maschine herzustellen waren, wiedergegeben waren. Pittler und auch Voigtländer haben sich über seine Arbeit sehr lobend ausgesprochen. Für Franz war es aber eine schwierige und Geduld erfordernde Arbeit gewesen, die er außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit ausgeführt hat, denn er hatte damals, von 1894 bis 1904, mit der Anfertigung der vielen verschiedenen Zeichnungen für die Kataloge der Pittler-Maschine, mit den Darstellungen der Zubehörteile, der Support-Einstellungen für Dreh- und Fräsarbeiten, der Durchschnittzeichnungen für die Pittler-Drehbankmodelle B II und C III sowie der Anfertigung der Tabellen für das Gewindeschneiden und für das Fräsen und Teilen, beim Herstellen von hohen Steigungen sehr viel zu tun.

Am 23. Oktober 1893 hatte Pittler im Sächsischen Bezirksverein des Vereines der deutschen Ingenieure im Lokal Kitzig und Helbig in der Petersstraße, einen Vortrag über seine Drehbank zu halten, dem Franz auch beiwohnte. Während Herr Direktor Müller den eigentlichen Vortrag hielt, erklärte Pittler die Anwendung seiner Maschine. Eine Zeichnung mit der Darstellung von schwierigen Arbeitsstücken hatte Franz für die Ingenieurs-Zeitung angefertigt, die auch in der Nr. 33 vom 18. Aug. 1894 veröffentlicht wurde. Das Bild zeigt die verschiedenen Schrauben und Spirallinien sowie gerade und spiralförmige Nuten, die auf Werkstücken hergestellt werden können unter Verwendung von einfachen Drehstühlen oder gewöhnlichen Fräsen. Die dargestellten Musterstücke sind tatsächlich ausgeführt worden.

Im Jahr 1897 fand in Leipzig die große Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbeausstellung statt, wo auch Pittler seine Maschine ausgestellt hatte. Franz hatte persönlich bald täglich in der Ausstellung zu tun, da Pittler nicht immer Zeit hatte. Die neue Pittler-Drehbank mit Revolverkopf Modell DRA war in Betrieb zu sehen und er musste den Besuchern die Arbeitsweise der Maschine oft vorführen. Es wurde ein Musterstück von der Messingstange in ca. einer Minute hergestellt und gleich abgestochen. Die äußere Form des Musters wurde mit einem von Pittler zum Patent angemeldeten runden Formschälstahl durch Verdrehen und Schälen hergestellt. Die Bohrung wurde wie üblich mittels Spiralbohrer gebohrt und das Muster von der Stange abgestochen. Außerdem war ein Arbeitsmesser für 5 PS ausgestellt, den er bereits im Jahre 1893-94 mit Herrn Direktor Müller der Firma Frederking in Leipzig-Plagwitz konstruiert hatte und als Zwischenvorgelege unter Einschaltung von 2 Spiralfedern innerhalb der beiden Riemenscheiben und Übertragung der Verstellung der Antriebs- und getriebenen Schreiben auf ein Zählwerk (Tonnenzähler) die verbrauchte Arbeitskraft während einer bestimmten Zeit in Meterkilogramm angab. Es kam auch ein Franzose aus Paris, der sich den Apparat von ihm erklären ließ. Dabei stellte sich heraus, dass es der Herr Surkont, der Direktor der Luftballon-Gesellschaft, war, der den Fesselballon auf den Ausstellungsplatz überführt hatte. Er gab Franz auch eine Visitenkarte als Freikarte für zwei Personen für eine Luftfahrt am folgenden Sonntag. Er und Lisa fanden sich auch auf dem Ballonplatz ein und ließen sich mit mehreren Personen 500 m hoch leiern. Sie hatten von oben einen herrlichen Blick über Leipzig, die Umgebung bis Merseburg und den Ausstellungsplatz auf dem König Albert Park. In der Abteilung „Alt-Leipzig“, wo die alten Gebäude aus dem XV. und XVI. Jahrhundert wieder errichtet worden waren, sowie das Thüringer Dörfchenmit dem Würstchen-Pavillon Nietzschmann Wommer, wo es die guten Halberstädter Würstchen gab, fanden sie sich anschließend mit den Bekannten ein.

Für seine Maschinen erhielt Pittler auch die Königlich-Sächsische Staatsmedaille als ersten Preis. Zum ersten Mal wurden hier sämtliche Maschinen mit elektrischen Einzelantrieb vorgeführt. In den früheren Jahren 1895 und 1896 fand das Vorführen der Pittler-Drehbänke und Revolverdrehbänke im Rundgang des Kristall-Palastes statt, aber ohne Motorantrieb. Der Kraftmesser oder Arbeitsmesser wurde in der Gohliser Fabrik schon seit 1895 bis 1899 dauernd praktisch ausprobiert, wobei Franz in diesen Jahren einen Apparat auf der Transmission der Werkbank kontrolliert hat und durch eine Exzenterstange mit einem Zählwerk verbunden war, das die Größe der Verstellung der beiden Riemenscheiben zueinander dauernd angab bei jeder Umdrehung der Transmission. Zum Frühstück, zu Mittag und abends nach dem Stillstand der Dampfmaschine hat er bis zum 30. Mai 1896 regelmäßig die Anzahl der verbrauchten Meterkilogramme notiert, sodass man genau feststellen konnte, wie in der Werkstatt gearbeitet worden war. Der Kraftverbrauch schwankte damals zwischen 33 und 40 PS, war aber immer montags früh am geringsten, trotzdem die Transmissionswelle 36 Stunden still gestanden hatte, woraus klar hervorging, dass montags vormittags nicht so sehr intensiv gearbeitet wurde wie an den anderen Arbeitstagen. Sie haben die Kraftmesser an Spinnereien geliefert, z.B. nach Meißen, um den Kräfteverbrauch der Spinnereimaschinen zu kontrollieren.

Da Wilhelm von Pittler ein sehr starker Raucher war, er ließ von frühmorgens bis spätabends die Zigarre nicht ausgehen, kam er 1897 auf den Gedanken, eine Maschine zur Massenherstellung von Zigarren zu bauen. Die Probevorrichtung bestand zuerst aus einem Stuhlkörper mit einem Trichter zum Einführen des gemahlenen Tabaks, der dann durch Stempel einer Exzenterpresse in eine kegelig ausgebohrte Hülse gedrückt wurde, sodass ein langer Tabakstrang entstand, der dann am Ende der langen Führungshülse auf Zigarettenlänge von 70 bis 90 mm abgeschnitten wurde durch 5 bis 7 schwache durchgehende Löcher, die als Zugkanäle für die Zigarre oder Zigarette dienten. Da Franz am Tage immer im technischen Büro zu tun hatte, konnte er mit Meister Martin und Hermann Grundmann nur nach Feierabend zusammen mit Herrn von Pittler das Herstellen der Probezigarren durchführen. Auch war die Exzenterpresse, die in der Schmiede der Fabrik stand, nur nach Schluss der Arbeitszeit zum Probieren frei. Wochenlang, wenn nicht monatelang haben sie bis 1 bzw. 2 Uhr nachts probiert, wobei auch sehr viel zur Probe geraucht wurde. Später wurde dann eine waagerecht arbeitende Doppelpresse gebaut (1899), wozu die Firma Hermann in Leipzig-Stötteritz den Guss lieferte. Auch eine kleinere Presse für Zigarren von 5 mm Durchmesser wurde gebaut durch Herrn Meister Martin und zusammen mit der großen Presse in einem gemieteten Raum in der Hallischen Straße in Leipzig-Gohlis zwischen Karl- und Lindenthaler Straße aufgestellt zum Herstellen von Zigarren wohl bis zum Jahre 1901. Später wurden die Maschinen nach Berlin transportiert, da die Zigarren, „Cigaroma“ genannt, durch die gegründete besondere Gesellschaft „Deutsche Press-Cigarren- und Zigaretten-Fabrik Pittler AG“, Leipzig-Gohlis nach Berlin in der Zimmerstraße einen Laden und Räume zur Fabrikation gemietet hatte, um größere Umsätze zu erzielen. Gelegentlich bei einer geschäftlichen Reise nach Berlin hat Franz auch das Geschäft besucht und eine Zigarettenschachtel gekauft.

Später war er für Pittler, als die Firma bereits in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, oft in Berlin, so z.B. in der Filiale der Firma sowie im Patentamt wenn es um Patentstreitigkeiten ging.

Pittlers hydraulischer Kraftwagen

Seit 1892 versuchte Pittler ein Flüssigkeitsgetriebe für den Antrieb von Automobilen zu konstruieren, um den Wagen statt durch mechanischen Antrieb, durch Öl, also hydraulisch anzutreiben. Auch hierzu hat Franz die Patentzeichnungen angefertigt. Er hatte sich in Paris einen kleineren Motorwagen, damals „Voitmette“ genannt, mit einem Einzylinder-Daimlermotor von der Firma Dion-Bunton gekauft, den er für seine Zwecke vollständig umbaute. Bis zum Jahre 1897 versuchte er verschiedene Ausgleichsgetriebe für die Hinterachse, sowie die Anwendung seiner Turbinen als Wechsel- und Ausgleichsgetriebe, die von der Betriebsmaschine aus mittels Druckpumpe und Öl angetrieben wurden. Bei den Versuchen platzte ihm auch einmal ein Rohr in der Blücherstraße, aber er versuchte es trotzdem immer weiter zum Ärger der Herren Direktoren in der Fabrik. Endlich baute er das Kapselwerk, womit er später in Berlin große Erfolge erzielte.

Gegen 1897 übernahm ein Herr Schubert die Leitung des technischen Büros, um die Pittler-Revolverdrehbank weiter zu vervollkommnen, also statt mit Füßen mit Untergestell und Kasten durchzuführen. Er wollte auch eine von der Augsburger Zahnwerk-Fräsmaschine besonders bestellte Schraubenräder-Fräsmaschine für Zahnräder bis 1000 mm Durchmesser bauen, die für Rechts- und Linkssteigung geeignet und eine genaue Teilung der Zähne bis Modul 7 ausführen sollte. Franz übernahm eine neue Abteilung für die Herstellung und den Entwurf der Werkzeuge für die Revolverdrehbank. Ganz allein ohne Beihilfe entwarf er dann bis Ende des Jahres 1899 die erforderlichen Werkzeuge zum Bearbeiten der von den Bestellern eingesandten Arbeitsstücke aus Stahl und Metall, die auf den Revolverdrehbänken in kürzester Zeit hergestellt werden sollten. Aus der vollen Stange wie auch im Spannfutter. Die Skizzen der einzelnen Werkzeuge hat er einfach auf die Rückseite der Arbeitskarten skizziert, sodass bis dahin ein besonderes Büro für Werkzeuge mit mehreren Werkzeugingenieuren nicht notwendig war.

Es war im Jahre 1897 als Pittler seine erste Frau Marta durch den Tod verlor, die immer mit ihm Freud und Leid geteilt und es verstanden hatte, seine Erfindermanien zu respektieren. Sie war doch schon seit Ende 1896 krankhaft veranlagt, was ihr aber gefehlt hat, wurde ihm nicht klar, obwohl er abends öfters bei Pittlers in der Villa war, um seine neuen Patentsachen zu besprechen. Nach dem Tod seiner Frau Marta blieb er nicht all zulange allein.

Als Franz eines Sonntags eingeladen war, hatte er schon beobachtet, dass er zusammen war mit seiner Tochter Meta und mit deren Freundin Käthe Ludwig, die mit Meta gleichzeitig zur Schule gegangen war, also im gleichen Alter stand wie die Tochter. Und so kam es, dass er mit den Eltern von Fräulein Ludwig darin einig wurde, ihre Tochter Käthe trotz des großen Altersunterschiedes zur Frau zu nehmen. Die Hochzeit erfolgte im Jahr 1898 in einer Zeit, wo es Pittler wirtschaftlich nicht gerade gut ging, denn er fand nicht mehr die volle Unterstützung der Geldinstitute und war scheinbar schon in Schulden geraten. Und von der Familie Ludwig war nicht viel zu erwarten. Außerdem waren seine Töchter mit der Wahl ihres Vaters nicht einverstanden und zogen sich von zu Hause zurück. Meta und Dora fanden auswärts Stellung: Meta als Hausdame bei einem Professor in Kiel, Dora in Beremend in Ungarn als Kindergärtnerin. Frieda und Herta heirateten bald darauf, und so stand Pittler zu Hause mit seiner zweiten Frau allein. Auch Richard Voigtländer war mit der zweiten Frau von Pittler nicht einverstanden und zog sich von der Villa zurück.

Wahrener Fabrik (2)

Trotzdem bereits im Jahre 1897 und 1898 Erweiterungen der Fabrik vorgenommen und der Hof als Arbeitsraum überdacht worden war, zeigte es sich aber bald, dass die Erweiterungen nicht genügten. Und so wurde vom Aufsichtsrat der Leipziger Werkzeugmaschinenfabrik beschlossen, in Wahren bei Leipzig ein Grundstück zu erwerben und dort eine neue Fabrik zu errichten, in der die Metallbearbeitungsmaschinen, die Revolverdrehbänke und die Arbeitsmesser in mehreren Modellen hergestellt werden sollten. Als Betriebsleiter wurde Herr Emil Huhn aus Berlin engagiert, der bisher bei der Firma Ludwig Loewe in Berlin als Direktor der Werkzeugmaschinen-Abteilung tätig war und mit den neuen amerikanischen Methoden der Massenfabrikation auch der neuen Fassungen für auswechselbare Teile im Maschinenbau vertraut war.

Herr Huhn leitete in Wahren den Bau für die technischen Einrichtungen, wie Maschinenanlagen, Transmissionsanlagen, Werkstatteinrichtungen usw., während Herr Schubert sämtliche Zeichnungen dem neuen System entsprechend ändern ließ, sodass die Angaben der Werkstattzeichnungen, die sich auf Bohrungen und Gewindedurchmesser bezogen, nach den neuen Normativen des metrischen Systems entsprechend umgeändert wurden.

In der Fabrik, wo Franz nun zuerst mit der Ausarbeitung der Offerten für die Kundschaft beschäftigt war, hatte er gleichzeitig die Überwachung der Werkzeugabteilung unter sich, damit die Ausarbeitung nach seinen Offerten richtig durchgeführt wurde. In diesem Jahr 1900 wurde in der kaufmännischen Abteilung erst die Schreibmaschine eingeführt, wodurch das Kopieren der Offerte usw. nach und nach fortfiel. Seine Offerte hat er aber noch lange mit der Hand vorgeschrieben, da das Diktieren nicht so einfach war wegen der Preise, die durch den Prokuristen eingesetzt werden mussten.

Herr Huhn führte im Jahre 1901 noch die Fabrikation von Form-Automaten ein, die wie die Loewischen Maschinen nach amerikanischen System das Fabrikationsprogramm vervollständigen sollte. Die Maschine F Modell A I diente zum Herstellen von Bolzen und Schrauben sowie Formstücken von der Messing- oder Eisenstange bis 11 mm Durchmesser. Außer Modell A I wurde später auch noch das Modell A II für Stangen bis 22 mm und A III für Stangen bis 33 mm hergestellt.

Der alte Meister Herr Martin, der bisher Pittler und der Firma treu gedient hatte, erhielt eine Stelle im technischen Büro und arbeitete nebenbei noch für Herrn von Pittler, der sich nun um die Weiterentwicklung der Revolverkonstruktion weniger kümmerte und sich hauptsächlich mit der Weiterentwicklung eines hydraulischen Motorwagens und der Umänderung eines von ihm bereits in Gohlis gebauten Stahlkugelwalzwerkes beschäftigte.

Da die Firma Pittler auf der Pariser Ausstellung (Weltausstellung) im Jahre 1900 eine neue größere Pittler-Revolverdrehbank ausstellte, beschloss Franz diese große Ausstellung zu besuchen. Mit der Konstruktion der Drehbank hatte er nicht viel zu tun, die Maschine wurde unter der Leitung von Herrn von Pittler und Betriebsleiter Huhn von Ingenieur Wagner konstruiert. Mit einem Revolverkopfdurchmesser von 700 mm und 16 Werkzeuglöchern von abwechselnd 60 und 30 mm Durchmesser war es eine der größten ausgestellten Revolverdrehbänke.

Nach dem Abgang von Herrn Huhn und den anderen Berliner Herren übernahm nun zuerst Herr Albert Wagner, der Konstrukteur der Revolverdrehbank für die Weltausstellung, die Leitung des Betriebes, bis er sich selbstständig machte und in Berlin eine eigene Fabrik für Drehbänke eröffnete, dann übernahm Herr Barthelmeß die Leitung der Werkstatt, der aber, wie schon erwähnt, für sich arbeiten ließ, vom Direktor Herrn Voigtländer dabei ertappt und plötzlich entlassen wurde. Zuletzt war Herr Felix Klette so lange Betriebsleiter bis Herr Hans Syroth im Jahre 1904 als technischer Betriebsleiter vom Aufsichtsrat eingestellt wurde. Wenn Franz auch im Großen und Ganzen verhältnismäßig gut mit ihm ausgekommen ist, so schien es ihm doch, als hätte er eine Antipathie gegen ihn. Er war streng katholisch, denn er war aus Nürnberg gebürtig, und warf Franz einmal vor, dass es nicht richtig gewesen wäre, seine Kinder evangelisch erziehen zu lassen, trotzdem seine Frau evangelisch wäre. Zu Hause hätte er zu bestimmen und nicht die Frau usw. Dabei war er sehr zu bedauern, denn er war magenkrank und trank fortwährend Milch in Verbindung mit einer Medizin. Er hat doch viel dazu beigetragen, dass der Ruf der Pittler-Maschinen immer mehr gefestigt wurde.

Während des schlechten Geschäftsganges von 1901 bis 1903 wurden die Gehälter sogar gekürzt und dafür nur bis 4 Uhr nachmittags gearbeitet. Die ausgefallenen Gehälter konnte aber durch die Aufnahme der automatischen Drehbänke, die auf Veranlassung des Herrn Voigthändler gebaut worden waren und bald gut abgesetzt werden konnten, gegen Ende des Jahres 1903 wieder ausgezahlt werden. Bereits im Jahre 1904 konnte wieder eine bescheidene Dividente ausgeschüttet werden. Dazu hat aber Herr Syroth nicht sehr viel beigetragen, denn es lag mehr an der Voraussicht des Herrn Voigtländer, der den Bau der Automaten nach amerikanischen Systemen vorgeschlagen hatte und die die alten Angestellten programmmäßig durchgeführt hatten.

Während wegen des Nachbaus der automatischen Revolverdrehbänke weder von der Cleveland Company noch von der Potter und Johnston-Gesellschaft Einspruch erhoben worden war, wurden die Firma von der National-Aeme-Company wegen Verletzung ihrer deutschen Patente verklagt, sodass Franz danach im Jahre 1905 viel Arbeit bekam, um die Einsprüche zu widerlegen. Er war auch mehrere Male gezwungen, zu den Terminen beim Patentamt in Berlin zu erscheinen zu den mündlichen Verhandlungen, bei denen außer dem Patentanwalt Wiegand auch ein Herr Trobeck, der die National-Aeme-Company bei der Firma Schuchardt und Schütte vertrat, anwesend war. Da jedoch nachgewiesen wurde, dass die National-Aeme-Company die Vierspindelautomaten in Deutschland selbst nicht aufgeführt hatte, sondern dieselben nur durch der Firma Schuchardt und Schütte vertrieben hatte und sie nachweisen konnten, dass die Konstruktion zur Zeit der Anmeldung nicht neu war, wurde die Nichtigkeit des Aeme-Patentes ausgesprochen. Sie hatten also gesiegt und konnten nun die wichtige mehrspindelige Maschine für die Fahrradfabrikation weiter bauen, wodurch der Geschäftsgang der Firma sehr gefördert wurde, denn gerade die Vierspindel-Automaten wurden damals für die Massenfabrikation in der Fahrrad- und Nähmaschinenindustrie viel verlangt.

Leider war Pittler schon seit 1904 in Berlin, sodass es für Franz schwierig war, von seinem alten Chef ein Zeugnis zu erhalten. Er hat dann auch darauf verzichtet und ist auch ohne dieses weiter gekommen. Bevor er aber fortging, um in Höchst eine Stellung als Betriebsingenieur anzunehmen, ließen die technischen Angestellten sowie auch die kaufmännischen Angestellten der Firma während der Mittagpause je eine größere Aufnahme durch einen besonderen Photographen anfertigen, die Franz aber auch bei dem Luftangriff am 27. Februar 1945 verloren gegangen sind. Außer den Herren der Direktion waren sämtliche Angestellten, die mit ihm zu tun gehabt hatten, und das waren sie wohl bald alle von den Meistern und Bürovorstehern bis zu den Laufburschen, auf den Bildern vertreten. Im Gasthof zu Lützschena hat er dann ein Fässchen Bier bestellt und hat alle seine Mitarbeiter außer der Direktion zu einer kleinen Abschiedsfeier eingeladen. Der Abend in Lützschena ist dann auch ganz gut verlaufen beim Leeren des Fässchens und er hat noch lange an den Abschiedsabend gedacht.

Inzwischen hatte Herr von Pittler, nachdem er in Berlin mit seinem hydraulischen Antrieb für Automobile gute Erfolge gehabt hatte und seine hydraulischen Antriebe auch auf dem Hauptbahnhof in Hamburg anwenden konnte, Berlin verlassen, um sein Glück in England, in London, zu versuchen, wo er die Gesellschaft „The International Rotary Machine Company“ gegründet hatte. London war der geeignete Platz für die Verwertung der Pittler-Patente, die in Österreich, Ungarn, Dänemark, Schweden, Norwegen und der Schweiz, die in Deutschland der Fabrikant Richard Klinger übernommen hatte. Da Pittler auch in London die Cigaroma Zigarre herstellen wollte, wurde ihm die kleine Zigarrenpresse nachgesandt; dieselbe traf aber zu spät in seinem Londoner Hause ein, denn infolge seines Magenleidens brach Pittler im Beisein seines Sohnes Bruno am 22. September 1910 beim Steigen der Treppe zu seiner Wohnung zusammen und starb noch am gleichen Tage unter stärksten inneren Schmerzen.

Herr von Pittler starb, ohne ein Vermögen hinterlassen zu haben. Englische Ingenieure, die Pittler hoch schätzten als Erfinder und ihn den deutschen Edison genannt hatten, haben die Überführung seiner Leiche nach Deutschland bewerkstelligen lassen. Er liegt auf dem Friedhof in Leipzig-Gohlis neben seiner ersten Frau Martha begraben. „Deutschland kann stolz darauf sein, einen solchen Erfinder wie Wilhelm von Pittler zu seinen Söhnen zu zählen“ war der Ausspruch des bekannten Erfinders Ibraim Maxin, als dieser tief ergriffen kurz vor der Überführung nach Deutschland von seinem Freunde Abschied nahm.

Ein Nachtrag: Unlängst erreichte mich eine E-Mail

Feuerzeug, 1910 zum Patent angemeldet
Feuerzeug, September 1910 in London zum Patent angemeldet

aus Österreich, in der mir eine weitere Erfindung, ein Feuerzeug, zugesendet wurde. Das Patent wurde 1910 in London von Bruno von Pittler angemeldet. Da Bruno, soweit das verifizierbar ist, mit Erfindungen nicht weiter in Erscheinung getreten ist, scheint es so, dass Wilhelm von Pittler an der Erfindung des Feuerzeugs gearbeitet hat, jedoch, bevor er es zum Patent anmelden konnte, gestorben ist. Sein Sohn hat sie dann wohl zu Ende gebracht.

Patent Feuerzeug0001
Patent Feuerzeug0002
Patent Feuerzeug0003

Anmerkung: Den Werdegang wie auch die Abbildungen Pittlers habe ich der Schrift meines Großvaters J. F. van Himbergen: “Die Pittler-Werkzeugmaschinenfabrik Aktiengesellschaft, Leipzig, Entstehung und Entwicklung “, VDI-Verlag, Berlin 1937 sowie der Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen der Pittler Werkzeugmaschinenfabrik Aktiengesellschaft Leipzig-Wahren “50 Jahre Austauschbau” entnommen.