– Maria und Franz • eine Zeitreise

Es war wohl im Monat April 1918 als Franz von Dora von Pittler, verheiratete Frau Best, eine Einladung nach Bad Kösen erhielt, wo sie eine Wohnung gemietet hatte, die sie als Sommerpension für Kurgäste eingerichtet hatte. Herr Best, ihr Mann, war in Teupitz im Jahre 1917 gestorben, und nun stand auch sie allein mit der Tochter Vera, die sie von ihrem Mann übernommen hatte. Auch Lotte und Herbert hatte sie eingeladen. Wie sich dann herausstellte, hatte Dora ein Fräulein Maria Sewald, Kinderfräulein bei Herrn Mutterstock in Leipzig, mit 2 Kindern dieser Familie bei sich wohnen und hatte die Absicht, ihm eine Frau zu verschaffen, was ihr auch gelungen ist. Fräulein Sewald war an dem Sonntag da ohne die Kinder und sie wurden miteinander bekannt gemacht. Es war eine Bayerin aus Wolfratshausen bei München. Nun ging die Sache nicht so schnell, denn die Kinder sollten auch mit der neuen Mutter einverstanden sein. Franz versprach am nächsten Sonntag wieder zu kommen, um die Angelegenheit weiter zu besprechen, und da wurden sie auch einig.

Am Sonntag darauf fuhr er nach Leipzig und holte sie zum Ausgehen in der Montbéstraße ab. Es ging mit der Straßenbahn nach Gundorf und von dort zu Fuß nach der Domschänke im Schkeuditzer Holz, wo sie sich bei Kaffee und Kuchen weiter besprochen haben. In die Stadt zurückgekommen, ging es in die Technische Vereinigung, die an dem Sonntag bei Schießer in der Kramerstraße eine Zusammenkunft mit Damen hatte. Da konnte er zur Bewunderung aller seine neue Braut gleich vorstellen. Am nächsten Sonntag führte er sie auch zu der Waldschänke hinter Connewitz. Da sprach sie auf dem Rückweg durch den Wald Bedenken gegen ihre neue Verbindung aus, da anscheinend ihre Herrschaft dagegen gesprochen hatte.

Sie kamen jedoch zu dem Entschluss, nach Dachau und Wolfratshausen zu fahren, um ihn ihren nächsten Verwandten vorzustellen. Und so fuhren sie 14 Tage später mit dem D-Zug über Hof und Regensburg nach München, wo sie früh morgens ankamen. Nachdem sie sich am Hauptbahnhof in den Waschräumen gesäubert hatten, ging es mit dem nächsten Zug nach Dachau, wo Onkel und Tante Hof wohnten und dort einen Lebensmittelladen hatten. Onkel und Tante freuten sich sehr über ihren Besuch und hatten scheinbar nichts gegen die Verbindung einzuwenden. Dachau ist eine kleine Stadt, an der Amper gelegen, von ca. 8000 Einwohnern, ganz idyllisch gelegen in der weiteren Ebene mit Ausrichtung auf die ferneren Alpenketten südlich von München. Franz bekam gleich ein kleines nettes Zimmer, das wohl der Schwester Anna gehörte, wo er gleich für ein paar Tage seine Sachen in Ordnung brachte. Dachau hat er gut besichtigt, die kleine Stadt wie den schönen Park mit den alten Alleen mit sehr großen alten Bäumen. Mit dem Onkel besuchte er auch den Gasthof mit dem guten und billigen bayerischen Bier der Brauerei.

Von Dachau aus besuchten sie auch einmal das Theater am Gärtnerplatz in München, nachdem sie auch ihren Vetter Steidl kennengelernt hatten, der in der Theresienstraße wohnte und in München als Polizist angestellt war. Die Verhältnisse in Dachau waren wegen der Lebensmittelzuteilung nicht schlecht. Lebensmittelkarten haben sie wohl nicht abgegeben.

Nach 3 Tagen ging es zurück nach München, wo nach einer kurzen Besichtigung der Stadt und des Englischen Gartens die Weiterfahrt nach Wolfratshausen vom Thalkirchener Bahnhof mit der Isartalbahn angetreten wurde, wo sie auch mittags glücklich ankamen und auch hier von der Familie März gut begrüßt wurden. Wolfratshausen ist ein schönes Dorf in Oberbayern mit ca. 2100 Einwohnern, an der Loisach gelegen, ringsum von waldigen Bergen umgeben. Von Onkel und Tante März sowie von den 3 Töchtern, die wie Maria auch um die 30 Jahre alt waren, wurde Franz auch hier freudig aufgenommen, nur dem Sohn Josef schien die Sache nicht zu gefallen, da er sich früher um den Besitz der Maria beworben und nichts erreicht hatte. Auch bei der Stiefmutter wurde er vorgestellt sowie bei den Tanten und Verwandten in Berg, bei Leoni am Starnberger See und bei den Schwestern Suse und Rosa. Die Stiefmutter Frau Seewald unterhielt mit Suse ein Geschäft von Kunstgegenständen und scheinbar standen sie sehr gut da. Nachdem er Wolfratshausen, eine schöne mit breiten Straßen versehene Stadt, besichtigt und den schnell vorbeiströmenden Loisach bewundert hatte sowie die schöne Umgebung, besuchte er mit Maria deren Verwandte in der Nähe des Starnberger Sees. Es ging also zuerst die steilen Berge westlich von Wolfratshausen hinauf auf Zickzackwegen, bis sie die Höhe erreicht hatten, um dann durch Wald und Wiese den Ort Berg am Starnberger See zu erreichen, wo bekanntlich der bayerische König Ludwig II. mit seinem Arzt den Tod in den Wellen des Sees fand. Dann besuchten sie den Ort Starnberg, um hier die Eisenbahn nach Feldafing zu benutzen, wo eine Tante der Maria wohnte, die sie zum Kaffee ganz gut empfing. Dann ging es mit der Bahn nach Starnberg und von hier mit dem Dampfer über den See nach Berg zurück und dann zu Fuß nach Allratshausen, wo eine andere ältere Tante besucht wurde, die sie ebenfalls sehr freundlich empfing.

Soviel Franz aber feststellen konnte, wunderten sich alle Verwandten etwas, dass sich Maria einen etwas kleineren Mann ausgesucht hatte, denn sie war 2 bis 3 Finger größer als er und außerdem bedeutend stärker in der Figur. Von hier ging es dann die Straße entlang nach Osten in Richtung Wolfratshausen, wo sie erst ankamen, nachdem es schon finster geworden war, sodass sie im Wald den Fußweg durch den Zickzackweg schwer finden konnten und viel Mühe hatten, ins Tal der Loisach und nach Wolfratshausen zurück zu gelangen. In Wolfratshausen hatte Maria noch einen Vetter, den Josef März, der sie auch gerne geheiratet hätte. Aber die Familien waren gegen eine Heirat, weil sie verwandt waren. Auch erfuhr Franz, dass sie einen Freund hatte, der aber in französische Gefangenschaft geraten war und sich in Chateauroux befand und außerdem evangelisch war. Deshalb war eine Verbindung nicht erwünscht. Ob er aus Frankreich zurückgekommen ist, ist nicht bekannt. Und richtig verlobt war sie wohl nicht, es war nur eine Liebschaft gewesen.

Nach 8 Tagen fuhren sie dann nach München zurück und besuchten dort noch einen Vetter, der in München Polizist war und ihnen den Löwenbräukeller und die Bavaria mit der Ruhmeshalle an der Theresienwiese zeigte. Auch der Maltheserbräu und das Hofbräuhaus wurden bei einem späteren Ausgang besucht. Von Dachau aus ging es dann zurück über Ingolstadt und Nürnberg, Saalfeld, Naumburg. In Weißenfels stieg Franz in den Zug nach Halle um und erreicht zur Freude seiner Kinder noch am gleichen Tag Merseburg, während Maria wohlbehalten Leipzig erreichte, um vorläufig ihre Betätigung bei der Familie Materstock in der Montbestraße fortzusetzen.

Einige Wochen darauf fuhr Maria allein nach Wolfratshausen zurück, nachdem sie ihre Stellung bei Mutterstock aufgegeben hatte, um bei ihrer Tante ihre Brautwäsche usw. in Ordnung zu bringen und Franz sollte inzwischen beim Tischlermeister in der Sixtistraße in Merseburg nachsehen, dass dieser die von Maria bestellten Schlafzimmermöbel bis zum Tag ihrer Rückkehr wie versprochen fertigstellte. Leider musste Franz hier erfahren, dass er ein Bettgestell mit Matratze usw. anderweitig schon verkauft hatte, worüber sich Maria sehr aufregte, nachdem er ihr die Nachricht per Post mitgeteilt hatte. Aber sie beruhigte sich, nachdem er ihr mitteilen konnte, dass das anderweitig vergebene Bettgestell schon wieder ersetzt wurde und zurzeit mit den anderen Möbeln wie Waschtisch, Kleiderschrank, Nachttischchen und Stühle noch geliefert werden würde. Die Sachen wurden dann auch tatsächlich zur richtigen Zeit in der Weißenfelser Straße bei Lotte abgeliefert und aufgestellt. Nachdem Maria in Wolfratshausen alles vorbereitet hatte, kam sie nach Leipzig noch einmal zurück und es folgte dann im Monat September 1918 die bürgerliche Trauung auf dem Standesamt in Leipzig und die kirchliche Trauung in der katholischen Kirche zu Wolfratshausen durch denselben Pastor, der sie früher konfirmiert bzw. ihr die erste Kommunion gegeben hatte.

Nach der bürgerlichen Trauung in Leipzig mussten sie ein paar Tage später wieder nach Wolfratshausen fahren, um sich vorher beim Pastor der katholischen Kirche prüfen zu lassen und die guten Lehren entgegen zu nehmen, die er ihnen wegen der Pflichten gegeneinander in seiner Wohnung gab. Nach der katholischen Beichte und Einnahme der Kommunion wurden sie am 20. September 1918 bei stürmischem Regen getraut. Es war wirklich ein sehr schlechtes Wetter, als sie von der Märzer Wohnung zur Kirche fuhren in der offenen Kutsche, also nichts Gutes voraussagend bei überglücklichen Menschen.

Nach dem kirchlichen Akt ging es dann mit den Trauzeugen aus der Familie März und den Schwestern in das große Restaurant des Ortes zum Mittagessen, es gab Suppe, Braten, Kartoffeln und Gemüse bei einigen Flaschen Wein und darauffolgenden Kaffee und Kuchen und Gebäck, um dann gegen Abend nach München zu fahren, wo für sie schon ein Zimmer bestellt worden war in einem Gasthaus, das von der Verwandtschaft empfohlen worden war, und verbrachten dort die erste Nacht. Die Hochzeitsnacht war kaum vorbei, da waren auch die Schwestern Suse und Rosa schon da, um sie zu besuchen. Es kam ganz unverhofft, sie wollten sich erkundigen, wie es Maria ergangen wäre, sie hatten also schon eine Ahnung, dass bei ihr nicht alles in Ordnung war, wie Franz dann später leider auch feststellen musste. Scheinbar hatte Maria ihnen ihre Angst vor der ersten Nacht schon mittgeteilt, was mit ihrem krankhaften Zustand zusammenhing. Sie konnten sie aber beruhigen, dass alles gut verlaufen war und es Maria nicht geschadet hätte.

Am gleichen Tage sind sie dann über Augsburg, Nürnberg, Saalfeld, Jena in Merseburg angekommen, wo sie nachmittags bei geschmücktem Eingang von Lotte und der Hauswirtin freudig empfangen wurden. Der Eingang war mit Girlanden und einem „Herzlichst Willkommen“ geschmückt worden. Die neuen Möbel für die Schlafstube waren vom Tischler pünktlich geliefert worden, sodass sie alles in Ordnung fanden und Maria ebenfalls zufrieden war.

Maria mit Alice
Maria mit Alice

Leider musste Franz bald feststellen, dass Maria sehr empfindlich war in der Nervosität. Sie hatte auch die Absicht sich operieren zu lassen, legte immer einmal die Karten und warf sie ärgerlich zurück, sicher weil sie nicht gut aussagten. Wie Franz dazu kam es zuzulassen, dass Alice den evangelischen Unterricht in der Schule aufgeben konnte, um dem katholischen Unterricht in der katholischen Kirche zu folgen, war ihm später nicht mehr klar. Jedenfalls besuchte Alice mit Maria die katholische Kirche und Alice ging öfters in den Religionsunterricht.

Ob Herbert in dieser Zeit oder etwas früher das Gymnasium verlassen hat, da der Lehrer davon abriet, die Schule noch weiter zu besuchen, weil durch den Krieg für die Gymnasiasten keine Aussicht mehr vorhanden war, im Leben weiter zu kommen, daran kann er sich ebenfalls nicht mehr erinnern. Jedenfalls hatte er, ohne etwas davon zu sagen, um eine Stelle nachgesucht, die er auch in Düsseldorf bei der Firma De Fries erhalten hat, sodass der Vater nicht mehr anders konnte, als seine Zustimmung zu geben. Er hat in der Firma eine Stellung als Zeichner angetreten. Er hat es dort auch später soweit gebracht, dass er als Konstrukteur der Vertikal-Drehbänke angestellt wurde. Es kann auch etwas später als 1918 gewesen sein, als er Merseburg verlassen hat. Jedenfalls sollte er in Düsseldorf eingezogen werden durch die holländische Regierung und um das zu vermeiden, ließ er sich in Düsseldorf als Deutscher naturalisieren, wozu Franz seine Zustimmung auch gegeben hat.

Durch die Heirat wurde Maria dagegen Holländerin und sie waren 2 oder 3mal in Magdeburg, um einen Reisepass für sie zu erhalten. Da Merseburg zu dem holländischen Konsulat in Magdeburg gehörte, mussten sie öfters nach Magdeburg fahren, um die Angelegenheit zu erledigen. Da erfuhr Franz mit Schrecken auf der Eisenbahnfahrt von Magdeburg zurück nach Merseburg, wie schlecht der Soldatengeist an der Front war. Besonders die auf Urlaub zurückkehrenden Landsturmmänner genierten sich nicht mehr, im Zug öffentlich auf den Krieg zu schimpfen und das Ende des Krieges im Einverständnis mit den feindlichen Soldaten vorauszusagen. Es wurde auf die Führung tüchtig geschimpft, sodass er die deutsche Niederlage damals schon voraussah.

Im Anschluss an eine Dienstreise nach Pilsen stellte sich heraus, dass Franz sich wirklich erkältet hatte, denn er konnte nicht stehen bleiben ohne Schmerzen in den Rippen zu fühlen, sodass es ihm unmöglich war, ins Geschäft zu gehen, um Bericht über seine Reise zu erstatten. Er hatte eine regelrechte Rippenfellentzündung bekommen und war gezwungen das Bett zu hüten und sehr warme Umschläge zu ertragen. Maria und Lotte hatten ihn wohl inzwischen im Geschäft entschuldigt, worüber Herr Blancke weniger erfreut war, denn er ließ fragen, ob es denn doch nicht möglich wäre, dass er einmal herüber kommen konnte, aber es war wirklich nicht möglich. Jeder Schritt gab ihm in den Hüften einen unausstehlichen stechenden Schmerz.

Sein Schwager Bernhard Müller, der Bruder von Elsa, der seit dem 14. April 1918 bei Blancke als Kontrolleur der Zündkörper durch Franz eingestellt worden war und bei ihnen in der Weißenfelder Straße das vordere dunkle Zimmer bewohnte, musste nun ausziehen und hat wohl bei bekannten Leuten weiter gewohnt, während er bei ihnen weiter zu Mittag und Abendbrot gegessen hat. Auch jetzt, wo Maria die Leitung des Hauses übernahm, hat er weiter bei ihnen gegessen und fuhr wie bisher nur sonnabends nachmittags nach Engelsdorf zu seiner Familie, wonach er am Montag aus seinem Laden immer etwas zusätzlich mitbrachte.

Jedenfalls hatte Maria dem Pastor versprochen gehabt, Alice katholisch erziehen zu wollen. Denn ohne dass Franz etwas davon erfuhr, hatte sie Alice aus dem evangelischen Religionsunterricht zurückgezogen und sie in der katholischen Kirche bei Pfarrer zum katholischen Unterricht angemeldet; ziemlich 8 Monate genoss Alice den katholischen Religionsunterricht, wonach sie wieder im Lyzeum den evangelischen Religionsunterricht beiwohnen konnte. Im Restaurant zum Herzog Christian besuchte er mit Maria mehrmals die Sitzung des Kaplans bei einem Glas Bier, wobei allerdings weniger über Religion gesprochen wurde. Sonst ist er nicht mit den Pastoren der katholischen Kirche zusammengekommen und hat auch nicht mit Maria die Kirche besucht, obwohl sie öfters als Katholikin hinging mit Alice.

An einem Vormittag der nächsten Tage kam Maria ganz aufgeregt ins Schlafzimmer gestürzt und teilte Franz mit, dass auf der Straße am Irrgarten eine Revolte ausgebrochen sei und dass geschossen worden war. Es dürfte sich niemand auf der Straße sehen lassen. Wie sich herausstellte war die Revolution ausgebrochen, Kaiser Wilhelm II hatte abgedankt und die Republik war im Deutschen Reich ausgerufen worden. Es war wohl am 9. November 1918, die Soldatenräte aus Kiel waren schon bis Merseburg vorgedrungen mit ihren Autos und proklamierten die Republik, wobei Franz noch im Bett lag.

Nach ein paar Tagen ging es ihm schon wieder besser. Trotzdem musste er noch zu Hause bleiben, weil im Geschäft die Arbeiter mit der Geschäftsführung noch nicht einig waren. Die Arbeiter hatten eigenmächtig, ohne die Betriebsingenieure oder die Meister zu fragen, die Motoren an und auf dem Hofe Versammlungen abgehalten und zur Niederlegung der Arbeit aufgefordert und es war dagegen nichts zu machen gewesen. Es hatten sich in ganz Deutschland nach russischem Muster Arbeiter- und Soldatenräte gebildet, die die Verwaltung an sich nahmen, denn am 9. November hatte ein Aufruf des Arbeiterrates in München den Generalstreik angeordnet. In Berlin wurde die Republik ausgerufen, sämtliche deutsche Fürsten wurden abgesetzt und der Kaiser begab sich nach Holland. Überall wichen die Militär- und Zivilbehörden durch den Umsturz, der sich so zunächst ohne Blutvergießen vollzog. Als Franz nach kurzer Zeit wieder zur Firma ging, da sich der Sturm etwas gelegt hatte, wurde ihm der neue technische Betriebsleiter Herr Ingenieur Bruns vorgestellt, der die Angelegenheiten mit den Arbeitern in Ordnung bringen sollte.

Maria hatte sich dagegen Merseburg gut eingefunden, denn auf Einladung des Herrn Schell trafen sie sich allwöchentlich einmal im Café Schmitt bei einer Tasse Kaffee und eventuell Kuchen. Nach ihrer Rückkehr von Wolfratshausen war er auch an einem Sonntag zur Vorstellung bei Frau Blancke, der Mutter von Herrn Blancke, die sich sehr freute seine Frau, die sie noch sehr jung fand, kennen zu lernen. Ebenso waren sie bei Herrn und Frau Schell und Herrn und Frau Franz. Auch in den katholischen Jugendverein ging Maria gern, der im Restaurant Herzog Christian öfters tagte, wo er gezwungener Maßen auch mit hin ging, da Alice auch durch ihre Teilnahme am katholischen Unterricht dazu gehörte. Leider war Maria durch ein Gewächs, das sie im Unterleib hatte, sehr empfindlich, sodass Franz in Streitfällen vorsichtig mit ihr umgehen musste. Lotte ist aber scheinbar trotzdem gut mit Maria ausgekommen. Sie haben beide zusammen die Wirtschaft besorgt.

Maria kannte ihre Fehler und hatte darum gebeten, sie gehen zu lassen, wenn sie einmal grantig sein sollte. Sie hatte auch die Absicht sich im Krankenhaus operieren zu lassen. Sie schob aber das Vorhaben immer wieder hinaus, weil sie in den Karten lesen konnte, dass die Operation schlecht ausgehen würde. Franz entnahm es wenigstens daraus, weil sie nach jedem Kartenlegen die Karten missmutig zur Seite warf. Endlich entschloss sie sich doch ins Krankenhaus zu gehen und die Operation vornehmen zu lassen, um wieder gesund zu werden. Sie ließ sich also von seiner Tochter Lotte ins Krankenhaus bringen, wo die Operation auch vorgenommen wurde. Die erste Operation ist auch verhältnismäßig gut verlaufen und sie war bei seinem ersten Besuch freudig erregt. Am nächsten Tag litt sie aber schon an großen Schmerzen, sodass der Arzt Franz mitteilte, dass eine zweite Operation wohl nötig sei und er um sein Einverständnis bitten müsste. Da die Schmerzen immer schlimmer wurden und, wie er sah, kaum auszuhalten waren, musste er sich mit einer zweiten Operation einverstanden erklären, die dann auch bald vorgenommen wurde. Dieselbe führte aber zum Tode, weil das Herz zu schwach geworden war und der Blutverlust zu groß. Sie starb am 20. Mai 1919, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben.

Die Hauptschuld trugen aber die Doktoren, die nach Aussagen einer Krankenschwester vergessen haben sollen, eine Schere oder ein ähnliches Instrument aus dem Körper heraus zu nehmen, wodurch die großen Schmerzen nach der ersten Operation zu erklären gewesen wären. Ob es wahr ist, wusste Franz nicht genau, aber unmöglich wäre es nicht bei dem Mangel an tüchtigen und zuverlässigen Ärzten nach vier Jahren Krieg. Da die Verwandten der Maria in Bayern waren, musste er mit Lotte ganz allein hinter dem Sarge gehen bei der Überführung der Leiche zur Kapelle des Stadtfriedhofes.

Die Beerdigung fand dann drei Tage später statt im Beisein seiner Verwandten aus Leipzig und ihrer Schwestern aus Wolfratshausen, die noch zurzeit angekommen waren. Diese waren aber nicht aus Liebe zu der Maria gekommen, sondern um möglichst viel zu erben, wie sich nach der Beerdigung herausstellte. Besonders die Suse bestand darauf, das beste und schönste Kleid der Maria aus braunem Moiré zu bekommen, was Franz ihr aber verweigerte. Vier bis fünf andere Kleider sowie allerhand Wäsche gab er ihnen mit, ohne sie zufrieden zu stellen, sodass sie ganz unzufrieden auseinandergingen und sie am gleichen Tag noch zurückfuhren nach Bayern. Dass sie so weit gehen würden, ihn zu verklagen, hatte er doch nicht gedacht und doch kam einige Wochen danach ein Schreiben vom Amtsgericht Merseburg mit der Aufforderung, den gesamten Nachlass der Maria anzugeben an Sachen, Möbeln und Geld. Aus seiner Aufstellung ging hervor, dass die Geschwister an Kleidern und Wäsche allein schon bedeutend mehr Werte herausbekommen hatten, als ihnen zustand. Denn die Unkosten, die Franz durch die Operationen und die Beerdigung usw. hatte, überstiegen dieselben um mehrere hundert Mark und sie hatten nichts dazu beigetragen. Zuletzt verwies er sie auf Rat des holländischen Vertreters der Firma Blancke aus Den Haag an das holländische Gericht in Amsterdam, da Maria durch die Heirat Holländerin geworden war und die deutschen Gerichte in diesem Fall nicht zuständig waren. Einige Monate später erfuhr er dann, dass die Klage durch die Geschwister zurückgezogen worden war.