Franz nach dem zweiten Weltkrieg – bei seiner Tochter

Nun lebte Franz bei seiner Tochter. Er gab Alice vorläufig 40 RM als Wirtschaftsgeld für seine Unterhaltung im Monat März und so war er von nun an Untermieter bei seiner Tochter Alice, der er dann für die nächsten Monate je 50 Mark für seine Unterhaltung gab, was er gut entbehren konnte, da sein Vermögen damals 550 Mark betrug und er persönlich nicht viel brauchte.

Am nächsten Tag fuhr er zu Frau Bürger zurück, um seine Bücher, Schreibpapier und andere Kleinigkeiten abzuholen. Alice stellte ihm einen Teil des Bücherschrankes zur Verfügung, sodass er seine wenigen Bücher, Landkarten usw. gut unterbringen konnte.

Am 11. März fuhr er zur Fürsorgestelle I in der Pfaffendorfer Straße, um auch diese Angelegenheit zu erledigen und seine Adressänderung anzugeben.

Am 20. März war ein Vertreter der Fürsorge bei ihm, um sich nach seinen Verhältnissen zu erkundigen und mit dem Auftrag, er solle in der Pfaffendorfer Straße im Amt 1 vorbeizugehen, wenn er Geld (33 Mark) benötige. Aus Wormstedt erhielt Alice ¾ Zentner Kartoffeln zugeschickt. Am 5. April war Frau Henkel zum zweiten Mal hier zu Besuch und ist mit ihm zur Fürsorge gefahren, wo er zum ersten Mal aufgrund seines Antrages 31,50 Mark für den Monat April erhalten hat. Am 10. April hat er sich polizeilich umgemeldet in die Paul-Küstner-Straße 10 I, sodass für ihn  auch diese Sache erledigt war. Am 11. April fuhr  Frau Henkel wieder nach Dessau zu ihrer Tochter Martel und den 4 Kindern zurück.

Direktor Paul in Wahren teilte Franz mit, dass er nun die Fürsorge in Anspruch nehmen müsse und dass er für den Monat April die erste Unterstützung erhalten habe mit Angabe seiner neuen Adresse in Leipzig-Lindenau. Darauf hat Franz von Herrn Paul keine Antwort mehr erhalten und nur durch seinen früheren Zeichner erfahren, dass er Pittler verlassen hatte und als Regierungsrat, Abteilung für Wirtschaft und Arbeit bei der Landesverwaltung Sachsen im Rathaus angestellt worden ist, und dass er wohl auch Herrn Röder und Sommer als Mitarbeiter hat unterbringen können.

Zu dieser Zeit, als es wenig Gemüse gab, hat Alice auch angefangen, Brennnesseln im Walde zu sammeln, die gut zubereitet als Ersatz für Spinat Verwendung finden konnte. Am 16. April war Franz gezwungen als Deutscher, seine Kennkarte, die er nach seiner Einbürgerung von der Polizei erhalten hatte mit der Nummer A.72227 am 19. April 1946 in Leipzig-Lindenau  bis auf weiteres verlängern zu lassen, sodass seine Ausweispapiere wieder in Ordnung waren.

Am 18. April fuhr Franz zur Fürsorgestelle in der Saalfelder Straße, um auf Veranlassung des Wohlfahrtamtes 1 Zentrum nachzufragen, ob seine Akten von der Stelle 1 beim Amt 7 inzwischen eingegangen seien, damit er seine Unterstützung von nun an beim Amt Nr. 7 abheben könne. Da die Akten eingegangen waren, konnte er schon für den Monat Mai seine Unterstützung in Lindenau abheben und brauchte deshalb nicht in die Stadt zu fahren.

Er fuhr aber um diese Zeit in die Stadt, um biochemische Pillen in der homöophatischen Apotheke von Schwabe zu holen und auch, um Stadtführer der ihm bekannten Städte bei verschiedenen Buchhändlern zu kaufen. Nirgends war etwas zu bekommen. Nur bei Köhler in der Wintergarten-/Ecke Querstraße fand er einen Michelin-Führer aus dem Jahre 1912 über die Alpen und den Rhein, worin er, ohne es vorher zu wissen, einen Autoatlas über Holland, Belgien, Westdeutschland, die Schweiz, Tirol und Norditalien bis Turin fand mit kleinen Plänen aller Städte wie auch größere von Amsterdam, Antwerpen und von Brüssel im Maßstab 1:30000. Außerdem einen kleinen Stadtplan von Mecheln mit Angaben der Entfernungen von Stadt zu Stadt usw. Auch die Stadtpläne von Westdeutschland von Köln bis München und von der Schweiz und Norditalien waren darin vorhanden. Dann fand er noch Stadtpläne sowie Führer durch das Riesengebirge und das Moseltal und Alben über Ostende und Brüssel, wofür er sich ebenfalls interessierte. Lange hat er nach einem Stadtplan von Brüssel in größerem Maßstab gesucht, bis er von seinem Freund Petersohn in der TVL einen illustrierten Führer durch Brüssel und Umgebung erhielt aus dem Jahre 1910 mit einem besonderen Plan der damaligen Weltausstellung und ein Verzeichnis aller Straßen, die ihm von früher her bekannt waren. Da die Führer doch etwas alt waren, schrieb Franz direkt an den Verlag der Grieben-Reiseführer in Berlin und konnte von dort und der Leipziger Vertretung 16 bis 20 neue Führer erhalten, die von den Angriffen der deutschen Städte gerettet worden waren. Dabei waren auch der große Führer durch Belgien ebenfalls mit Plänen der belgischen Städte und ein Führer durch Holland, die er zur Beschreibung seiner Reisen gut verwenden konnte. Da seine Tochter Lotte in Eisenach auch Gelegenheit hatte, einige Führer und Karten zu besorgen, so war seine Führer- und Landkartensammlung wieder sehr reichhaltig und er warstolz darauf.

Während die Postverbindungen innerhalb Deutschlands nur während der Invasionszeit im Jahre 1945, als die Amerikaner von Paris kommend Deutschland erreichten, von April bis Ende August unterbrochen wurden, war von September 1944 bis zum Monat April 1946 eine Verbindung mit Belgien und Holland ausgeschlossen, sodass es erst am 23. April 1946 möglich war, nach Brüssel an seinen Freund Pierre Flammand zu schreiben und ihm zu seinem Geburtstag am 24. April zu beglückwünschen. Der Brief ist auch gut angekommen, denn am 25. Juni 1946 erhielt Franz eine Antwort, worin er ihm mitteilte, dass es seinem Schwager Léon trotz seiner 88 ½ Jahren sehr gut gehe und dass er vor drei Wochen sogar bei ihnen zu Besuch gewesen sei. Dabei erfuhr Franz, dass seine Großcousine Louise, mit der er im Jahre 1938 die verschiedenen Reisen durch Belgien gemacht hatte, sich inzwischen erholt habe, denn sie habe einen Nervenzusammenbruch erlitten, der durch die Bombardements der deutschen Luftfahrzeuge VI, V2 usw. verursacht worden sei. Dagegen habe Suzanne, ihre Schwester, den Krieg besser überstanden und alle würden bedauern, dass sie in Brüssel nicht wieder zusammen montags abends wie im Jahre 1938 die schönen Sitzungen beim Biere würden abhalten können. Seine Cousine Emma Wyngarden hat sich dagegen bei Lüttich bei den Verwandten ihres Vaters, des Hutmachers, aufgehalten. Trotz der 5 Jahre deutsche Besatzung seien sie alle soweit gesund. Das Leben habe aber für ältere Leute keinen Zauber mehr durch die starke Verteuerung aller Lebensmittel, sodass sie vieles entbehren müssten dazu gehörten die Besuche im Café wie früher. Seit beinahe 2 Jahren hätten sie keine Nachricht von Franz erhalten, was auch stimmen kann, denn nach der Abstempelung seiner früheren Kontrollkarte für den Auslandsbriefverkehr, die er nun seit dem 14. Februar 1944 führen musste, hatte er zum letzten Mal am 30. August 1944 einen Brief an Flammand sowie eine letzte Karte an seinen Schwager Léon geschickt.

Später erhielt Franz noch weitere Briefe von Frau Louise de Roy, Suzanne Bomhals, Emma Wyngarden, Anna Dewal, die inzwischen verheiratet war und bereits 2 Kinder hatte, woraus hervorging, dass in der Nähe der Wohnung von Louise de Roy eine deutsche Bombe gefallen war, eine VSII Bombe, die viele Schäden angerichtet hatte und auch viele Tote zu beklagen gewesen seien, dass ferner der Sohn ihres Bruders in Dachau infolge der Folterungen gestorben sei. Ferner erfuhr er, dass seine Cousine Emma Wyngarden mit Rheumatismus zu tun habe und dass Léon sein Essen immer noch selbst koche und nach wie vor gesund sei. Er gehe mit seinen 89 Jahren alle Tage spazieren und ließ ihn durch Emma bestens grüßen. Von Emma erfuhr er dann auch die Adresse seiner Cousine Anna van de Wal, jetzt Frau Anna Brockmann in Utrecht, MGR v. d. Weteringestraat Nr. 112, wobei er auch erfuhr, dass ihre Mutter, die Franz in Vught im Jahre 1938 kennengelernt hatte, in Utrecht gestorben und nach Vught überführt worden sei. Weiterhin berichtete Emma ihm, dass das Grab seiner Schwester in Anderlecht immer schön in Ordnung gehalten werde und dass sie während des Krieges sehr oft bei den Verwandten ihres Vaters bei Lüttich gewesen sei, die immer sehr nett und gut zu ihr gewesen seien. Es war also überall dasselbe, es ließ sich auf dem Lande, ob in der Nähe von Lüttich oder in der Umgebung von Apolda war, besser leben als in der Großstadt, ganz gleich ob es in Deutschland oder Belgien war. Die beiden Geschwister Louise und Suzanne waren in Knocke an der Nordsee, wo Franz im Jahre 1938 auch mit seiner Cousine Louise de Roy war. Sie hatten damals auch eine Ansichtskarte von Knocke geschickt, die Franz aber, da das Senden von Ansichtskarten verboten war, bis heute im Jahre 1947 noch nicht erhalten hat. Er erfuhr später auch durch Louise, dass eine Flasche Geuze, das gute Brüsseler Bier 20 bis 22 Franken koste, sodass ihr der Durst vergangen sei. Die Kneipe, in der sie früher verkehrt sind bei der Börse, bestehe auch nicht mehr und habe andere Wirtsleute, sodass Léon und die anderen Freunde dort nicht mehr verkehrten.

Bei seiner Tochter Alice verlief sonst das Jahr 1946 ruhig, da Alice für ihren Vater alles besorgte und erdiese Beschreibung seines Lebens ruhig ausarbeiten konnte, um die Zeit zu verkürzen. Früh morgens erhielt er seinen Kaffee mit drei Brotschnitten und Marmelade oder Honig. Zwischen 12 und 13 Uhr wurde Mittag gegessen, meistens gab es bis zum Frühjahr Kartoffeln, die durch die regelmäßige Zusendung aus Wormstedt gut gereicht haben in Verbindung mit Gemüse wie Spinat, Rotkohl oder ähnlichem. Nachmittags gegen 16 Uhr gab es etwas Pudding und abends nach 18 Uhr meistens Bratkartoffeln und danach wieder 3 Brote mit seiner zugeteilten Butter, die er annähernd alle 14 Tage in 50 Gramm Stückchen einteilen musste. Abwechselnd gab es auch etwas Wurst vom Fleischer oder Käse, sodass er mit dem Essen ganz gut ausgekommen ist. Da seine Tochter aus Eisenach von Zeit zu Zeit ein Päckchen schicken konnte, so sind sie ganz gut durchgekommen. 2 bis 3 Mal konnte Alice sogar Frau Ruppert mit Kartoffeln aushelfen, wenn es bei Rupperts sehr knapp geworden war. Sie haben aber das geborgte Quantum immer pünktlich zurückerhalten.

Da sein Freund Müller ihn alle 14 Tage mit dem Auto abholte, konnte Franz bis Ende 1946 regelmäßig Versammlungen der Technischen Vereinigung, die sonnabends im Auerbachs Keller abgehalten wurde, beiwohnen. Zweimal sind sie wohl auch mit der Straßenbahn zu den Versammlungen, wo er sich mit den alten Freunden gut unterhalten hat und in das Anwesenheitsbuch von Zeit zu Zeit wieder mit einer Zeichnung verziert hat, so z.B. eine Sitzung in ihrer Nische in der linken hinteren Ecke des Restaurants und ein Erinnerungsblatt an den 59. Jahrestag der Gründung des Vereines im Fasskeller des Auerbachs Keller sowie zuletzt ein Bild als Umrahmung für die Fotos der jetzigen Mitglieder mit den Namen der Vorsitzenden seit 1887 auf einer Doppelseite.

Da durch die russische Besatzungsbehörde bekannt gegeben wurde, dass von der Sparkasse an Unbemittelte bis 400 RM herausgegeben werden können, hat Franz sich am 29. Mai einen entsprechenden Schein durch die Fürsorgestelle ausstellen lassen und dann später im Monat Juni 400 RM auf sein Sparbuch  ausbezahlt bekommen. Am 15. Juni 1946 erhielten sie über Wormstedt Nachricht von Rudi durch einen Holländer Herrn Tübben Edic, der in Minsk mit Rudi zusammen gewesen war. Durch den Brief, den er an Alice schrieb, erfuhren sie, dass Rudi als Spezialist in einer Fabrikschlosserei beschäftigt sei und dass es ihm gut gehe. Der Brief war an Alice nach Wormstedt geschickt und von der Oma hierher gesandt worden. Am 15. Juli besuchte sie Lotte aus Eisenach und brachte außer den Geschenken für Wölfchen zum Geburtstag, für ihn einen neuen Atlas vom Sydow-Wagners Verlag Justus Perthes in Gotha aus dem Jahre 1944 mit 62 Haupt- und 260 Nebenkarten auf 61 Tafeln und einem Namensverzeichnis mit sowie ein Buch „Stalingrad“ und mehrere Reiseführer von Wörl durch Amsterdam und von Hachette in Französisch über die Normandie (Guide bleu). Da sie auch Brot, Butter usw. mitbrachte, haben sie ein paar Tage gut zu essen gehabt. Leider konnte Lotte bis zum Geburtstag von Wölfchen nicht da bleiben und fuhr, nachdem sie Rupperts besucht hatten und sie mit den Kindern und Alice auf dem Messplatz war, am 18. Juni wieder zurück.

Bereits Ende Januar bekam Franz einen Neujahrsbrief von seiner Cousine Anna de Wal aus Utrecht, wo sie mit ihrem Mann von Vught aus hingezogen war, und teilte ihm mit, dass alle Verwandten in Holland gut durch den Krieg gekommen seien. Nur ihre Schwester in ‘S-Hertogenbosch, die er im Jahre 1938 kennengelernt hatte, habe ihren Sohn verloren durch einen Schuss ins Herz. Seit dem 28. Dezember 1943 sei sie schon verheiratet und hätte 2 Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. Sie seien alle gesund und ebenfalls gut durch den Krieg gekommen. Nur der Winter von 1944 auf 1945 wäre sehr schwer gewesen, denn sie hatten keine Kohlen, kein Gas, kein Licht und nichts zu essen. Tausende von Menschen seien fortgeschafft worden. Aber trotz aller Razzien habe sie ihren Mann verstecken und behalten können. Es wäre zwar immer noch nicht so wie es sein sollte, aber jetzt könnten sie zufrieden sein, denn wo so viel vernichtet und fortgeschleppt worden sei wie in Holland, könne es nicht so schnell wieder in Ordnung kommen. Wenn auch viele Lebensmittel wie: Butter, Brot, Käse, Fleisch, Zucker usw. rationalisiert seien, so gäbe es doch Schotengemüse und Haferflocken frei und das wäre doch schon etwas. Wie sie gelesen habe, soll es Deutschland sehr schlecht sein und so wollte sie ihnen ein Päckchen mit Lebensmitteln zukommen lassen, was wohl nicht geschehen ist. Von Louise de Roy erfuhr er schon im Januar, dass es ihnen wohl besser gehe, aber sie nur 110 Blutdruck habe, was doch zu wenig sei. Am 9. März schrieb sie Franz, dass es ihr besser gehe, aber sie sollte in wärmere Länder gehen, denn der Winter wäre sehr kalt und sie hätten zu wenig Kohlen, um zu heizen. Da erfuhr er auch, dass der Bahnbau vom Südbahnhof zum Nordbahnhof noch nicht fertig sei und der Zentralbahnhof nicht weit von der Anlage Mont des Arts gebaut werde. Durch den Krieg seien die Arbeiten, die bei seinem letzten Besuch bis zur Kirche de la Chapelle fortgeschritten waren, unterbrochen worden.

Beim Einkaufen von Büchern konnte Franz am 12. Juli ein starkes 1222 Seiten starkes französisch- niederländisches Wörterbuch vom Frick van Wely bei Koehler von Franz Kramer für 12 Mark kaufen, um seine holländischen Sprachkenntnisse zu vervollständigen.

Am 13. Juli besuchte ihn sein früherer Zeichner bei Pittler, Max Richter, und am 15. Juli Herr Röder, die ihm über die Pittler-Fabrik Näheres mitteilen konnten. Während Röder inzwischen bei der Stadt arbeitet, ist Max Richter als Zeichner bei den Russen im Pittler-Werk beschäftigt und zeichnet für die Russen die Kesselanlagen usw. genau auf, damit sie in Kiew wieder genau aufgebaut werden können. Auch Max Frank hat ihn ein paar Mal besucht, der nach Franz bei Pittler die Kalkulationsabteilung übernommen und die Offerte weiter ausgearbeitet hatte.

Am 20. Juli hatte Alice den Besuch eines Beamten des Wohnungsamtes, der mit 12 bis 16 KZ-Männern die Wohnung besichtigen wollte, worunter sich auch 2 bis 3 Russen in Uniform befanden. Die vielen Männer konnten sich in der kleinen Wohnung kaum drehen. Der Beamte meinte zu Alice, sie würde vom Wohnungsamt Bescheid bekommen, aber es ist nichts erfolgt, wahrscheinlich weil als Untermieter eingezogen war.

Am 26. Juli starb der Schwager von Helene Henkel in Wormstedt nach langer Krankheit, als sie zufällig in Wormstedt war und der Trauerfeier in Apolda beiwohnen konnte.

Am 12. Oktober fand oder sollte in der Gosenschänke in Eutritzsch ein Kegelabend stattfinden, der aber ausfallen musste, weil die Kegelbahn nicht geheizt werden konnte. Sie blieben in der Gaststube, wo es nochmal eine gute Möhrensuppe mit Kartoffeln ohne Marken gab. Am 13. Oktober starb sein Freund Philipp Schwarze infolge eines Schlaganfalls, wie Franz später erfahren konnte. Am 20. Oktober starb dann auch in Berlin-Köpenick sein früherer Chef, Georg Stolzenburg, bei dem er im Jahre 1889 in Leipzig-Gohlis als Zeichner seine ersten technischen Zeichnungen angefertigt hatte.

Am 20. Oktober besuchte ihn noch einmal sein Kollege Walter Lindner, mit dem er im Jahre 1930 die Motorradtour nach Paris, Brüssel und Lüttich gemacht hatte, um über die Tour noch einmal zu sprechen und die Daten richtig zu stellen. Gegen Ende des Jahres 1946 hatten sie noch Schwierigkeiten mit dem Gas und dem Licht, das während mehrerer Stunden des Tags gesperrt wurde und Alice beim Kochen viele Schwierigkeiten bereitete.

Die Folgen des Hitlerkrieges machten sich jetzt erst durch den strengen Winter bemerkbar. Es zeigte sich nun im Monat Dezember mit -10 bis -18° Kälte, sodass sie in der Stube wegen der geringen Kohlen Temperaturen unter 16° Wärme hatten. Durch die Lieferung von Pelzjacken durch Lotte war es ihnen jedoch möglich, den Winter durchzuhalten, denn es gab Tage, wo Franz vor Kälte kaum schreiben konnte, weil die Finger klamm waren.

Am 21. Dezember starb nun auch sein alter Freund Paul Leppert im Alter von 76 Jahren in Eutritzsch. Da es gerade sehr kalt war und Frau Leppert Herrn Müller gebeten hatte, sein Auto zur Verfügung zu stellen, um mit den Töchtern zum Südfriedhof fahren zu können, ist Franz zurücktreten und konnte der Beisetzungsfeier nicht beiwohnen. Er konnte also nur uch im Namen der Frau Henkel das Beileid aussprechen und blieb zu Hause, da es schwierig war, während der Frostperiode mit der Straßenbahn mitzukommen. Die Menschen hingen sogar am Ende des Wagens an den Trittbrettern. Für ihn war so etwas nicht mehr möglich. Und so kam er nach der Feier der 59. Stiftungsfestes in der TVL auch vor dem Monat Mai 1947 nicht wieder in die Stadt.

Am 2. Dezember schrieb Franz, durch eine Notiz in der Zeitung aufmerksam geworden, wegen der Auszahlung von Versicherungen an die Versicherungsanstalt des Bundesstaates Sachsen, um die Auszahlung seiner Lebensversicherung durch die Sparkasse zu erwirken. Zu Weihnachten 1946 erhielt er von Frau Henkel aus Dessau das astronomische Handbuch für 1946, von Lotte ein Paar Pulswärmer und von der Volkssolidarität 10 Mark, die er am 28. Dezember in der Josephstraße 12 abgeholt hat. Da sie zu Weihnachten wieder einmal kein Licht hatten, hat Alice zusammen mit den Kindern das Fest bei Kerzenlicht gefeiert und es wurden von Weihnachtslieder gesungen.

Im Jahre ging die Kalamität mit dem Gas und dem Licht weiter, sodass sie eine Woche um die andere bis 19 Uhr im Dunkeln sitzen mussten, da während der Zeit nach dem Dunkelwerden kein Licht gebrannt werden durfte. Zum 14. Januar erhielt Franz eine Einladung von der Sozialversicherungskasse des Bundeslandes Sachsen, um seine Eingabe vom Dezember zu erledigen. Mit der Straßenbahn kam er sehr gut hin und konnte auch bald mit einem Herrn der Versicherungsanstalt über seine Angelegenheit sprechen. Leider konnte er nichts erreichen, da er nicht in der Angestelltenversicherung war und keine einzige Quittung vorlegen konnte. Er musste sich aber vorläufig mit den Fürsorgegeldern von 28.50 RM pro Monat begnügen, da kein Ausweg gefunden werden konnte. Die Rückfahrt mit der Straßenbahn nach 12 Uhr mittags war schwierig, da die Wagen nach Lindenau übermäßig benutzt wurden und so entschloss er sich, den Fahrradweg entlang zu laufen. Da es taute, früh waren 3° Wärme, so war das Laufen gut möglich, wenn der Weg durch die Wasserpfützen auch sehr nass war, und so kam er mit etwas Verspätung nach Hause zurück.

Da er merkte, dass sein Blutdruck wieder gestiegen sein musste, ging er zu dem Heilpraktiker Jentzsch in Lindenau, der feststellte, dass sein Blutdruck auf 250 gestiegen war. Durch Einnehmen von Tropfen und Pulver wurde der Blutdruck auf 235 heruntergedrückt bis zum 3. Februar, am 11. Februar auf 228. Bis zum 17. Februar ging er noch auf 215 zurück, um dann bis Mitte Mai stehenzubleiben. Da die Tropfen in der Lindenauer Apotheke nicht zu bekommen waren, fuhr Alice ein paar Mal in die Stadt, wo sie die Tropfen erhielt, bis auch dort dieselben nicht mehr zu bekommen waren.

Am 8. April erfuhren sie, dass in Jena ein Herr Geißler aus russischer Gefangenschaft zurück gekommen war, der Grüße von Rudi an seine Mutter, übermittelt hätte. Danach befand er sich jetzt in Minsk und arbeitete genauso wie die anderen Gefangenen an der Beseitigung der Trümmer und am Neubau der Stadt, also nicht als Spezialist wie früher angenommen, da er sich nicht als Ingenieur gemeldet hatte. Sonst ging es ihm gut.

Am 19. April war Franz bei der Frau Wolf im Nachbarhaus Nr. 12, um einen Spazierstock zu holen, da die Frau gemerkt hatte, wie schwer es ihm fiel, die Straße zu überqueren und hatte darüber mit seiner Tochter Alice gesprochen, dass er einen Stock abholen könnte, da sie noch 3 Stöcke von ihrem verstorbenen Mann hätte. Er suchte sich einen passenden Stock heraus und frug gleich, ob sie in der Bibliothek ihres Mannes eine Führer durch den Harz hätte, worauf sie ihm versprach nachzusehen und sandte ihm durch ein junges Mädchen 6 Führer so z.B. ein Führer durch Blankenburg in Harz, durch Jena und Leipzig von Baedeker sowie eine Plan von Jena, eine Karte durch das Schwarzatal, eine Karte von Naumburg und Umgegend und einen Woerlführer durch Leipzig aus dem Jahre 1909, den er auch sehr gut brauchen konnte.  Als er eine Woche später wieder da war, um zu fragen, ob er die Karten noch einige Zeit behalten könne, sagte sie ihm, dass er dieselben behalten könne, sodass er sich nur noch bedanken konnte für die geschenkten Reiseführer.

Inzwischen war Herr König als Vertreter der TVL drei  Mal bei Franz, um das Buch der TVL abzuholen und über die Anordnung der Bilder für die letzte Seite zu sprechen.

Am 6. April hat Franz an den Bürgermeister von Tilburg geschrieben mit der Frage, ob seine Einbürgerungsurkunde vom 1. Juni 1941 auch in Holland Gültigkeit habe, da doch damals keine holländische Regierung vorhanden gewesen sei, als Holland durch die deutsche Wehrmacht besetzt war.

Mit den Nahrungsmitteln ging es in der russischen Besatzungszone einigermaßen, nur wurden die Kartoffeln knapp, sodass Alice anfing sie einzuteilen und, da es kein Gemüse gab, auch wieder Brennnesseln zu sammeln. Zu der Zeit hatte sie auch ein Stück Acker in der Nähe gepachtet und war gerade auch am 12. Mai dabei, neue Beete einzurichten. Es sind 10 x 15 Meter also 150 m2 Land, was sie bearbeiten kann. Samen hatte sie sich besorgt. 

Am 16. Mai holte Herr Müller Franz zum letzten Mal ab, um in die TVL zu fahren, wo er seit dem 14. Dezember nicht war wegen des damals herrschenden schlechten Wetters. Die Freude die alten Bekannten wiederzusehen war sehr groß. Es gab aber nichts zu essen und so konnte er nur 3 Glas Bier zu sich nehmen, während er den Schnaps wegen seines Blutdrucks verzichtet hat. Gegen 6 ½ Uhr abends ging es dann mit Felix Müller wieder nach Hause unter Mitnahme des neuen Anwesenheitsbuches, in das er wieder ein Bild einzeichnen sollte zu dem Kegelnachmittag, der am 15. Mai zum Himmelfahrtstag im Waldhof in Leutzsch ab 15 Uhr stattfinden soll.

Damit beendet Franz seine Lebensbeschreibung in der Hoffnung, dass es ihm weiter so gut gehen werde wie bisher und dass die Lebensmittelverteilung in Deutschland und besonders in der russischen Besatzungszone sich verbessert.

Mein Großvater starb am 20. Mai 1948 im Stadtkrankenhaus St. Georg in Leipzig.